Warum ich keinen Fernseher besitze…

Seit Januar 2013 nötigt man mich ja zur ‚Haushaltsabgabe‘, ich muss monatlich dreimal mehr zahlen. Bislang zahlte ich nur den Radiobeitrag, weil ich keinen Fernseher besitze. Ich werde mir trotzdem auch sicher keinen anschaffen.

Ich WILL KEINEN Fernseher!

Es ist ja nicht so, dass ich mir einen Fernseher nicht leisten könnte oder zu doof wäre, mir einen zu kaufen. Ich hätte auch schon oft einen geschenkt haben können, wenn mitleidige Leute wieder meinen, ich bräuchte unbedingt einen. Aber ich brauche keinen! Seit fast 15 Jahren lebe ich ohne Fernsehgerät und es geht mir trotzdem gut! Ich bin kulturell nicht verödet, auch nicht vereinsamt und ich langweile mich auch nicht, im Gegenteil: Wann immer ich Menschen treffe, die abhängig von ihrem Fernseher waren, hatte ich eher das Gefühl, der Fernseher trage selbst aktiv mit dazu bei, dass sie kulturell verödet, vereinsamt und langweilig waren. Jedenfalls langweile ich mich noch jedes Mal, wenn man mich anderorts nötigt, das normale Fernsehprogramm mitzuverfolgen.

Ich kann nicht viel anfangen mit einem Medium, dass mir irgendwelche vordefinierten Inhalte sendet, die ich gerade gar nicht ansehen will. Da ist zum Einen das unbestimmte, im Falle der Werbung aber sehr bestimmte Gefühl, von jemandem manipuliert zu werden. Ja gerade die Werbung ist einer der Gründe, warum ich mir definitiv KEINEN Fernseher zulegen werde, denn ich hasse sie inständig. Ethisch betrachte ich Werbung als handfeste Lüge, zeitökonomisch als Verschwendung von Lebenszeit, und es ist keinesfalls ein Qualitätsmerkmal des „modernen“ Fernsehens, dass die Werbung oft noch das interessanteste am ganzen Fernsehprogramm ist.

Aber auch der Rest gestaltetes Fernsehprogramm scheint mir eher ein Relikt aus dem 20sten Jahrhundert zu sein, als die Masse mit Unterhaltung bei Laune gehalten wurde und durch fremdbestimmte Inhalte in Richtung Konsens getrimmt. Nach Erschaffung der Privatsender allerdings, seit letztlich eine nebulöse „Quote“ bestimmte, was produziert und gesendet wird, wurde kulturelles Niveau endgültig durch plattes Entertainment ersetzt. Dabei können mitunter auch ganz interessante Dinge dabei herauskommen, die viel über die Gesellschaft aussagen, die sich so etwas auch noch freiwillig anschaut (z. B. Casting-Shows).

In seltenen Fällen findet man im Mist auch echte Perlen. Aber ökonomisch lohnt es sich nicht wirklich, sich an einen Fernseher zu setzen und darauf zu hoffen, dass dies zu einer Tageszeit geschieht, die halbwegs kompatibel mit dem Berufsleben ist. Meist muss man sich durch unzählige Sender zappen und findet dann doch nichts oder nur zu Uhrzeiten, bei denen man beim besten Willen nicht vor dem Fernseher sitzen kann.

Internet ersetzt Fernsehschauen

Vom Medium meiner Wahl, dem Internet, bin ich gewohnt, dass ich von dort jede nötige Information jederzeit heraussuchen kann, wenn ich sie brauche. Ich kann die Inhalte dann auch wiederholt anschauen, wenn ich etwas nicht gleich ganz verstanden habe oder wenn es mir gefällt. Das gilt auch für Unterhaltung, denn Literatur wie Musik lassen sich längst – inzwischen auch völlig legal – zu einem individuellen Programm zusammenstellen. Zwar gilt auch hier ähnlich wie beim Fernseher die Matthäus-Regel: „Wer hat, dem wird gegeben, wer aber nicht hat, dem wird auch noch genommen, was er hat.“  – Vom Internet wie vom Fernsehen gewinnt nur der, der schon ein entsprechendes Vorwissen besitzt. Doch mit interaktiven Medien steigt die Chance, dass man bei hinreichendem Interesse gezielt persönlich dazulernen kann. Mangels vorhandenem Breitbandinternet in Lauchringen nutze ich das Internet hauptsächlich in Form von textbasierten Internetseiten. Das heißt, ich lese es. Seltener durchstöbere ich Youtube oder Amazon.de nach Musik oder Videos. Wenn mir etwas gefällt, kaufe ich es mir gezielt.

Es ist korrekt, dass größere legale Kulturinhalte (z. B. Filme oder Musikalben) im Internet Geld kosten – aber mit dem Geld, das die Kulturabgabe monatlich kostet, ließe sich problemlos eine Kulturflatrate finanzieren, problemlos ließe sich die nun vorhandene Haushaltsabgabe auch als solche uminterpretieren. Dagegen sträubt sich allerdings dann wieder die Privatwirtschaft, weshalb die Medienpools und kostenlosen Informationsstellen der öffentlich-rechtlichen Sender von dort torpediert werden. Das ist sehr schade, finde ich. Denn ich habe ja nichts gegen öffentlich-rechtliche Inhalte, sondern kann mit dem Medium „Fernsehen“ bloß nichts anfangen, egal, ob es öffentlich-rechtlich oder privat finanziert wird. Ein öffentlich-rechtlich mitgestaltetes Internet dagegen fände ich sehr reizvoll.

