Der lila Sommeralptraum

Sollen wir das (er)tragen oder wollen wir uns nicht lieber gleich übergeben?

Man hätte ja denken können, dass nach dem Müllabfuhr-Orange von 2008 und dem ekelerregenden Cyan-Türkis von 2009, mit dessen quälend künstlicher Intonation immer mehr Schüler meine Augen quälen, es nur noch besser hätte kommen können. Doch weit gefehlt! Der Blick in die tournusgemäß eintrudelnden Frühling-Sommer-Versandhauskataloge lässt da überhaupt nichts Gutes ahnen. Ja, man bereut es schnell, dass es selbige Versandhäuser teils immer noch gibt, betrachtet man die inwendig normierte Männermode. Denn die Modefarbe für Männer 2010 soll wohl heuer Lila sein.

Lila? Ja sind Männer denn Schokomilchkühe?!

Es gibt wohl wieder genug Bullen, die selbiges Zeugs wohl in ihr Hirn gekleistert haben und diese Klamotten auch kaufen oder sogar tragen werden. Es ist doch ein Graus, dass die Männer dieser Welt so farbenblind sind und für Ästhetik meist doch so gar keinen Blick haben, geschweige denn Mitgefühl für farbempfindsame Zeitgenossen. Lila, diese Farbe, die in der Natur doch eigentlich nur verwesendem Herbstlaub, dahin gefrosteten Friedhofskränzen, blaugeschlägerten Augen, fauligem Fleisch oder Erbrochenem zugedacht ist. Und selbst solch ein natürlicher Ton ist es nicht. Stattdessen: reine Synthetik, Künstlichkeit per se, ganz bewusst antiseptisch und leblos anti-biotisch wie schon in den beiden Jahren zuvor, komplimentär zu allem, was natürlich oder gar harmonisch wäre.

Was kommt als nächstes? Margenta oder Pink? Da hilft wohl nur, sich eine grüngetönte Sonnenbrille zu kaufen, dann wird alles bestimmt wieder mausgrau-gut. Ansonsten schwindet doch langsam die Hoffnung hin, dass es jemals besser wird, zumal das scheußliche Kunsttürkis auch weiterhin im Sortiment bleibt.

Es hilft wohl auf Dauer nur, sich seine Kleidung selbst zu nähen. Stoff in gescheiten Farben ist immerhin noch erhältlich, wenn man auch nicht weiß, wie lange noch…

Über Martin Dühning 1523 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.

4 Kommentare

  1. Die Modewelt würde ich mir auch gerne so machen, wie sie mir gefällt, nur ist die Auswahl in der Provinz nicht ganz so groß, wenn die Versandhäuser nicht mitspielen. Second-Hand-Läden sind nicht so mein Ding.
    Aber vielleicht sollte ich mal wieder zur Stricknadel greifen. Zumindest im Winter kann man sich manches selbst basteln, und Wollläden gibt es in Waldshut-Tiengen genug. Ich weiß nur nicht, wie meine Kollegen und Schüler auf einen strickenden Lehrer reagieren, in Zeiten der Ganztagesschule müsste ich dann schon innerhalb des Schulgemäuers tätig werden. 😉

  2. Ich habe mich letztes Jahr in eher neutral-freundlichen Tönen des Himmels und der Erde eingedeckt — wolkenweiß, erdiges grau, braun und schwarz und himmlisches Blau. Aber auch fröhlich-sonniges Gelb und feuriges Rot sind unter meinen Farben: Ich mach mir die (Mode-)Welt, wie sie mir gefällt 🙂

  3. Außerdem:
    Wozu gibts Second-Hand-Läden? Dort kann man manchmal richtige Schmuckstücke entdecken! Zumindest damals während meiner Schulzeit gabs auch mal einen in Tiengen – sonst einfach mal in Schaffhausen, Singen, Waldshut, Bad Säckingen, Aarau oder Basel gucken gehn… (Da kommt man ja von dir aus per Zug überall ganz gut hin…)

  4. Zum Glück zwingt einen niemand, dieses grauslige Zeuch zu kaufen geschweige denn selbst anzuziehen!

    Besteht der Inhalt des eigenen Kleiderschranks nicht nur aus H&M-Ware, sondern aus längerfristig halt- und tragbarem Inventar, so lassen sich damit solche Phasen doch ganz entspannt zurückgelehnt überbrücken…

    Nieder mit dem Mode-Diktat!!!

    Und was die anderen so anziehen, ist deren Bier. Nur sie, nicht man selbst, müssen für die Konsequenzen ihrer Klamottenkauf- (und auch allen anderen) Entscheidungen gerade stehn.

    Sich von diesem oberflächlichen Modediktat-Gruppenzwang innerlich unabhängig zu machen, lässt sich jeglichen darauf basierenden Frust in Luft auflösen und schenkt einem obendrein unbeschreiblich viel Freiheit, Selbstsicherheit und Lebensfreude 🙂

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