Anderland – eine einsame Landschaft. Der Herbst hat wieder Einzug gehalten, das Licht wird weniger draußen und die geneigten Sonnenstrahlen entflammen zusammen mit den Nachtfrösten die Blätter der Bäume. Geld, rot und orange leuchten sie wieder auf und fallen hernieder. Ein kunterbunter Tod und Zerfall, der Freude macht, aber auch nachdenklich.
Ist es so nicht auch mit der eigenen Zeit, welche ebenso abblättert mit den Jahren? Und doch gibt es auch Beständiges oder anders betrachtet: Deja Vus, Wiederholungen, Reminiszenzen. Es mag eine Frage des Alters sein, in letzter Zeit fällt mir aber einiges aus meiner Kindheit wieder ein, Fernsehserien bleistiftsweise. Es scheint nicht mir allein so zu gehen, eine wahre Flut von klassischen Remakes bricht über uns herein und spätestens seit der neuesten „Wickie“-Verfilmung wird klar, dass auch Prominente von diesem Phänomen nicht verschon bleiben. Während einiges, teils mit deutlicher Verspätung, den Rumpelkammern entrissen wird, bleibt anderes verschwunden. Das Geheimnis des Siebten Weges wurde zwischenzeitlich restauriert. Im Booklet liest man, dass das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen seine originalen, qualitativen Tonbänder zwischenzeitlich vernichten ließ und ist mal wieder entsetzt über die mangelnde Archivkultur in Deutschland. Anderes aber bleibt ganz verschollen.
So gab es beispielsweise eine Serie namens „Anderland“. Es handelte sich dabei jeweils um in sich abgeschlossene Episoden, die allerdings durch die Figur eines Liliputaners miteinander verknüpft wurden: Ein kleiner Mann, nicht größer als die Kinder, welche jeweils die Hauptrolle spielten, kam in jeder einzelnen Folge vor. In Antiquariaten kursieren auch noch einzelne Bücher zur Serie, in welchen die einzelnen Folgen kindgerecht nacherzählt sind. Der kleine Mann fehlt aber dort. Was in den Büchern augenscheinlicher wird, sind die biblischen Bezüge.
Da ich so durch den herbstlich-sonnigen Klettgau wanderte, fühlte ich mich an eine Folge erinnert, in welcher ein kleiner Junge mit einem Seifenkistenauto auf große Fahrt geht. Leider ist sie in dem Kinderbuch zu Anderland, das ich noch ergattern konnte, nicht aufgeführt. Thematisiert wird dort eine große, abenteuerliche Reise in einem kleinen Automobil, nebenbei auch Familienprobleme. Die Folgen hatten es in sich, waren teils so begeisternd, dass mein Vater uns sogar ein solches Seifenkistenauto gebaut hat. Über die Wege des Klettgaus bin ich damit nie gefahren, aber die Geschichte prägte sich doch ein. Medien können sehr prägend sein.
Als mir das wieder einfiel, überlegte ich mir, ob das heute wohl immer noch so ist. Wenn es so wäre, würden die Kinder wohl anders geprägt. Serien wie Anderland oder die Bettkantengeschichten scheinen wohl ausgestorben. Aus meinen medientheoretischen Seminaren an der UNI Freiburg weiß ich, dass jede Folge sehr tiefsinnig durchdacht wurde. Das Kinderfernsehen hatte damals einen tiefen, erzieherischen Anspruch. Aus meiner UNI-Zeit besitze ich sogar noch ein Original-Drehbuch, welches mir mein damaliger Dozent, Michael Albus, geschenkt hatte. Das war schon beeindruckend. Inzwischen hat sich die Medienbranche gewandelt und andere Generationen wachsen heran. Mit tiefsinnig-metaphorischen Erzählungen wachsen die Kinder nicht mehr auf. Eher mit Zeichentrick wie den Simpsons oder mit gelben Meerschwämmen. Immerhin vermittelt man ihnen damit Ironie, wenn auch gemischt mit Sarkasmus. Ob das so prägend ist wie das Fernsehen damals? Wie mag sie das beeinflussen?
Jedenfalls, denke ich, werden sie bei Herbstspaziergängen nicht an laufende Seifenkistenautos oder geheimnisvolle kleine Männer denken. Vielleicht gehen sie als Erwachsene auch gar nicht mehr spazieren und gruscheln stattdessen nur vor dem Computer oder schlafen vor dem Fernseher. Andere Zeiten waren das damals noch. Anderland…