Im aktiven Bestand von Niarts finden sich derzeit etwa 700 Schriften, von denen die meisten allerdings nur als Zierschriften und nicht im professionellen Textsatz zu gebrauchen sind. Aber bei den Brotschriften (also jenen für Textblöcke) gibt es noch genug Auswahl. Derzeit grübeln wir noch an einer Schriftart für das kommende Anastratin Steampunk-Special.
Während wir für die Überschriften schon einigermaßen genaue Vorstellungen haben (Vorgabe ist ja Steampunk – also kommen da neuviktorianische Zierinitiale in Frage), sind wir bei der Schriftart für den Haupttext noch nicht ganz schlüssig. Ein heißer Kandidat bleibt weiterhin die Niarts-Klassikschrift Palatino Linotype, auf die wir seit 2001 umgestiegen sind, als wir mit der Universität Freiburg auch unserer bis dahin geltenden Favoritin Garamond den Rücken kehrten. Seither regieren eigentlich überall Renaissance-Antiqua-Schriften, allen voran die Palatino.
Dennoch gab es auch bei Niarts Abstecher zu anderen Typen. Für die große Jubiläumsausgabe der Phoenix, die Nr. 50 im 25. Jahr der Schülerzeitung, verwendeten wir beispielsweise die Chaparral Pro von Adobe. Die mutet ganz anders an als die schlanke Palatino, hat sich als Magazinzeitschrift dort aber auch bewährt.
Professionelle Schriften konnten sich in der Phoenix leider nie lange halten und wurden von den Layoutern immer gerne gegen schnöde Bildschirmschriften eingetauscht (die sicher nicht für den Druck geschaffen sind). Unterbrochen wurden solche Brachialphasen meist mit kurzlebigen Niarts-Intermezzi. Für die Phoenix 53 kam beispielsweise erstmals das Gespann Linux Libertine / Linux Biolinum zum Einsatz, wurde von späteren Layoutern aber gleich wieder verschüttet.
Trotz OpenSource-Ursprung sind die beiden Schriftarten nicht zu unterschätzen und erfreuen sich weltweit zunehmender Beliebtheit – machen sie doch selbst Klassikern wie der Palatino starke Konkurrenz. So tritt einem die Libertine beispielsweise auch auf der prominenten Wikipedia-Seite in deren Logo entgegen. Inzwischen kommt die serifenlose Biolinum auch auf Anastratin.de und Phoenix-Webseite zum Einsatz, wirkt dort freilich nicht so schlank wie im Druck, macht sich aber auch am Bildschirm noch recht gut. In Firefox werden sogar die Kerning-Features wie bedingte Ligaturen übernommen. (Damit hat OpenOffice/LibreOffice immer noch so seine Probleme).
Doch die Zeit bleibt nicht stehen und so gibt es zwischenzeitlich noch zwei weitere neue und interessante Kandidaten: Da wäre einmal die preisgekrönte neue Schriftfamilie Gingko Linotype von Alex Rütten aus dem Jahr 2008/2009. Sie hat ein paar sehr interessante neue Konturen, insbesondere das kursive k ist recht hübsch. Mich persönlich erinnert sie irgendwie an Jules Verne, ich weiß auch nicht warum. Aber Schönheit hat freilich auch ihren Preis – billig ist sie nicht gerade. Für eine arme Schülerzeitung wie die Phoenix käme sie somit nicht in Frage.
Dennoch steht ihr in ästhetischer Hinsicht nicht viel nach die freie Schriftart „Vollkorn“ des Designers Friedrich Althausen. Auch er erhielt viel Lob und Preise für seine neue Brotschrift. Es gibt von ihr leider noch keine Opentype-Variante, dennoch ist sie sehr schön, weshalb sie auch von Google in ihre Webfonts-Bibliothek aufgenommen wurde.
Wir sind weiterhin unschlüssig, welche von den vielen Schönen wir nun das Ja-Wort geben sollen für die Anastratin Steampunk. Deshalb haben wir auch eine Umfrage auf Facebook gestartet, bei der sich die Zuschauerbeteilung allerdings arg in Grenzen hielt. Trotz der schier enorm gestiegenen Ausdrucksmöglichkeiten durch digitales Publizieren ist Typografie für die meisten doch ein Fremdwort gewesen und man bleibt dann bei schnöden und langweiligen Allerwelts-Typen wie Comic Sans, Verdana, Calibri. Gegen die guten alten, aber doch etwas angestaubten Eminenzen Arial und Times New Roman wollen wir ja gar nicht mal was sagen.
Trotzdem verwundert es, dass die meisten der vielen Leser völlig kalt lässt, in welchen Formen ihnen die vielen Texte der Gegenwart entgegentreten.