Drei Städte-Sonette vom Krankenbett

Wenn man nachts vor Schmerzen nicht schlafen kann, wird man tragisch und elegisch. Allerdings kommen mangels Kraft nur wieder Sonette dabei heraus, drei an der Zahl über drei Orte meines Leben.

Waldkirch (1994-2001)

Und ewig dunkelts von den hohen Bergen
Und poltert an den Türen in der Nacht.
So hab ich meine jungen Tage zugebracht,
Ganz zwischen Büchern, Finsternis und offnen Särgen.

Das Tal stand tief, die Schatten zogen lange
Und alsdann gab es wenig nur an Farben,
Und während andre ihre Sinne sinnlich bargen,
Sah ich denn frühen Tod und wurde mau und bange.

Da dacht ich, dass das Glück in spätren Tagen
Noch folgen würde, hört man doch in alten Mären,
Dass man durch Fleiß und gute Taten Glück erwirbt.

Allein, die Zeit, die kam, ließ weniges noch wagen,
als Arbeit, Mühe, Schmerzen, fruchtloses Gebären.
Es ist die Hoffnung, die zuletzt erstirbt.

Waldshut (2002-2003)

Der kluge Mann sei seines Glückes Schmied,
Wagt er durch Weisheit seines Leben Stränge
Kundig zu formen. Dass ihm das gelänge,
Durch Wissenschaft, da hört ich manches Lied.

Dort, wo mit glutger Kohle wurde ich geprüft
Erwiesen diese Worte sich als fahler Rauch,
Der schnell verweht im Wind, seien sie auch
Gestützt durch die antike Lehre und verbrieft.

So schlug die Stunde ungewohnter Lösungswege,
Ich ließ die alten Herren reden und im Regen
stehn und tat, was mir mein kleines Herz gebot.

Ich sage euch: Kommt eure Stund‘ der Not,
Dann betet lieber und seid frohgemut,
Dass der, der euch erschuf, die Hilfe tut.

Tiengen (1985-1994, 2004-2013)

Neun Jahre Blut und Wasser habe ich geschwitzt,
Als ich zuerst die gelbe Schule dort besuchte.
Geliebt hab ich sie nicht, zuletzt ich fluchte,
Weil man mein Kinderherz mir dort zerschlitzt.

Als ich das zweite Mal neun Jahre dort verweilt,
Da hatten Jahr und Tag sich längst gewendet,
Und unbekannterweise hat man mich entsendet,
Diesmal bezahlt und manches Erbstück zugeteilt.

Hat sich’s gelohnt? Ich weiß es nicht zu sagen,
Es gab auch viele Dinge in den langen Nächten,
Die wenig Grund zur Freude gaben, doch zu klagen.

Auch lieb ichs gar nicht, fremden Erbbesitz zu raffen,
Wo ich die Gabe doch besäß, die Dinge neu zu schaffen.

Doch keiner weiß, was andre Tage brächten.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.