Warum das Buch wohl nicht so schnell sterben wird…

„Es war einmal“ – „Die Ära des gedruckten Buches geht zu Ende.“, kann man neuerdings in einem Artikel von Jürgen Neffe auf „Zeit Online“ nachlesen. Ich denke nicht, dass der Redakteur recht hat. Bücher wird es wohl noch ziemlich lange geben.

Zeitungen, oder besser gesagt, Medienhäuser, sind in der Krise. Die gedruckte Tagespresse will – so heißt es – niemand mehr kaufen, immer weniger Abonnenten finden sich – die Leser jedoch brechen nicht weg, sie verlagern sich lediglich, ins Internet. Was liegt da also näher, als dem Medium Buch sein Ende auszusprechen, seine Ära schwinden sehen. Sprechen doch Studien und Zahlen für sich.

Bloß: Bücher sind keine Zeitungen oder Zeitschriften. Bücher sind gedruckte Ganzschriften, meistenteils doch auf Dauer angelegt und mithin widerstandsfähiger, als vielen forschrittsfreudigen Medienwissenschaftlern lieb ist. Viele Gründe sprechen dagegen, dass die Ära des gedruckten Wortes zu Ende geht, dass Bücher gar nur noch lebende Tote sein werden, ja das sie überhaupt „sterben“ werden.

Erstens ist das Totsagen des Buches als Untergangsprophetie  ja nicht ganz neu. Schon in den 1990ern, als ich mich im Studium mit Medienethik und -wissenschaft beschäftigte, sagte so mancher dem Buch den nahen Tod voraus. Viele glaubten das sogar wirklich! Das war lange vor Verlagserfolgen wie Harry Potter & Co, die völlig unvorhergesehen ganz neue Käuferschichten erschlossen. Und lange vor den 90ern bangte man bereits in den 60ern, als das Fernsehen aufkam, um die Zukunft der Schriftkultur, lange, lange bevor solche Dinge wie das Internet nur erahnbar wurden. Nun dauert die Internetära schon wenig länger als zehn Jahre, aber verdrängt hat sie die Bücher keineswegs.

Absatzprobleme von angestammten Buchhandlungen oder Verlagen zeigen da keine Krise des Mediums Buch an, denn zweitens ist die aktuelle Wirtschaftskrise nicht gleichzusetzen mit einer Krise des Mediums Buch, also des guten alten Pappbandes mit Papierinhalt. Bücher sind Bücher, Kommerz ist etwas anderes. Schon möglich, dass die althergebrachte Verlagswirtschaft, entstanden als Wirtschaftsform im Spätmittelalter, nun langsam dem Ende entgegen geht. Aber die Produktionsform ist nicht das Medium.

Und ich denke, es spricht gerade auch die aktuelle globale Krise eher für den Fortbestand des althergebrachten Buches als dagegen, denn man mag ja von den neuen Medien erhoffen, was man mag, zugeben muss man doch: Das gute alte Buch ist als Medium immer noch wesentlich nachhaltiger als der ganze multimediale Gerätezoo. Ob es sich nun um Handys oder andere digitale Lesegeräte handelt und von welcher noblen Marke sie auch stammen werden, in drei Jahrzehnten, das hat uns die jüngste technische Entwicklung doch gezeigt, da sind die ganzen schnuckeligen Dinger nur noch ein Haufen Altmetall. Und die Frage, ob man deren Inhalte dann noch auslesen können wird, die stellt sich kaum einer.

So ein altbackenes Buch aus Papier und Tinte dagegen wird noch lange lesbar bleiben und die Chancen stehen nicht schlecht, dass es dann auch noch gelesen werden wird von einem künftigen Publikum. Denn in drei Jahrzehnten könnte auch die multimediale Wegwerfgesellschaft längst in die Mülltonne der Geschichte geworfen worden sein mitsamt der selten nachhaltig konzipierten Kostenloskultur.

Web 2.0 – ein tolles Ding, insbesondere der Kostjanix-Effekt. Aber wer zahlt eigentlich die ökologische Zeche für die ganzen Server, die da so munter Strom verbrauchen und sich in weniger als fünf Jahren in der Regel wie von selbst in Schrott verwandeln und ersetzt werden müssen? Wer stellt die Sicherung und Archivierung sicher? Die Nutzer selbst etwa? Wenn sich etwas gezeigt hat in der digitalen Welt, dann doch das, dass sich mit immer mehr Inhalten immer weniger verdienen lässt in der schönen neuen Welt – ob Geld oder Ruhm, ist zweitrangig. Das kapitale Grundgesetz auch in der digitalen Welt ist Fortschritt und Maximierung. Ohne das passende Schmiermittel aber ist der ganze technische Aufwand, der hinter den vielen bunten Multimediaerlebnissen steckt, kaum mehr haltbar und auch die ganze orbitale Infrastruktur nicht, die die man zum Betreiben der Dienste und Netze benötigt. Von den realen Produktionskosten ganz zu schweigen.

Das Buch ist zur Speicherung günstiger, dauerhaft. Es weist selten Defekte auf, selbst nach Jahren nicht und bei guter Behandlung hält es ein Leben lang – und genau deshalb wird es die aktuelle Kulturphase viel eher überleben als die vielen digitalen Inhalte, wenn sie auch noch so viele multimediale Dimensionen eröffnen wollen. Zugegeben: Die armen Inhalte können nichts dafür, digital ist nicht schlecht! Wie so manche gute Idee werden sie aber am unvollkommenen Material zugrunde gehen, auf das sie angewiesen sind, an der Hardware, die profanerweise immer recht schnell verschlissen ist und teuer zu ersetzen. Soviel dann zur Idee von der „erlösten Seele des Buches“…

Zu guter Letzt darf man eines nicht vergessen: Medientechnische Möglichkeiten ersetzen nicht das Individuum, das die Medien nutzt und seine jeweiligen medientechnischen Fähigkeiten. Fantasie und Intelligenz sind zur Benutzung von Buch wie Internet oder Handy nötig und auch nötig, um an Inhalten überhaupt Gefallen zu finden. Lesekompetenz braucht man bei den neuen Medien nicht weniger, sondern sogar mehr, hier kommen sogar noch eine Menge technischer Kenntnisse dazu, die erschlossen werden müssen, ob intuitiv oder nicht, spielt da keine Rolle – bislang, zumindest wenn Zeichensequenzen ins Spiel kommen, ist das Buch mit einen simplen Papierseiten immer noch ungeschlagen. Weder braucht es Batterien, noch eine Bootsequenz oder Betriebssystembedienungswissen, Sicherheitsupdates, kryptische Eingabecodes oder gar die vorherige Aktivierung durch ellenlange Lizenznummern. Man schlägt es einfach auf und liest darin und wenn man keine Lust hat, legt man es einfach weg. Das ist ziemlich simpel. Aber es ist gut.

Daher wird die Bedienung von Büchern auch künftigen Generationen nicht so schwer fallen, dass es überholt wäre, zumal es, wie erwähnt, trotz allen technischen Möglichkeiten immer noch nachhaltiger ist und wohl bleiben wird, zumindest was Inhalte angeht, die von bleibendem Wert sind. Für die Tagespresse mag anderes gelten, doch auch hier ist das letzte Wort noch nicht gedruckt worden.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.