Frei nach dem Elias-Libretto: Die Ernte ist vergangen, der Sommer ist dahin, aber Hilfe ist gekommen immerhin, wie eine Sturmflut sogar herangerückt in Form eines musikalischen Großaufgebotes und einer Inszenierung, die sich selbst mit Großprojekten vergangener Jahre an gleich zwei Schulen messen kann und trotzdem ihresgleichen sucht.
Dass da etwas Größeres anlanden würde im sonst doch eher beschaulichen Remetschwiel hatte sich spätestens am Samstag und am Sonntag wohl herumgesprochen und so strömte am 14. und 15.11.2009 abends das Publikum in die Lignotrendhalle in Bannholz, setzte sich in freudiger Erwartung in den vollends aufgestuhlten Großraum, welcher zum Zweck der Aufführung eigens umgebaut worden war. Glücklich, wer noch einen Sitzplatz ergattern konnte – denn wie bei Events dieser Größe üblich, entschied eher das zeitige Kommen über einen Sitz als eine Platzreservierung. Ärgerlich für die, welche später kamen, aber doch eigentlich ein sehr gutes Zeichen. Es war brandend voll.
Ansonsten weitgehend unbeeindruckt von den anderorts derzeit schwemmenden Grippewellen traten dann zunächst das Symphonieorchester und ein weitgehend vollständiger Chor an und ernteten einen ersten Applaus. Geladene Gesangsstars des Abends waren unter anderem Sarah Wegener, Ann-Katrin Naidu, James Eliot und Gerhard Nennemann. Auch regionale Solisten wie z. B. Irene Frey, Ulrike Ruppaner oder die beiden Musiklehrer Klaus Bürger und Martin Umrath begleiteten in Nebenrollen. Flankiert wurden die Solisten von einem vereinigten Chor bestehend aus den Schulchören von Hochrhein- und Klettgau-Gymnasium sowie zwei zusätzlichen Projektchören aus beiden Schulen, in denen neben Schülern jeweils auch Eltern, Lehrer und Ehemalige vertreten waren. Insgesamt kam man auf über 150 Stimmen im Alter von 10 bis 70 Jahren.
Auch das Orchester setzte sich aus aktuellen und ehemaligen Schülern und Lehrern der beiden Gymnasien zusammen, wo es nötig war, ergänzt durch weitere Könner aus der Region, insgesamt etwa um die 50 Instrumente. Obwohl Chöre und Orchester zusammen mit den Bühnenaufbauten sicher schon einen guten Teil der Halle in Beschlag nahmen, überstieg die Zuschauerzahl die Zahl der Akteure sicherlich nochmals beträchtlich – und zwar an beiden Abenden.
Mit dicht gefüllter Halle und so großem Aufgebot war die Stimmung dicht. Beeindruckend, wenn Chor und Orchester wogten – gerade auch bei einem Text, der es für heutige Ohren an einigen Stellen doch in sich hat. “Töte ihn” – gleich gegen Anfang in einem Chor von 150 Stimmen zu hören, das kann eindrücklich, ja auch bedrückend sein! – selbst dann, wenn Mendelsohns Musik teils auch entschärft.
Dass das zugrunde liegende Libretto gerade heute und in Deutschland polarisieren muss, war auch den Veranstaltern klar, weshalb an einigen Stellen umgestellt oder gestrichen, teils aber auch bewusst provozierend aktualisiert wurde. Jedem möglichen fundamentalistischen Fehlverständnis sollte damit vorgebeugt werden, die Mehrdimensionalität von Gewaltkonflikten thematisiert, gerade auch bei solchen, die religiös aufgeladen sind. Um die Naivitäten des Oratoriumtextes mit der heutigen Situation zu konfrontieren, bediente man sich dramaturgischer Elemente, welche die Theater-AG des Klettgau-Gymnasiums beisteuerte in Form zweier Schattenwände, welche das Elias-Werk jeweils durch die aktuelle Situation in Nahost ergänzten – teils als symbolisches Schattenspiel, teils mit Projektionen. Kritische Reflexion war nicht nur erwünscht, sondern mithin Ziel. “Unser Elias spielt im Heute, im Jetzt, in Palästina, in Süddeutschland, überall” – hatten sich die Veranstalter schon vorab auf die Fahnen geschrieben.
Ob ein derart hohes Ziel einer so übergreifenden und universellen Inszenierung überhaupt je erreichbar ist, sei dahin gestellt. Sicher ist aber, dass sich die Mühe des Schaffens für alle Teilnehmer ebenso gelohnt hat wie für die vielen Zuschauer. Denn, was geboten wurde, hatte musikalisch nicht nur überregionales Niveau, sondern war sicherlich auch mehr als der xte Abklatsch des Oratoriums zum Mendelssohn-Jahr und wird am Hochrhein wohl auch noch eine ganze Weile lang seinesgleichen suchen. Ja, es war schon etwas Besonderes.
Text: Martin Dühning / Fotos: Victor Venz