Chronik eines angekündigten ABI-Streiches

Außergewöhnlich war am ABI-Streich 2009 hauptsächlich die Ehrlichkeit und Konsequenz, mit welcher der einstmalige Großscherz scheidender Schüler nunmehr gänzlich umgewandelt wurde in ein vorausschaubares Schülervolksfest. Denn dieses Jahr wurde er erstmals als Party öffentlich angekündigt.

Der Abistreich 2009 im offiziellen Plakat
Der Abistreich 2009 im offiziellen Ankündigungsplakat von Mitte Juni 2009, durchaus ansprechend gestaltet

Gemalt und aufgehängt war das großflächige Poster schon über eine Woche vor dem mündlichen ABI. Für alle sichtbar hing es an der Glasfront des E-Baus am KGT. Man hätte fast die Uhr stellen können, lediglich um etwa 20 Minuten früher als auf dem offiziellen – und übrigens recht nett gemachten – Großplakat angekündigt, ging es dann los. Was folgte, war ein relativ bilderbuchmäßiger, doch dadurch auch recht durchschaubarer Abistreich, der sich nach Kräften an die Konventionen hielt, um alle Standarderwartungen zu erfüllen: Schülerbefreiung, Dekoration, Lehrerinhaftierung, Abiband, Bühnenshow und allerlei Spiele, um das Volk bei Laune zu halten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Neu war allerdings die Offenheit, mit welcher der Abistreich im Vorfeld angekündigt und von den Abiturienten weitergetragen worden war. Ja, es gab sogar mündliche Einladungen durch Abiturienten, wenn Lehrer an diesem Tag keinen Unterricht hatten. Mögen manche auch nörgeln, damit verliere der „Streich“ auch noch seinen letzten Rest von Würde – so war es so doch zumindest ehrlich. Denn heimlich wird er ja schon längst nicht mehr vorbereitet und listig zu erkämpfen gibt es auch nichts mehr.

Vielmehr setzte der Abijahrgang 2009 damit am KGT konsequent die Entwicklung fort, die der Abistreich schon Anfang der 90er genommen hatte – weg von einer schulleitungsseitig vehement bekämpften Überraschungsscherzveranstaltung mit unvorhersehbarem Verlauf hin zu einem allgemein anerkannten Schülervolksfest mit Bühnenshow und gepflegtem Lehrertiergehege. Wobei die Showelemente ja seit 2001 und das Lehrer-Catering spätestens seit 2006 zu marginalen Punkten geworden waren, gesäumt seit 1998 von der unvermeidlichen Biotop-Wasserfledderei mit Spritzpistolen und Einwegflaschen durch Mittel- und Unterstufe. Ja, das ist nunmehr längst ein Fest und kein Scherz mehr und der Abijahrgang 2009 hat dies erstmalig öffentlich klargestellt. Fakt war es schon lange.

Kritiker mögen bedauern, was damit aus dem einstigen Abischerz inzwischen geworden ist, doch war die Vorgehensweise der diesjährigen Abiturienten, den Abistreich gleich ganz offiziell mit Zeitpunkt und Inhalt als Partyevent zu definieren, nicht nur ehrlich und konsequent sondern letztlich unvermeidlich. Was hätte man denn groß anders machen können? Denn längst ist das Ereignis zu einer Pflichtübung geworden, wirklich erkämpfen kann man sich dabei nichts mehr, weder Freistunden, noch Ruhm und Ehre – aber eine Blöße will man sich ja auch nicht geben. Die einzige Möglichkeit, die sonst verbliebe, nämlich als echten Abischerz den Abistreich öffentlich anzukündigen und dann aber einfach ausfallen zu lassen, damit all jenen Schülern und Lehrern, die ihn ohne längst fest eingeplant hatten und ohne Unterrichtsmaterial erschienen waren, dann eine Blöße zu geben – diese Frechheit dürfte den meisten Abiturienten dann doch zu mutig und vermessen sein. Ganz abgesehen vom Schaden für den angeblichen „Ruf bei der Nachwelt“, der allen Abiturienten ja wahnsinnig wichtig ist.

Doch anders ließe sich heute nach dem Abitur und vor der offiziellen Abschiedfeier nicht mehr wirklich scherzen – sonst geht in diesem System wirklich nur noch Party.

Über Martin Dühning 1527 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.