Die kunterbunte Welt von Botanicula

Es gibt ein kleines, süßes Spiel, über das man unbedingt schreiben muss, auch wenn man sonst nicht über Computerspiele schreibt. Es heißt „Botanicula“ und stammt von Amanita Design.

Tatsächlich steht das Design – optisch wie klanglich, im Vordergrund des kleinen Adventures: Man bewegt sich mit den fünf kleinen Helden durch im wahrsten Sinne des Wortes malerische Landschaften, die Miniaturwelt eines „Lichtbaumes“. Szene für Szene ändert sich die malerische kleine Welt, wobei der Stil von kindlich-süßer Snubbelgrafik bis zu surrealen Landschaftseindrücken à la Rene Laloux variiert.

Eine kleine Stadt in den Baumzweigen ist einer der Schauplätze von Botanicula. Hier müssten die fünf Helden 14 kleine Straußenvögelchen finden oder befreien, was den fünf Helden einiges an Improvisationsfähigkeiten abverlangt.
Eine kleine Stadt in den Baumzweigen ist einer der Schauplätze von Botanicula. Hier müssten die fünf Helden 14 kleine Straußenvögelchen finden oder befreien, was den fünf Helden einiges an Improvisationsfähigkeiten abverlangt.

Es gibt aber auch eine handfeste Story, die das Ganze zusammenhält: Der Baum, Urgrund des Lebens, ist in Gefahr, wird von spinnenähnlichen Geschöpfen ausgesaugt und zerstört. Diese kann man nicht bekämpfen, nur umgehen und im Zweifelsfall austricksen. Trickreich und mit vielen Pointen gespickt machen sich die kleinen Helden – auf allerlei Umwegen, den oft kommen den Fünf Unholde aller Art in die Quere – auf eine kunterbunte Reise von der Spitze des Baumes zu den Wurzeln, wo der Same für einen neuen Baum grundgelegt werden soll.

Somit hat das Spiel eine umweltpolitische Konnotation, die allerdings durch den (teils schwarzen) Humor in einzelnen Szenen ironisiert wird. Intertextuelle Bezüge, die nicht nur diverse Anspielungen auf andere Computerspiele, filmische oder literarische Werke oder Urban Legends beinhalten, sondern oft sogar in die Handlung hineinspielen, machen wie auch der ungewöhnliche Soundtrack aus dem Spiel ein kleines, postmodernes Kunstwerk. Da sich jedes der unzähligen Geschöpfe, die den Baum bevölkern und denen man im Laufe der Handlung helfen muss, völlig anders verhält, ist das Spiel auch wahrhaft „multi-kulturell“ und empathiefördernd. Davon könnten sich manch andere Computerspiele eine Scheibe abschneiden.

Unterirdische Landschaft mit Riesenschildkröte, auf welche die Helden in einem späteren Level treffen. Was man auf dem Bildschirmfoto nicht erkennen kann, sind die liebevollen Animationen, beispielsweise die oben um die Schildkröte kreisenden winzigen Möwen.
Unterirdische Landschaft mit Riesenschildkröte, auf welche die Helden in einem späteren Level treffen. Was man auf dem Bildschirmfoto nicht erkennen kann, sind die liebevollen Animationen, beispielsweise die oben um die Schildkröte kreisenden winzigen Möwen.

Auf dem Weg sind viele Rätsel zu lösen, die oft aber nicht logisch, eher intuitiv zu lösen sind, dabei wird die experimentelle Hintergrundmusik der tschechischen Band DVA ins Spielgeschehen mit hinein gewoben, der Spieler kann nicht nur alles Mögliche anklicken – oft mit unerwarteten und teils skurilen Ergebnissen – sondern wird stellenweise selbst zum musischen Akteur, da Soundtrack und Spiel oft eins sind. Spielerisch bleibt das nicht ohne Folgen: Manchmal tritt man auch auf der Stelle, weil man nicht herausbekommt, wie es weitergeht. Logik alleine, wie gesagt, reicht bei Botanicula noch nicht. Man muss im Prinzip alles ausprobieren.

Für Hardcore-Gamer, die Action erwarten oder über logische Brücken schnell zum Ziel kommen wollen, taugt Botanicula eher weniger. Aber für solche Leute ist das Spiel auch nicht geschaffen, vielmehr für humorvolle, junggebliebene Menschen, die gerne Staunen und die das Unerwartete lieben und die alles ausprobieren wollen. Naturliebe und experimentelle Offenheit in Kunst- und Musikangelegenheiten sind auch von Vorteil, ebenso Literaturkenntnisse. Solche Leute finden in Botanicula manch schöne Impression in Bild und Klang und manche witzige Anspielung.

Cover der ersten Auflage von Botanicula - mit Poster und Soundtrack.
Cover der ersten Auflage von Botanicula - mit Poster und Soundtrack.

Das Spiel ist bei Daedalic Entertainment erschienen, kostet im Handel sehr faire 20 EUR, wobei in der limitierten Erstauflage noch ein Poster und eine CD mit dem DVA-Soundtrack dabei sind. Übrigens ist es nicht notwendig, die CD für das Spiel im Rechner zu haben und falls ein Kopierschutz vorhanden ist, wurde er diesmal kundenfreundlich verborgen. Die Hardwareanforderungen sind moderat, das Spiel läuft auf einem Prozessor mit 1,6 Ghz und 1 GB Arbeitsspeicher mit Windows XP (und höher) oder Mac OS 10.4 oder besser. Somit müsste es eigentlich sogar auf modernen Netbooks laufen.

Über Martin Dühning 1501 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.