Im mitteleuropäischen Geschichtsunterricht kommt Persien nicht gut weg, hier dominieren Verdikte der alten Griechen und aus dem Mittelalter. Was davon in den erwachsenen Köpfen noch übrig ist, wird zudem mit Schauergeschichten vom Mullah-Regime bereichert. Das ist traurige Verkürzung einer Kultur, die wie kaum eine andere die Weltgeschichte bereichert hat. Drei Publikationen wollen mit den Vorurteilen aufräumen.
Persien – vom Märchenreich zum Gottesstaat
Die erste und jüngste Publikation ist zugleich auch die am besten aufbereitete und zudem noch die preisgünstigste: Die aktuelle Ausgabe Juni 6/13 der Zeitschrift G/Geschichte, deren Leitthema diesmal „Persien – vom Märchenreich zum Gottesstaat“ ist.
Wie gewohnt für die renommierte Zeitschrift sind die einzelnen Artikel nicht nur höchst aktuell und akurat geschrieben, sondern machen auch optisch einiges her. Thematisch setzen die Artikel beim Untergang des Sassanidenreiches im 7 Jh. durch die Eroberung der Araber ein und werfen kurze Schlaglichter auf Kultur und Kunst der muslimischen Epoche, besonders zur Zeit der Safawiden. Sehr beeindruckend sind auch die Seiten zu Isfahan – sie stellen optisch (nicht an Substanz) den unten vorgestellten Bildband locker in den Schatten.
Der Schwerpunkt der Ausgabe liegt aber zweifelsfrei auf den Entwicklungen der jüngeren Geschichte, besonders das Iran des 20. Jahrhunderts mit Schah-Regime, Khomenei und die islamischen Revolution nebst Folgen. In seinem letzten Beitrag „Gottesstaat am Scheideweg“ wagt die historische Zeitschrift sogar eine aktuelle Analyse mit Zukunftsaussicht.
Bibliografische Daten:
- G/Geschichte Nr. 6/2013: Persien – Vom Märchenreich zum Gottesstaat, ISSN 1617-9412, Preis in Deutschland: 4,90 EUR.
IRAN – Weltreich des Geistes
Wem die journalistischen Beiträge von G/Geschichte zu kurz waren und wer die auch für das persische Selbstverständnis so wichtige Antike vermisst hat, dem sei Michael Axworthys Buch „IRAN – Weltreich des Geistes, von Zoroaster bis heute“ ans Herz gelegt. Axworthy, der 1998 bis 2000 der Leiter des British Foreign Office in Iran war, schildert darin auf 347 Seiten etwa 5000 Jahre persischer Geschichte, wobei er dankbarerweise nicht etwa Daten aneinander reiht, sondern besonders auf die Kulturgeschichte und ihre Bedeutung für das iranische Selbstverständnis bis heute eingeht. So knüpft er Verbindungen von den frühen Medern über die Parther und Sassaniden bis hin zur heutigen Bildungsidentität und stellt immer wieder auch klar, welche philosophischen, religiösen und auch kulturellen Ideen vom persischen Gebiet ihren Ausgang nahmen.
Seine Grundthese lautet, dass Persien letzterdings bis heute eine immaterielle Weltmacht sei, ein „Weltreich des Geistes“, das in der Geschichte zwar oft erobert und gedemütigt wurde, sich kulturell aber letztlich immer erholte und oft sogar über seine Eroberer durchgesetzt hat. Dafür führt Axworthy eine Vielzahl von Beispielen auf. Immer wieder auch sucht er heutige Konfliktfelder auch in ihren historischen Bezügen darzulegen, beispielsweise die Beziehung der Iraner zum Judentum oder zu westlichen Großmächten sowie regionale Konflikte und ihre Entstehung.
Trotz seiner Kapitelfülle macht der Autor dem Leser schnell klar, dass er mit seinem Band nur geraffte Überblicke gibt und es zu allen Facetten noch deutlich mehr zu sagen gäbe. Im Deutschen ist das Sachbuch im Verlag Wagenbach erschienen und wurde von Gennaro Ghirardelli fachkundig übersetzt.
Bibliografische Daten:
- Axworthy, Michael: IRAN, Weltreich des Geistes, Von Zoroaster bis heute, Aus dem Englischen übersetzt von Gennaro Ghirardelli, 2. Aufl.,Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012. ISBN 978-3-8031-3636-7, Preis in Deutschland: 24,90 EUR.
im garten isfahan
Axworthys Sachbuch bietet nur relativ wenige Abbildungen, gerade wenn er auf Kunst und Architektur zu sprechen kommt, wünscht man sich manchmal einen passenden Bildband herbei. In der Tat, womöglich aus politisch-religiösen Gründen, gibt es eher wenige Bildbände zu den kulturellen Sehenswürdigkeiten Irans.
Eine der wenigen Ausnahmen ist der bilinguale Bildband „im garten isfahan“ des Basler Architekten und Schriftstellers Werner Blaser. In Form eines reich bebilderten Spaziergangs stellt er am Beispiel der historischen Bauten von Isfahan Symbolik und Formensprache der persischen Baukunst vor. Auf den 144 Seiten wechseln mehrseitig-ganzseitige Fotos, Grundrisse und sachkundige Erklärungen einander ab. Den Beschreibungen merkt man die Begeisterung des Architekten beim Durchschreiten der formvollendeten Bauwerke an.
Leider waren nicht alle der verwendeten Fotovorlagen von ausreichender Qualität, sodass einige der Großdrucke trotz gewissenhafter Aufbereitung etwas verwaschen wirken. Das ist sehr schade (zumal bei einem Preis von 38 EUR), da es alle paar Seiten den ansonsten recht guten Gesamteindruck stört.
Bibliografische Daten:
- Blaser, Werner: Im Garten Isfahan, Islamische Architektur vom 16. bis 18. Jahrhundert, Verlag Niggli, Zürich 2010. ISBN 3-978-7212-0675-3, Preis in Deutschland: 38 EUR.