I’m dreaming of a white Easter …

Märzenwinterosterhase

Ist das nicht romantisch – verschneite Wälder, das leise Klingeling einer Schlittenkutsche, vollgepackt mit lecker-süßen Spezereien, mit der er durch die winterlichen Wälder gleitet, gekleidet in ein rotes, bepelztes Mäntelchen, gar putzig anzusehen mit dem dicken Bäuchlein, dem roten Näslein, seinen zwei silberweißen Löffelchen und den lustigen Knabberzähnen: er, der Märzenwinter-Osterhase?

Der Märzenwinterosterhase warten - dieses Jahr vielleicht nicht...
Der Märzenwinterosterhase wartet – dieses Jahr wohl wieder …

Wenn er dann des Nachts heimlich seine weiß angestrichenen Eierlein im Märzenschnee versteckt, oder bibelfest in ein kleines Schilfbötchen legt, welches dann still durch die von diversen Regentiefs halb überfluteten Fluren und Schrebergärtlein gleitet, dann kann man doch ein stimmungsvolles Osterlied anstimmen: „Leise fieselt der Schnee…“ – das würde doch auch viel besser zum Skiurlaub passen, den die meisten nunmehr über Ostern nehmen. In den Fasnachtsferien ist man ja meist eh zu besoff… äh … freudetrunken

Ja, der Klimawandel wird uns auch kulturell einige Veränderungen bescheren. Längst schon überfällig ist eine grundlegende Umbewertung sämtlicher traditioneller Feste im Winterhalbjahr. Beim Erntedank ist das ja schon geschehen, da heißt es nun „Trick or treat!“ statt „Dankeschön!“. Im Handstreich wurden auch sämtliche novemberliche Friedhofsfeste umgedreht. „Rest in Peace“, das war einmal. Die Friedhofsdisko ist nur noch eine Frage der Zeit.

Aufgrund der immer später eintretenden winterlichen Verhältnisse erscheint mir eine Zombifizierung des Weihnachtsmannes unumgänglich. Halloween kommt ja immer noch viel zu kurz, warum nicht zwei Monate Gothic pur? Ohne Schnee kommt ohnehin keine rechte Weihnachtsfreude auf, zumindest nicht die traditionelle. Warum also nicht einen grandios düsteren Höhepunkt am klimaentwerteten Sonnwendfest? Vielleicht gar den Tod selbst als Weihnachtsmann? Wie sowas aussehen könnte, kann man in Terry Pratchetts „Hogfather“ nachlesen…

Ja, dann bliebe noch die fünfte Jahreszeit, von der Festeverwertungsindustrie längst als das Hochfest der geistlichen Getränke anerkannt. Um das antik-humanistische Erbe Europas zu unterstreichen böte sich an, noch stärker als wie bisher an die alte griechische Tradition der dionysischen Spiele anzuknüpfen. Im alten Rom gab es darüber hinaus die Saturnalien. Wenn eine Verbindung zwischen dem fröhlichen Weingott Dionysos und dem grüblerischen Saturn auch etwas ungewöhnlich erscheinen mag, sie passen doch prima zusammen: Erst die Orgie, dann der Katzenjammer. Die ständige Wiederholung der dualistischen Gegensätze eröffnet dem westlichen Denken ganz neue Horizonte, ja erweitert die Sinne: Yin und Yang, im östlichen Denken gehören sie schon längst zusammen.

Durch praktische Anwendung erschließen sich junge Menschen darüber hinaus die klassische Philosophie Epikurs. Da hätten sie also sogar noch was Rechtes gelernt – und das trotz G8! Freiwillig und fast kostenneutral! Super!

Wir sehen: Bildung in Deutschland ist also doch noch nicht am Ende, dem Klimawandel sei Dank! Wenn dann die ersten Olivenhaine in Süddeutschland aufgeforstet wurden, steht einem stilechten, klassischen Bacchanal nichts mehr im Wege – außer vielleicht der frostige Osterhase mit seinem Märzenwinter.

Hierzu gibt’s auch eine Hörfassung:

Text & Vertonung: (c) Martin Dühning /

Zuerst veröffentlicht in der Schülerzeitung Phoenix im März 2008

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.