Wenigstens wieder ein Lichtblick

Delphi 2010 ist da, und ein wenig anders als seine Vorgänger. Nun heißt es nicht nur endlich nach seinem aktuellen Besitzer – Embarcadero Delphi – auch unter der Oberfläche bemerkt man kleinere ideologische Änderungen. Man wird ja sonst immer mehr gegängelt als Computerbenutzer. Vorbei die Zeiten, in denen man sich den Computer wirklich noch nach eigenem Ermessen gestalten konnte, nicht nach dem fremdbestimmter Möchtegerndesigner. Vorbei auch die Zeiten, als sich Programme mit kleinen Dingen begnügten: Wenig RAM, wenig Plattenspeicher, wenig Fensterfläche.

Turbo Pascal – ein Programmierertraum

Das gute, alte Turbo Pascal: Damals ein Traum an Geschwindigkeit und Schlankheit, heute leider total veraltet.
Das gute, alte Turbo Pascal: Damals ein Traum an Geschwindigkeit und Schlankheit, heute leider total veraltet.

Große und breite Programme sind nicht neu, es gab sie immer schon. Und sie waren auch meist für großspurige Leute mit großen Geldbeutel oder zumindest überschüssiger Freizeit gemacht. Doch daneben gab es immer hübsche kleine Programme und auch Programmierumgebungen, die für solche gedacht waren, die lieber schnell und einfach zum Ziel kamen und protziges Gehabe nicht mögen. Einer dieser netten Compiler, die lieber klein und schnell statt groß und schwer waren, war vor Unzeiten Turbo Pascal, später auch seine Nachfahren Borland Delphi 1, 2, 3, 4 und 5. Und bis zur Version 5 erfreute sich diese Programmierumgebung auch größter Beliebtheit.

Der kommerzielle Niedergang

Dann allerdings wagten die Macher zuviel. Man geriet in den Sog der Featuritis, orientierte sich zu sehr am allzu großen Vorbild Microsoft und ihrer Net-Umgebung und so ist bis heute die Version 7, inzwischen bald 10 Jahre alt, immer noch die letzte, auf welche die einstigen Fans schwören. Alles was danach kam, war größer, schwerfälliger, microsoftiger und leider kaum zu gebrauchen.

Nun ist ja Microsoft nicht unbedingt schlecht und auch die Dot.Net-Platform hat ihre Vorzüge und Fähigkeiten. Warum aber sollte ein vernünftiger Programmierer dann zu einer Drittherstellerlösung greifen, die sich nach Kräften bemüht, Microsoft zu emulieren, ihre Entwicklungsumgebung MS Visual Studio zu kopieren und das mit allerhand Bugs und immer ein Jahr in der Entwicklung hinterher? Warum sollte man sich ein mehrere Gigabyte großes, träges Paket installieren, welches diverse Microsoft-Runtimes zu installieren vorverlangt? Warum sollte man einen Tausender hinblättern für ein scheinbar nicht formvollendetes Produkt, wenn es das Ganze bei Microsoft genauso groß, breit, schwer, allerdings mit deutlich weniger Fehlern und dazu noch völlig umsonst gibt? Nein, weil auch Programmierer zumindest teilweise zu den vernünftigen Menschen zählen, gibt es eigentlich, außer Traditionsbewusstsein und schönen Erinnerungen, wirklich keinen besonderen Grund – und daher ging es auch drastisch bergab mit der Programmiersprache Pascal in der kommerziellen Welt.

In der nicht-kommerziellen Welt machten sich frustrierte Pascal-Fans daran, ihre eigenen Compiler zu bauen und schufen mit VirtualPascal und FreePascal zwei würdige Erben für das legendäre Turbo Pascal.

Delphi 2010

Viele Äonen später, gemessen nach Computerzeit, hat sich Embarcadero, welche die „Ruinen von Delphi“ vor einiger Zeit erwarben, nun endlich wieder auf alte Stärken besonnen, zumindest teilweise. Darauf nämlich, dass eingefleischte Pascal-Fans nicht bloß .Net mit einem Visual-Studio-Klon programmieren wollen (das kann man nämlich mit C# viel besser), sondern mit ihrem vertrauten Delphi in ObjectPascal – und so wurde der eigentliche Windows-Compiler wieder aufgewertet und das alte Layout hat wieder Einzug gehalten, zumindest als zusätzliche Option, die aber als großes Feature beworben wird. Aktiviert man es, siehe da, der Bildschirm wirkt gleich viel größer und aufgeräumter, wie in den guten, alten Zeiten…