Es gibt durchaus Inhalte, gerade solche, wie man sie wohl bei ARTE oder 3Sat findet, die sehr interessant klingen. Nicht so interessant, dass es sich lohnt, deswegen zuhause einen Fernseher zu betreiben, aber doch so interessant, dass ich ein zugehöriges Onlineangebot in Form eines Medienpools dann und wann nutzen würde, wenn es entsprechend ausgebaut ist. Gerade die zeitunabhängige Verfügbarkeit hat die Privatwirtschaft durch die Klausel, dass Medieninhalte im Internet nur kurzfristig und im Zusammenhang mit einer passenden Fernsehsendung stehen dürfen, aber zunichte gemacht.

Engagierten und wagemutigen Renegaten ist es zu verdanken, dass kostbare alte Fernsehbeiträge dennoch wenigstens per Youtube zu finden sind und manchmal dann, wenn rege Nachfrage besteht, irgendwann auf Kundendruck auch auf DVD herauskommen. Solche DVDs kaufe ich mir dann bisweilen. Die britische BBC ist den deutschen Sendern da allerdings deutlich voraus, weshalb meine durchaus beachtliche private DVD-Mediathek eher BBC-Produktionen enthält als solche von ARTE oder anderen Kultursendern.

Der letzte Aspekt, den ich am Medium Fernsehen nicht mag, ist, dass man es so stehen lassen muss, wie es kommt, selbst dann, wenn das Thema einem gefällt. Ich kann somit nicht weiter recherchieren und mein Wissen weiter vertiefen, es sei denn, ich nehme Peter Lustigs Rat aus meinem Kindheitsfernsehen ernst, und schalte nach der Sendung einfach ab, um darüber nachzudenken oder ein Buch zum Thema zu lesen. So wird Fernsehen heute aber nicht mehr produziert, es gibt letztlich keine abgeschlossenen Sinneinheiten, wo am Ende gesagt würde: Und wenn dich das Thema weiter interessiert, schalte jetzt ab, geh in die Bibliothek, dies und das sind passende Bücher zum Thema. Stattdessen wird das Programm als scheibchenweise aufgetischte Sinnhäppchen mit Fortsetzungszwang präsentiert. Unterhaltung erhält immer den Vorrang vor Informationstiefe und oft auch vor inhaltlicher Korrektheit – besonders im Privatfernsehen.

Das ist, wie Neil Postmann schon in den 70zigern darlegte, dem Medium Fernsehen inhärent und wurde im öffentlich-rechtlichen deutschen und österreichischen Fernsehprogramm nur durch akademische Programmplaner abgemildert. Bei einem von ihnen, Michael Albus, habe ich in den späten 90zigern Medienpädagogik studiert, und weiß daher, mit welcher Raffinesse selbst das Kinderprogramm gestaltet wurde und welche Perlen in den Programmarchiven des ZDF und ARD ruhen (und dort wahrscheinlich vergammeln). Seit diese Generation von mediengestützten Volksaufklärern aber das Zepter nicht mehr in der Hand hält, sondern zunehmend die allmächtige Quote regiert, trifft Postmanns Kritik auch auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen des 21sten Jahrhunderts erstaunlich treffsicher zu.

Kritische Nutzung und Kreativität

Nun hatte Postman seinerzeit auch vor dem Computer und dem beginnenden Internet gewarnt – zurecht. Auch wenn es gerade so scheinen mag, als verwirkliche sich Bertolt Brechts Radiotheorie in Form der neuen Interaktionsmöglichkeiten von Blogs und sozialen Netzwerken, so ist doch augenscheinlich, dass hier nicht einfach Informationen oder gar Bildung vermittelt werden als vielmehr eine neue, zweite Realität aufgebaut wird. Diese sehr individuell-subjektive virtuelle Welt kann dann durchaus auch mit der analogen Realität im Dissenz stehen, wenn sich eine oder mehrere Personen durch beständige Interaktion in eine Sache hineinsteigern und damit immer mehr radikalisieren. Insofern beschleunigen sich damit auch gesellschaftliche Prozesse, ganz im Gegensatz zum Fernsehen im 20sten Jahrhundert, was als Massenmedium bestehende Systeme eher festigte.

Wenn man das Medium Internet allerdings – kritisch distanziert – als Werkzeug benutzt, statt sich von ihm treiben zu lassen, dann ist es deutlich nützlicher und auch kreativer als das Werkzeug Fernsehen. Das Fernsehen kann man nicht kritisch-distanziert nutzen, ohne es ganz auszuschalten – worauf Peter Lustig nicht ganz ohne Hintersinn hinwies. Eigentliche Kreativität lässt sich vom Nutzer nur jenseits dieses Mediums verwirklichen.Das Internet als interaktives Multimedium funktioniert aber nur beidseitig. Man kann sich davon nicht einfach berieseln lassen, man braucht Anfragen und muss dann und wann auch selbst aktiv werden. Das geht primitiv: „Hallo Facebook, was macht ihr heute?“, aber kann auch tiefsinniger und kunstvoller sein. Ja gegenüber den mannigfachen produktiven Möglichkeiten, die das Internet zusätzlich zu seinen Informationskapazitäten enthält, verblasst das Fernsehen geradezu und erscheint aufgrund seiner erzwungenen Passivität als bequemstes Medium der Wahl, wenn man einfach nur die eigene Lebenszeit rumbringen will.

Dafür ist mir mein Leben aber zu schade. Und deshalb werde ich mir auch in Zukunft keinen Fernseher zulegen.

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.