Einige Anmerkungen zum Schulleitspruch des Klettgau-Gymnasiums

Das offizielle KGT-Schullogo, Teil des Schulemblems am KGT, wie es sich früher auf vielen offiziellen Einladungen fand - hier die Einladung zur Abitursfeier 1994.
Das offizielle KGT-Schullogo, Teil des Schulemblems am KGT, wie es sich früher auf vielen offiziellen Einladungen fand - hier die Einladung zur Abitursfeier 1994.

VERITAS VIATICUM VITAE – so lautet der klassische und im Unterschied zum offiziellen Schulemblem auch zu keiner Zeit bestrittene Schulleitspruch des Klettgau-Gymnasiums. Er findet sich dort freilich auch nirgends mehr, immerhin aber von 2006-2013 auf der Webseite des damals amtierenden Schulleiters.

Anders als am Hochrhein-Gymnasium, wo das dortige Schulmotto “VERITATI VIRTUTI VITAE” an prominenter Stelle in großen Lettern links vom Haupteingang dem Besucher entgegen prangt, findet man den KGT-Schulleitspruch innerhalb oder außerhalb der Gemäuer des Klettgau-Gymnasiums nicht. Womöglich waren sich die Leitsprüche zu ähnlich und man wollte sich am Klettgau-Gymnasium nicht nachsagen lassen, man imitiere bloß die ältere Konkurrenz aus der größeren Teilstadt. Auch in offiziellen schriftlichen Publikationen oder auf der sonst so vielsagenden KGT-Webseite findet sich keine Spur vom KGT-Leitspruch.

Das offizielle KGT-Schullogo, Teil des Schulemblems am KGT, wie es sich früher auf vielen offiziellen Einladungen fand - hier die Einladung zur Abitursfeier 1994.
Leitspruch und offizielles KGT-Schullogo, Teil des Schulemblems am KGT, wie es sich früher auf vielen offiziellen Einladungen fand – hier die Einladung zur Abitursfeier 1994.

In früheren Zeiten, als man weniger auf die achso perfekten typografischen Möglichkeiten des Computers setzte – seien wir ehrlich: künstlerisch war die EDV in den meisten Fällen doch eher ein massiver Rückschritt, der dazu führte, dass jeder Laie sich heute für ein Grafikergenie hält und doch immer nur 08/15 produziert – damals, als man Schulemblem wie Leitspruch noch individuell kalligrafisch durch kundige Hand setzte, da war der Leitspruch “VERITAS VIATICUM VITAE” noch häufiger anzutreffen, beispielsweise auf offiziellen Einladungen der Schulleitung, die oft jeweils neu für die jeweilige Veranstaltung gezeichnet wurden. Es ist jammerschade, dass diese vielen Kleinstkunstwerke heute meistensteils verschollen sind. Sie allein wären manchmal schon eine Ausstellung wert.

Aber zurück zum Leitspruch. Die am Klettgau-Gymnasium oft verwendete Übersetzung “Wegweiser zum Wesen ist die Wahrheit” ist freilich sehr frei übersetzt, wenn nicht gar falsch. „Vitae“ ist der Genitiv zu „Vita“, was „Leben“ bedeutet, „Lebenslauf“ oder „Lebensweise“, jedenfalls etwas Lebendiges, einen veränderlichen Prozess, keinen festen Seinszustand wie das deutsche Wort „Wesen“. Und “Viaticum” bedeutet nicht “Wegweiser”, sondern “Reisegeld”, im übertragenen Sinne auch “Wegzehrung”, jedenfalls etwas, was man auf den Weg fürs Leben als Hilfe MITNEHMEN kann, ganz im Gegensatz zum Wegweiser, den man doch in der Regel vor Ort stehen lässt, wenn man weiterzieht.

Beim KGT-Leitspruch handelt es sich überdies wohl um eine verkürzte Version eines lateinischen Sprichworts, das sich auch in Walthers Proverbia wiederfindet: “VERITAS EST VIATICUM VITAE CERTISSIMUM”, korrekt übersetzt: “Die Wahrheit ist das sicherste Reisegeld des Lebens.” Mit anderen Worten, sofern man dies als Schulleitspruch verwendet, soll die (in der Schule vermittelte) Wahrheit die sicherste Wegzehrung auch für das spätere Leben (der Schüler) sein. Für das Leben also, nicht für die Schule allein, lernen wir. Das Leben wird metaphorisch als Reise aufgefasst und das erlernte Wissen nehmen wir dafür mit. Wir nehmen die Wahrheit mit, wir lassen sie nicht bei nächster Gelegenheit stehen oder liegen!

Warum das so anders übersetzt wurde am Klettgau-Gymnasium in früheren Zeiten, darüber kann man nur spekulieren. Zur heutigen Auffassung von Schule und Bildung passt das Motto in der korrekteren Übersetzung allerdings genauso gut wie zum ursprünglichen Bildungsideal eines Humboldt, der das allgemein bildende Gymnasium auch nicht als puren Selbstzweck ersann, sondern als Reisevorbereitung für den späteren, humanistisch geprägten Lebensgang.

Bildung ist mit dem Abitur nicht abgeschlossen, sondern eine Lebensaufgabe, “Viaticum” kann daher auch keinesfalls mit “Rente” übersetzt werden, höchstens mit “Sterbesakrament”, in Anlehnung an die Münze, die man Verstorbenen in der Antike als Bezahlung für den sagenhaften Charon, Fährmann auf dem Styx im Totenreich, auf den Weg mitgab, für die allerletzte Reise, wenn sonst nichts mehr kommt. Diese Interpretation wollen wir hier aber deutlich ausschließen, insbesondere im Hinblick auf unsere vielen Abiturienten im Doppelabitur 2012.

Über Martin Dühning 1523 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.