Während ich – wegen Umbauarbeiten mein Bett missend – über meinem Emailprogramm meditierte, fiel mir mit großem Entsetzen auf, dass ich einige Brieffreunde, ja sogar Freundinnen hatte, die ich längst völlig vergessen hatte. Teils war es vielleicht die Schmach gescheiterter Beziehungen, die mein Unbewusstes dazu anregte, gewisse Dinge einfach zu verdrängen, teils habe ich es aber auch wohl wirklich nicht mehr im Kopf gehabt, bis die passenden Stichworte fielen.
Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass meine Studienzeiten und damit meine Jugend inzwischen schon zehn Jahre zurückliegen, und ich damals noch etwas schreibfreudiger war als heute. In jenen glücklichen Zeiten, bevor „Social Networks“ und allerlei andere EDV einem die Zeit für tiefsinnigere Schriften verleideten, kam mir doch noch reichlich mehr über die Feder als heute. Nicht nur ein Stapel echter Briefe, von denen ich allerdings meist nur noch die Konzepte besitze, sondern allein von 2000 bis 2006 genau 1305 Emails, die aus den fünf Jahren davor gingen mir leider beim Wechsel von Yahoo-Mails damals verloren. Da es sich um Korrespondenzen handelt, es also auch Briefpartner gibt – nicht zu wenige – ist es vielleicht eine ganz kleine Entschuldigung dafür, dass ich nicht mehr jeden und jede so genau im Kopf habe.
Aber überrascht bin ich doch, wie jung und gefühlsvoll ich einmal war und auch kulant gegenüber teils heftigen Attacken, die mir da teils zurückgeschickt wurden von manchen, sanft geschmeichelt von einigen gefühlvollen Mails von anderen und einige wenige, die mir die Treue gehalten haben, haben sich charakterlich erstaunlich wenig geändert. Manche Dinge sind auch an mir geblieben, wie sie waren. Etwas frecher, jugendlicher und kecker war ich damals aber schon und womöglich auch interessanter. Wann hab ich eigentlich die letzte echte private Email gekriegt?