Ein Niarts-Progrämmli in Codegear Delphi 2009 - die IDE füllt immer den ganzen Bildschirm.
Ein Niarts-Progrämmli in Codegear Delphi 2009 - die IDE füllt immer den ganzen Bildschirm aus, was nicht freundlich gegenüber anderen Programmen ist.
In Embarcadero Delphi 2010 gibt es die Option, wieder zur alten, platzsparenden IDE mit der Komponentenleiste oben zurückzukehren, was wesentlich praxistauglicher ist für die meisten Hobbyprogrammierer.
In Embarcadero Delphi 2010 gibt es die Option, wieder zur alten, platzsparenden IDE mit der Komponentenleiste oben zurückzukehren, was wesentlich praxistauglicher ist für die meisten Hobbyprogrammierer.

Auch sonst wurde in der neuen Version einiges überarbeitet. Nicht nur dass man die Compilerversion 13 übersprungen hat (der Compiler meldet sich stattdessen mit Version 14 – da war wohl jemand abergläubisch), nein, auch Multitouch- und Gestenfähigkeit haben nun nativ in die Visual-Component-Library Einzug gehalten, ebenso die obligatorischen Windows7-Erweiterungen sowie einige interessante Erweiterungen, u. A. auch endlich eine zeitgemäße, objektorientierte I/O-Bibliothek. Die IDE ist trotz zusätzlicher Funktionen nicht spürbar träger geworden, doch hat sich der Platzbedarf leider nochmal kräftig erweitert: 3 GB verlangt Delphi 2010 nun für die Installation. Auch ein inhaltsleeres Grundprogramm mit VCL legt nun satte 900 KB auf die Festplatte. Das sind mehr als die 700 KB von Delphi 2009 und deutlich mehr als die 200 KB von Delphi 7. Selbst der Exe-Kompressor UPX holt da nicht mehr viel raus – es bleibt groß und breit.

Aber neue Funktionen fordern wohl ihren Tribut. Immerhin, auch die freie Alternative FreePascal glänzt nicht gerade durch schlanke Endprodukte und das sagenhafte VirtualPascal gibt es ja leider nicht mehr. Im Gegensatz zu FreePascal versteht sich der Delphi-Compiler allerdings noch nicht auf 64-Bit oder gar alternative Plattformen (Linux, MacOS), sieht man einmal davon ab, dass es mit Delphi Prism ein zusätzlich zu erwerbendes Pascal-Derivat auf .Net-Basis gibt, welches sich auch auf die freie .Net-Version Mono versteht.

Lazarus für FreePascal macht seinem Namen alle Ehre: Äußerlich betrachtet scheint hier das gute alte Delphi gänzlich auferstanden, dank FreePascal auch mit einem fähigen Compiler unter der Haube. Lazarus-Produkte sind allerdings kaum als "schlank" zu bezeichnen - gut 10 MB (!) legt eine leere Anwendung auf die Festplatte. Da ist noch viel Raum für Optimierungen.
Lazarus für FreePascal macht seinem Namen alle Ehre: Äußerlich betrachtet scheint hier das gute alte Delphi 1-7 gänzlich auferstanden, dank FreePascal auch mit einem fähigen Compiler unter der Haube. Lazarus-Programme sind allerdings kaum als "schlank" zu bezeichnen - gut 10 MB (!) legt eine leere Anwendung auf die Festplatte. Da ist noch viel Raum für Optimierungen.

Fazit

Sei’s drum. Immerhin kann man sagen, dass Embarcadero Delphi 2010 einen deutlich ausgereifteren Eindruck macht als manch katastrophale Vorversion und auch als die freie RAD-Konkurrenz (sieht man mal von der Beschränkung auf 32-Bit Windows ab). Vielleicht sollte man herstellerseitig das restriktive Lizenzmanagement aber noch etwas lockern. Denn neue Kunden gewinnt man sich nicht damit, wenn ein Produkt im günstigsten Fall 400 EUR kostet und dann immer noch mit allerlei Fußangeln versehen ist, die eine Virtualisierung (die heute eigentlich zum Standard gehört) unnötig erschweren. Zumal es die Konkurrenzprodukte bei Microsoft immer noch wesentlich einfacher und günstiger zu erwerben gibt, nebst aktueller Einführungs- und Vertiefungsliteratur im Buchhandel, die für Delphi mangels Publikum inzwischen leider fast ausgestorben ist.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.