Prestige, Niederlagen, Ameisenaufstand und Krönung

Viel tut sich am Klettgau-Gymnasium und – wie es längst zu erwarten war – es formiert sich Widerstand gegen all die gutgemeinten Aktionen, die liebe Lehrkräfte sich so vorgenommen hatten. Doch spüren den Widerstand nicht immer jene, welche ihn verursacht haben. Meistens trifft es andere…

PRESTIGE galt viel – viel zuviel aus meiner persönlichen Sicht und trotz spendabler Trophäen sind die nun allesamt gefährdet und nur mit missmutigem Geschiebe zu halten. Auch das war vorhersehbar. Doch scheitern die Prestigeobjekte oft nicht nur an der fantasielosen Überlebenspragmatik manchen G8ers. Neben einigen aus meiner Sicht ungünstig terminierten Zusatzveranstaltungen geraten manch andere unverdient in Misskredit, weil es einige Lehrkräfte allzu sehr für nötig erachten, Kunst mit Gewalt und notfalls gegen jeden Widerstand durchzusetzen. Die freien Künste, besonders solche aber, die Gefühl erfordern, Lyrik zum Beispiel, vertragen das nicht und die gute Idee droht so – zum Schaden aller, die begabt und bereit wären – zur Pflichtveranstaltung zu verkommen, reinem Prestigeaktionismus (die Sache mit dem goldenen Kalb und so).

Ebenso schade, weil eigentlich mehr als unzeitgemäß ist der passive Widerstand gegen fairen Handel und Nachhaltigkeit am KGT bzw. die auffällig ausbleibende Unterstützung dafür. Man gewinnt den Eindruck, dass manchem Schüler und auch vielen Lehrern dreckige Energieformen und ungerecht erwirtschafteter Konsum genau heute wichtiger sind als die Sorge um die Umwelt und soziale Gerechtigkeit in der gemeinsamen Zukunft. Ins Zeug legen sich jedenfalls viel zu wenige und die wenigen Schüler werden dafür noch nicht einmal belohnt. Überhaupt tun manche Lehrer und nicht wenige Schüler alles, um sich gegenseitig in modische und allzu hinfällige 08/15-Schemen zu pressen. Nicht nur bei den Schülern, sondern auch bei den Lehrkräften ist das Niveau mancher Konversation inzwischen auf Barbie-und-Ken-Geplabber niedergegangen („Ey, wo gehst du morgen shoppen, Darling?“). Schön, modisch, blöd und sonst lieber Klappe halten.

Nun gut, Leute, die aus Prinzip kritisch nachhaken müssen, z. B. alle, die im Entferntesten irgendetwas mit Moral am Hut haben, die hatten es immer schwer. Aber gerade heute müssten sie sich auch am KGT viel mehr aufrichtig empören. Erstens geht für grundlegendste Dinge das Geld aus, zweitens schwindet die Duldung von kritischen Anfragen in einem hübschen Kartenhaus, das derzeit unter allerlei Belastungen ächzt und krächzt und drittens scheinen keinerlei Kraft- und Zeit-Ressourcen für Experimente da zu sein, die mal wirklich ergebnisoffen und pädagogisch wären und nicht nur verkappt ein persönliches Steckenpferd von irgendjemand. Ohne solche aber kann auch der Fantasievollste nichts Neues schaffen. Denn nur Umwege erweitern die Ortskenntnis. Die noch gesunden Realisten dagegen lassen sich nicht als Lastgäule vor fremder Leute ratlose Traumkutschen spannen. Das Ergebnis ist in jedem Falle Stagnation. Allenfalls manövriert man sich so ins Abseits und für die gesamte Schulgemeinschaft ergibt das letztlich eine herbe NIEDERLAGE. Schule als lästiges Stress- und Schwundsystem mit entsprechenden Dissonanzen, die dann an anderer Stelle scheinbar plötzlich und unverhofft und aus heiterem Himmel hereinschneien (z. B. in Form über Lehrer erboster Eltern). Der indirekte Zusammenhang zwischen Aktionismus und stressbedingten Konflikten ist noch nicht jedem aufgegangen.

Manchem aber schon. Und nicht jeder lässt das mit sich machen. AMEISENAUFSTÄNDE in Form von Gemurre, Forengeläster gibt es immerhin und ansatzweise sogar basisdemokratische Unterschriftenaktionen, die aber, wie allerorten, nicht ursächlich, sondern anlässlich vorgehen, bloß einmal mehr KONTRA sind und letztlich nicht mehr als kollektiver Egoismus, der keine konstruktiven Vorschläge beinhaltet und somit nur niederreißt, statt Neues, Besseres aufbauen. Allerdings sehe ich auch auf Lehrerseite nicht sonderlich viel Bereitschaft zum Schließen vernünftiger Kompromisse. Schon werden Feindbilder geschmiedet und Allianzen, aber das ursprünglich Gute in manch einstmals guter Idee geht so verloren. Stattdessen bemüht man dann neuerdings die Produktivitätsfrage: „Was bringt das?“ auf der einen oder „Was tust Du für das KGT?“ auf der anderen Seite – und wer nicht jeweils für uns ist, der muss wohl des Teufels sein…

In so verteufelt zweckgebundenen Zeiten wundert es dann auch nicht, dass die komplette Stufe 10 KEINEN einzigen Kandidaten für einen Neigungskurs Religion aufbot (historischer Tiefststand, der wohl nicht mehr unterboten werden kann), nur einen einzigen für das Fach Ethik und – welch wahrhaft historische Niederlage – nur mehr sechs und damit zu wenig für den traditionellen Neigungskurs Geschichte am Klettgau-Gymnasium. Eigentlich, nachdem schon zuvor drei Großprojekte in Sachen Ethik/Religion in dieser Kursstufe gescheitert waren, wäre dies nun die richtige Zeit, das Weite zu suchen und groß ist auch meine persönliche Enttäuschung, da dies ja meine letzte Chance auf einen NK Reli war (und ich habe auch sonst nicht viel zu Lachen in meinem Leben im Moment).

Ironischerweise gewinnt man oft aber gerade durch Niederlagen – sodass wenig überraschend gerade in dieser Situation eine KRÖNUNG, oder vielleicht passender ausgedrückt, Salbung erfolgte meiner Wenigkeit zum Fachschaftsoberhaupt der ökumenischen Fachschaft Religion im Schuljahr 2011/2012. Zu gewinnen gibt es damit ja nichts, aber immerhin kann ich somit wenigstens besser verhindern, dass die Dinge, die mir wichtig erscheinen, ganz verloren gehen, bevor meine Zeit am KGT aus ist. So sieht dann auch das Regierungsprogramm meines einjährigen Mini-Pontifikates aus:

  • Fasten-Zeit: Weniger Aktionen sind oft mehr an Qualität (und übrigens auch mehr Zeit für Gott).
  • Spiritualität im Kleinen: Kleine Bibelkreise, Meditationen und Gottesdienste helfen mehr als großes Tara mit viel Geschiebe.
  • Alles Gute im Leben ist freiwillig: Man kann niemand zum Guten zwingen, aber es gibt immer einige Freiwillige. Und freiwillig Gutes wird umso besser!

Gerade trotz der Niederlagen werde ich zum kommenden Schuljahr in einer ansonsten ethisch wohl eher desinteressierten Klassenstufe wieder meinen Seminarkurs Medienethik anbieten (Plan B). Denn wer keine gesellschaftswissenschaftlichen Neigungsfächer wählt, der braucht entsprechende Zusatzkurse umso nötiger. Vermutlich dürfte dieser daher auch zustande kommen.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.