Von der Schwierigkeit, Pfingsten zu leben

Samstagabend – der Vorabend zu Pfingsten, diesem schönen großen Fest. Nun wäre es eigentlich an der Zeit, eine kleine festliche „Pfingstpredigt“ zu schreiben für Anastratin.de und seine Rubrik „Sonn- und Feiertage“. Doch es funkt nicht, der Geist lässt sich nicht herbefehlen. Es scheint so furchtbar schwer, Pfingsten zu leben im 21. Jahrhundert.

Früher allerdings war es auch nicht leichter, wie die Bibel lehrt. Man kann um den richtigen Geist beten, vorzugsweise in einer Gemeinschaft, herbefehlen lässt sich Begeisterung aber nicht. Man wird auch nicht dämonisch davon befallen, wenngleich die Wirkung offenbar manchmal extatisch verzückend ausfällt.

Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf - herbefehlen lässt sich der Heilige Geist jedenfalls nicht.
Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf – herbefehlen lässt sich der Heilige Geist jedenfalls nicht. Manchmal kommt er wie ein stilles Säuseln und ein leichter, belebender Hauch.

Als Jugendlicher bei meiner Firmung hatte ich Angst vor diesem fremden Etwas, dass man uns von der Kanzel predigte und das bei der Firmung von Oben herab in unsere Köpfe einfallen sollte – und so bat ich meinen Freund Gott bei meiner Firmung inständig darum, dass er mich vor solcher Besessenheit bewahre. Als ich dann später selbst Firmvorbereitungen hielt, versuchte ich solcherlei Missverständnisse zu vermeiden und meine eigenen Firmlinge dann weniger zu verängstigen. Denn die „Rhuach JHWE“, der Atem Gottes, ist kein Fremdkörper sondern wohl doch gerade das, was uns Menschen von jeher und immer wieder neu lebendig macht.

Im deutschen Wort „Geist“ und älteren Katechesen ist das verloren gegangen, was im Englischen wie im Lateinischen noch als „Spirit(us)“ genannt wird und als lebendiger Anhauch spürbar wird – nicht erst im Neuen Testament, sondern schon in den Schöpfungsgeschichten und bei den Propheten des Alten Testaments. Ein seelenfressender, unheimlicher „Ghost“ ist der Heilige Geist jedenfalls gerade nicht – und heute habe ich mir mehr persönliche Spiritualität schon so manches Mal genau so innig herbeigewünscht wie Gottes Kraft gegen allerlei Unrecht und Fahrlässigkeiten, die mir im Alltag begegnen und denen ich so auf mich allein gestellt nur müde und resigniert begegnen kann. Umgekehrt fällt mir vor lauter Wohltätigkeit manchmal selbst das „Chillen“ in der Praxis sehr schwer, denn das Leben erscheint ja so jämmerlich kurz und es gäbe noch so viel Gutes zu erledigen. Doch der Leib ist schwach und der Heilige Geist nicht willfährig für irgendwelche persönlichen Ziele zu missbrauchen, seien sie auch christlich und mit gutem Gewissen intendiert.

So bin ich, wie viele andere Menschen des 21. Jahrhunderts, in der Praxis eben oft kein gelassener Mystiker, oft eher trockener Religionswissenschaftler oder spröder bis sarkastisch-entnervter Moraltheologe und meine wortbröseligen „Predigten“ schläfern doch eher ein, als evangelikal zu begeistern oder prophetisch wachzurütteln. Andererseits ist die rechte Zeit etwas, der Kairos, der Augenblick wenn Heiliges in den Alltag einbricht, etwas, dass uns Menschen eher unbekannt und verschlossen ist. Der Mensch der Moderne scheitert an seinen vielfachen Türhütern und wird nicht weiter vorgelassen.

Vielleicht wird es aber doch noch etwas mit dem Geist, denn er weht ja wo er will, aber oft auch mit unbemerktem Sinn, der sich erst viel später erschließt. Verschlossene Türen und Fenster kümmern ihn im Zweifelsfall auch nicht und selbst Resignation und Glaubensabfall scheinen ihm nicht wirklich hinderlich zu sein. Dann geht es einem wie den Emmausjüngern, und man fragt sich, warum man ihn eigentlich nicht gleich erkannt hat, als er da war, was meistens aber in Augenblicken geschieht, wenn es wirklich hilfreich ist und nicht einfach so als aktionistisches „Spiritualitäts-Event“.

Ihn zu suchen, kann dennoch nicht schaden. Das erleichtert das Finden. Womit ich meine kurz Rede bzw. diesen Artikel schließe, allen Lesern gesegnete und erholsame Pfingsten wünsche und den Heiligen Geist als Beistand dann, wenn sie ihn brauchen.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.