LibreOffice 3.4 – Ziemlich enttäuschend…

Seit nunmehr 16 Jahren setze ich hauptsächlich StarOffice/OpenOffice als Büroprogramm meiner Wahl ein. Die aktuelle Entwicklungen sind jedoch sehr ernüchternd. War es damals ein Fehler, auf dieses Programm umzusteigen?

Dieser Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man die aktuellen Entwicklungen so ansieht. Prinzipiell ist ein Fork, also eine Abspaltung von einem OpenSource-Projekt ja durchaus nicht negativ. Auch die Liste der Mitwirkenden las sich ja ganz gut – wenn auch manche Mitglieder, wie Novell, angezählt waren. LibreOffice hätte insofern zu einem Befreiungsschlag werden können, nachdem zunächst unter Sun, später unter Oracle die Weiterentwicklung – vom Produktivnutzen eines normalen Anwenders her gesehen – eher stagnierte.

Damit meine ich nicht einmal die von mir eigentlich sehr gut geheißene Entscheidung, auf „Ribbons“ und andere neuere Benutzerbevormundungen zu verzichten, die in Sachen individueller Konfigurationsmöglichkeiten einen drastischen Rückschritt bedeuten. Das klassische Menü und die konfigurierbaren Symbolleisten sind mir viel sympathischer. Und das neuerlich aufgekommene Argument, Ribbons seien auf modernen Touchscreens besser zu bedienen, scheint mir mehr als zweifelhaft. Nachdem ich es selbst ausprobierte, kann ich doch sagen, dass weder Menüs mit Symbolleisten, noch Ribbons genug Fläche bieten für eine Fingerbedienung – und ohne brauchbare Tastatur ist eine Office-Suite ohnehin nicht wirklich nutzbar.

Bedrückender fällt die Stagnation eher in Sachen moderner Bedienfunktionen unter der Haube aus. Noch immer lassen sich Rahmen und Grafiken im Writer nicht frei drehen. Die restlichen Grafikfunktionen haben sich in den letzten Jahren kaum merklich geändert. Allein der Umstand, dass es noch immer nicht möglich ist, benutzerdefinierte Farben über eine Dropbox frei zu wählen ohne den umständlichen Umweg über Globalpaletten spricht Bände. Um Bilder drehbar zu gestalten, muss man entweder zu Skripts (wie von der Zeitschrift c’t) greifen, oder einige umständliche Umkopieraktionen in Kauf nehmen. Die Autoformen wirken im Vergleich zu Office 2003 oder gar Office 2007 geradezu vorsintflutlich, ebenso die restlichen Grafikfähigkeiten. Die Web-Funktionen sind völlig veraltet, die Filter für Mobilgeräte obsolet und Austauschmöglichkeiten mit der schönen neuen Welt der Smartphones trotz offenem ODT-Format minimal. Zudem schwinden in jeder neuen Version die Austauschfilter dahin.

Nun hegte ich bislang ja doch Hoffnung, dass durch Libreoffice einiges besser würde. Doch was muss man in den Beta-Versionen von 3.4 sehen? Anders als angekündigt hat man auf die alten StarOffice-Formate (*.sdw & Co) nicht bloß lediglich Nur-Lese-Zugriff, sie können GAR NICHT MEHR eingelesen werden! Hallo?! Als jahrzehntlanger treuer Stammnutzer habe ich hunderte (!) alter, teils wichtiger Dokumente in diesem Format verfasst. Eine Möglichkeit wenigstens zur Migration, ähnlich wie beim MS-Office-Assistenten, scheint nicht vorgesehen zu sein. Andererseits rühmt man sich mit MS-Office-Kompatibilität – bis zurück zu den Formaten der 90er. Eigene Stammkunden und Archivsicherheit scheinen den LibreOffice-Machern nicht am Herzen zu liegen. Warum sonst entfernt man vorhandene und äußerst praktische Funktionen? Irgendwas läuft hier doch falsch…

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.