Das Tal der gescheiterten Hoffnungen – neu vertont

Das Tal der gescheiterten Hoffnungen wird durchströmt vom Fluss der ungenutzten Möglichkeiten. Trauerweiden winden sich an seinen Ufern und ein melancholischer Wind säuselt dann und wann. Doch meist weht kein Lüftchen, darf es nicht. Selten nur surren Libellen vorbei. Müde, tragisch.
Es ist untrügliche Wahrheit des Lebens, des Vergangenen, dass viele gute Gelegenheiten ungenutzt vorüber gehen. Die Stunden, die man nicht mit Freunden verbracht hat. Die Arbeit, nicht rechzeitig vollendet oder gescheitert. Worte, die ungesagt verstummten, oft gerade auch dann, wenn sie nötig gewesen wären.

Und das Wissen darum verbindet sich mit dem Zweifel an sich selbst: Hätte man es nicht besser machen können? Musste es so kommen? Oft hätte ja nur wenig gefehlt.

Fehler sind häufig und jede Handlung schafft neue. Der handelnde Mensch begeht Fehler. Auch nichts zu tun würde nicht helfen, denn die Unterlassungssünden erweisen sich im Nachhinein oft als die schlimmsten Unzulänglichkeiten. Sich auf die Gesinnung als schützende Trutzburg zurückzuretten – wie feige! Was sind denn schon Gedanken und Gefühle, die zu schwach dazu waren, wirklich zu leben. Das Gute, das nur gemeint war ist auch das Gute, das nicht getan wurde.

Zweifellos heimtückisch ist der Verweis auf das Böse, das noch hätte geschehen können. Es ähnelt dem Monster unter der Bettkante, das die kleinen Kinder erschrecken soll. Jeder Erwachsene weiß, dass solche Schattenbilder weder wirklich schrecken können noch gar besänftigen. Und so bleibt als letzter Ausweg nur die Blindheit des Vergessens, mit dem die meisten den Ausblick ins Tal der gescheiterten Hoffnungen zu meiden suchen: Sie blenden sich wie Ödipus, selbst voller Scham über die eigene Schändlichkeit.

Die Vergangenheit aber bleibt, wie sie war, auch wenn sie totgeschwiegen wird. Und in dunklen Nächten vernehmen wir innerlich ein merkliches Surren, von den Ufern, von dort, wo kein Lüftchen her weht, es nicht darf. Und Trauerweiden winden sich tragisch und müde.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.