Büffeln oder spielen?

2009 ist das Jahr des Büffels im chinesischen Kalender. Doch viele Menschen werden keine Gelegenheit mehr dazu haben oder ihre Erwerbsarbeit im laufenden Jahr verlieren. Nachdem erst die Banken wie abgezockte Kartenhäuser zusammenbrachen, knirscht und bricht es nun auch in der freien Wirtschaft. Selbst die Beamten werden sich darauf einstellen müssen, real an Lohn einzubüßen, wenn sich die Staaten hoch verschulden und die in die Märkte gepumpten Milliarden irgendwann als zünftige Inflationsrate zurückschwappen. Keine rosigen Aussichten sind das, doch sind Farben, ob Magenta nun echt ist oder nicht, mit einem Pinsel ohnehin schnell selbst gemalt.

So werden sich viele wieder auf das private Leben zurückbesinnen oder, wo auch das vergällt ist durch widrige Umstände, sich in schillernde fiktive Welten flüchten, wenn schon die Realität so grau ist. Krisenzeiten sind gute Zeiten für die Kultur, sagt man. Nicht nur, dass man auch mit einstürzenden Börsenkursen manch schöne Dinge basteln kann, auch sonst. Das dürfte die Medien- und Unterhaltungsindustrie freuen, hatte sie ja sonst nie genug zu lachen in der Vergangenheit, wie sie immer wieder glaubt und betont. Ob denn die Musik wieder innovativ wird oder die Industrie sich und ihre flauen Klingeltöne weiterhin nur selbst feiert, wird man sehen müssen. Ähnliches gilt für Hollywood – wobei hier niveauvolle Filme noch ein glückliches Nischendasein füllen konnten, immerhin.

Was die Spiele-Industrie angeht, scheint dieses Jahr allerdings ein gutes Jahr zu werden. Endlich bergab geht es mit den immergleichen 3D-Ballerorgien – „Blut und Morde“ – auch die unzähligen, tributpflichtigen Onlinewelten bleiben nur noch stabil, das gute alte Adventurespiel feiert aber sein verdientes Comeback. Schon 2008 gab es da einige recht gute Titel, „Edna bricht aus“ beispielsweise, oder „So blonde“ oder „Everlight“, das sogar schon ein Jahr früher rausgekommen war. Spiele, die wieder den guten alten Humor und Ironie zu schätzen wissen, gute alte Werte, die in der Jugendkultur längst verloren geglaubt waren, allzulange war ja nur noch plakativer Privatsenderklamauk bekannt.

2009 sind weitere schön gemachte Humoradventures zu erwarten, das Fantasy-Adventure „Ceville“ beispielsweise, dass mit einigen höchst interessanten Kombirätseln an „Day of the Tentacle“ anschließt, oder auch der fünfte Teil von „Simon the Sorcerer“, optisch und tontechnisch allerdings noch übertroffen von „The Book of Unwritten Tales„, dessen Sprecherbesetzung allein schon Kinoniveau besitzt. Rollenspieler dürften sich über den nächsten Teil der DSA-Reihe freuen – „Das Schwarze Auge: Demonicon“ und für Freunde der Simulation stehen „Anno 1404“ und „Die Sims 3“ an.

Spieleliebhabern hat das 2009 also einiges zu bieten. Fragt sich nur, ob die büffelnde Bevölkerung dazu überhaupt Zeit haben wird oder die „arbeitslosen“ Anteile sich die luxuriösen und inzwischen auch nicht mehr ganz billigen Produkte mit ihren gestiegenen Hardwareanforderungen überhaupt leisten können. „Vier magische Harzklumpen“ wie seinerzeit in „Everlight“ erhalten Erwerbslose hierzulande ja nicht, allenfalls Hartz IV, also alles andere als Arbeitslos-engeld ist. Da greift dann auch kein Konjunkturprogramm mehr.

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.