Nun, da der neunte Monat die Welt wieder in Nebel hüllen wird und sieben Arbeitswochen bis zum Kalenderende bevorstehen, ein paar besinnliche Gedanken, bevor es weitergeht.
Es ist ja meist sehr arbeitsam – arbeitsam, und nicht etwa „arbeitsarm“ – das Ende des Kalenderjahres. Bevor daher der übliche Vorweihnachtsstress los geht, lädt der 2. November noch zu ein paar spätherbstlich sonnigen Gedanken ein, wenn auch grade mal wieder Nebel ist.
Nun ist es ja mal so: Sonne ist da, würde ich mal sagen, wo Herz ist, und Herz ist da, wo Zeit ist, denn, um es mit anderer Leute Worten auszudrücken: „Zeit ist leben und das Leben wohnt im Herzen“ – Und je mehr man daran spart, desto weniger hat man. Das ist eine Weisheit, die uns die Grauen Herren der Realität nur allzu gerne verschweigen.
Wie gewinnt man Herz? – Also wohl nicht mit den üblichen Love-Klischees. Andererseits wohl aber auch nicht einfach mit dem Studieren von Büchern oder dem mechanischen Abklappern von Adventsveranstaltungen. Vielleicht, in dem man auf die kleinen Dinge achtet, die immer um uns sind, oder in uns. Wobei man wohl auch da aufpassen muss, sich nicht zu hypersensibilisieren. Dann gewinnt man nämlich auch kein Herz, sondern nur Leid: Depressionen, die wirklich auch nicht das Wahre sind.
Es gibt sie aber dennoch, die lichten Momente, die manchmal unerwartet ins Leben einfallen können wie linde Lichtstrahlen; so wie es auch hier im November manchmal urplötzlich schön werden kann, wenn sich der trübe Hochrhein-Nebel mal lüftet. Diese Augenblicke zu erfassen und zu nutzen, sie nicht gar zu übersehen, darin besteht die Kunst. Ich denke, das ist das, was fröhliche Menschen ausmacht. Denn nicht der Wohlstand oder die Intelligenz sind es und nicht mal eine Vielzahl an sozialen Kontakten, die einen Menschen glücklich machen, sondern die Gabe, die schönen Momente, die es in jedem Leben gibt, zu erkennen, und wenn es geht auch auszukosten.
Nun ist es aber eine Binsenweisheit, dass Erwachsene darin oft nicht sonderlich geschickt sind und in den derzeitigen Schulen gelingt es ihnen oft zweimal nicht. Doch gibt es dort glücklicherweise auch Kinder und Jugendliche, die diese Gabe oft noch beherrschen, wenngleich sie, durch fortschreitende Erfolge der Grauen Herren, auch immer weniger werden. Als Lehrer ist man schon glücklich, wenn man dann und wann eine Momo trifft und nicht gar selbst zum Grauen Herren wird. Beppo ist eine Option, falls Momo selbst nicht zur Verfügung steht. Entweder Schritt für Schritt gehen – oder eben rückwärts. Das ist wichtig!
Im Grunde genommen steht man selbst jederzeit vor der Entscheidung, wohin es geht. Allerdings ist das oft wie mit Waldwegen, die sich ungeahnt verzweigen können. Der linke oder der rechte? – man weiß oft nicht, wo sie enden. Oder man hat es vergessen. Leider ist es oft auch nicht so wie im Märchen, dass immer der rechte der richtige ist. Aber manchmal eben doch. Überhaupt hat man meist eine Vielzahl von Möglichkeiten, nicht nur gut oder böse. Es ist ganz unterschiedlich und oft liegt man eben einfach falsch. Dann muss man eben auch mal zurückgehen, wenn es der falsche Weg war.
Einige Wege an Wegkreuzungen sind zudem so gut versteckt, dass man sie gar nicht findet, selbst wenn das verwitterte Wegeschild sie noch anzeigt. Dann bedarf es schon vieler Fantasie und einer gewissen Sturrheit, um sie doch noch zu erfassen. Denn ein böser Graf Grauenstein könnte ihn ja verwildert haben, den geheimnisvollen Weg, damit niemand ihn gehen kann und das in seinem tristen Schloss gefangene Kind befreien. Im Kinderbuch gibt es dann doch einen kindsköpfigen rothaarigen Lehrer, der ihn findet und geht – nach einigen Fehlschlägen, Peinlichkeiten und Rückschritten. Aber welcher Erwachsene in der Realität tut das schon?
Viele stürzen sich lieber wissend in den Abgrund am Ende falscher Wege, um ihren Stolz zu retten. Echte Kinder sind oft die besseren Menschen. Wenn es sie noch gibt, denn inzwischen ist das keine Frage des Alters mehr.
Aber mal anders gefragt: Welchen Weg würden Sie wählen?