Seichtes Blasen – Lyrik zum Fest

Weihnachten, das ist die Zeit sanfter, liebgesäuselter Gedichte. Meinen zumindest die Unterteufel, welche nach Kräften die eigentliche Botschaft zerschwelgen wollen. Um Weihnachtslieder vom Glittertand gänzlich zu befreien, melodisch korrekt, ist die Zeit freilich zu knapp. Das ist eine längerfristige Aufgabe. Sieben Gedichtlein ohne Ton, das brachte ich aber noch zustande.

I. Blasorchester

Dies ist die Zeit nicht, wo gesprochne Worte
als Hall mehr sind und wirklich eingeprägte,
wo wahr und dicht die Sprache an die Orte
des Lebens strömt und Ewigkeit erwägte.

Dies ist die Stunde praller, hohler Phrasen,
wo Lärmen alles ist, wo alle wogen
und saugen aus der Fülle bunter Blasen;
wie Seife schäumt’s, die eifrigst aufgesogen.

Wen wundert’s, dass nur seichte Reime fallen,
Die schweren aber auf dem Boden rollen,
Dem Becher gleich, den keiner halten wollt‘ –

Wenn nur zersungene Vokale hallen,
Dem Mammon nur gewidmet ist das Wollen,
Kein Wunder, dass die Muse nur noch schmollt.

*

II. Draußen vor der Tür
(in Betrachtung einer Obdachlosenunterkunft)

Am Fluss, dem Wasser nah, hat er gebaut,
Sein grünes Zelt, frech abgestellt am Saume,
Unheimlich wirds den Schlemmenden beim Baume,
Wenn Gold zum Trotz er durch ihr Fenster schaut.

Da nutzt kein Leuchtestern und keine Kerzen,
Hilft goldne Krippe nicht und kein Spalier,
Nicht Myriaden Weihnachtsenglein hier,
Er deutet auf den Frost in ihren Herzen.

Wie leicht’s wärs doch: ein hübsches kleines Grab
zu schmücken und den Penner zu bedauern,
Noch spürt man Solomons gefallne Narben.

Es ist ein Graus mit dieser falschen Zeit:
Den toten Mann verehrt man allbereit,
Doch die Lebendgen müssen weiter darben.

*

III. Zum Himmel hoch
(nach der Kanzelpredigt ökumenisch zu intonieren)

Als Sankt Martino Luther reisen tat,
Ins alte Rom, die Stadt der schönen Frauen,
Da packte ihn sehr schnell das nackte Grauen,
So tief gesunken war die heilge Statt.

Wo Pilger beten sollten, rollt‘ nur Gold,
In höchsten Ämtern herrschte eitler Wahn,
Die Kirche kurvte auf der schiefen Bahn,
Dies reute Luther, was er bessern wollt.

Schaun wir uns heute diese Stätten an:
Die leichten Damen sind längst abgewöhnt,
Das Gold blieb, und die Herren ausgegraut,

Auch ist kein Luther mehr, der mahnen kann,
Weil man sich eigne Stätten längst gebaut,
Wo anderorts man neuen Götzen fröhnt.

*

IV. Späte Gerechtigkeit

Tief sitzt die Angst der Schönen und der Reichen,
Die angeschafft mit Macht so manchen Schatz,
Sie bangen nun, das alles für die Katz‘
Gerafft und angehäuft, wenn sie erbleichen.

Erbleichen wollen sie zuletzt vermeiden,
Wer festgesetzt zur rechten Zeit das Wort,
So sprechen sie, weicht nicht vom goldnen Hort
und wird den blassen Tod nicht leiden.

Doch leiden täglich viel zu viele Kinder
Des einen Schöpfers, dass man das verstünde,
Das bloße Raffen ist nicht mehr als Sünde,

Drum schonen nicht die eitlen Leuteschinder,
Wenn sie auch täglich viel Rendite machen,
Die Todesengel selbst – die leise lachen.

*

V. Prophetie

Wär ich Prophet, ich wüsste viel zu sprechen,
Von nahem Unheil, übler Gegenwart,
Vom wahren Sinn des Heiles, das uns ward,
Und starken Engeln, die das Unrecht rächen.

Was Amos, Joel, Jeremia sprachen?
Für Nikoläuse oder Weihnachtsstress,
Für Kaufrausch oder wildes Business
Sprachen sie nicht! Wohl eher, aufzuwachen

Aus süßen Träumen, die uns nur vernebeln,
Weil Wahrheit etwas andres ist als Glimmer –
Und doch wird es mit jedem Jahre schlimmer,
Die Weihnachtsbotschaft gänzlich zu zersäbeln,
In goldenen Präsenten zu ertränken –
Wär ich Prophet – das gäb ich zu bedenken.

*

VI. Oh Tannenbaum!

Es steht ein Baum und kümmert in der Stube,
Wie jedes Jahr ein Anblick für die Tränen,
Der Inbegriff von unerfülltem Sehnen,
Wenn Frühlingshoffnung nadelt in die Grube.

Es ist dem mittelmäßig ausgelernten Manne
Bekannt, dass Bäume, wenn man ihre Wurzeln
Abhackt, verenden müssen: Blättlein purzeln
Zu Boden – oder Nadeln bei der Tanne.

Doch scheint’s egal, denn jedes Jahr aufs Neue,
Zur gleichen Zeit und für die selbe Spanne,
Geschieht der Pflanzenmord auf gleiche Weise.

Man sagt, es sei, auf dass man sich erfreue,
Nichts schön’res gäb es als die tote Tanne.
Glaub mir: Die Menschen haben eine Meise!

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VII. Doofe Weihnachten

Das Zeug ist viel, Geschenklein ohne Ende,
Davon viel Müll, manch Krempel nur; man fragt,
auffindend, was man gar nicht braucht, und klagt,
dass, was man eigentlich gewollt, nicht fände.

Hilft uns das Wort nicht, wollen wir verzagen.
Soll, was nicht werden darf, dann Retour gehn?
Darf, wem die Hoffnung dunkel ward, dann sehn?
Wenn heute nicht – was bringt das ganze Klagen?

Es geht vorbei, mein Herz, ist fast vorüber!
Das schlimme Fest, das jedes Jahr uns quält;
Der letzte Engel ist schon ausgezählt,
Der letzte Niklaus zieht sein Mützchen über,
Und stiefelt grummelnd in den Bart davon –
Nicht lange und man feiert Fasnacht schon!

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.