Mirrormask

Helena Campbell ist 15 Jahre alt und arbeitet für ihre Eltern im Familienzirkus. Dort jongliert sie, aber viel lieber zeichnet sie für sich, immer und überall, sich ihre ganz eigene, fantastische Welt, in der sie sich nach einer Familientragödie, für die sie sich selbst verantwortlich macht, eines Nachts überrascht wiederfindet.

Der Bildband zum Film "Mirrormask" erzählt die Geschichte in Collagen von Filmbildern und mit Originalillustrationen Dave McKeans nach.
Der Bildband zum Film „Mirrormask“ erzählt die Geschichte in Collagen von Filmbildern und mit Originalillustrationen Dave McKeans nach.

So könnte man die Story des Spielfilms „Mirrormask“ von Neil Gaiman und Dave McKean aus dem Jahr 2005 kurz zusammenfassen – und doch wäre es arg verkürzt. Denn, wie von Verfilmungen der Geschichten von Neil Gaiman gewohnt, geht es optisch wie inhaltlich sehr kreativ zu. Handlung wie grafische Darbietung wirken wie eine Mischung aus „Der Zauberer von OZ“, „Die unendliche Geschichte“ und den Zeichnungen eines Piranesi oder Escher. An den „Zauberer von OZ“ oder manchmal auch „Alice im Wunderland“ erinnert die Geschichte um ein halberwachsenes Mädchen, das sich auf der Suche nach sich selbst und seinem Weg in einer märchenhaften Spiegelwelt wiederfindet. Doch in der Symbolhaftigkeit des Erlebten fühlt man sich eher an die „Unendliche Geschichte“ erinnert: Die allgegenwärtige Maskenmetapher wie auch diverse Anspielungen an Mythologie oder die Psychologie der Adoleszenz gehen über ein typisches Kindermärchen weit hinaus. Der stets vorhandene szenische Sprachwitz – z. B. bei den Dialogen Helena – Valentine oder bei den Begegnungen mit den Sphinxen, ist wiederum ein typisches Kennzeichen Gaimans – einiges davon lässt sich auch nicht ins Deutsche übersetzen.

An der gekonnten Verknüpfung von Grafik und Sprechtext erkennt man die Ursprünge Gaimans und McKeans als Comiczeichner. Im Stil eines skurilen bis düsteren Künstlercomics, detailliert gezeichnet, farblich aufeinander abgestimmt, sind die Szenen auch im Film gehalten. Die Designermasken bei den Protagonisten verstärken den Comic-Look. Sowohl bei den Szenen in Helenas wirklicher Welt als auch in ihrem „Traum“ werden Realfilm mit Zeichentrick und vielen CGI-Effekten gemischt, bunte, manchmal auch düstere Collagen, die dynamisch ineinander übergehen, was teils wirklich verblüffend wirkt. Die gekonnte Umsetzung lässt erkennen, dass der Produzent sich im Metier gut auskennt – von der Jim Henson Company stammen ja auch die berühmten Filme „Das Labyrinth“ und „Der dunkle Kristall“.

Trotzdem – Ähnlich wie damals bei der „Unendlichen Geschichte“ hat man bisweilen das Gefühl, dass die Trickeffekte hinter der Story und einem eingeschränkten Budget zurückbleiben. Auch das verschiedene Künstler die CGI-Arbeiten untereinander aufteilten, fällt durch kleinere Stilunterschiede auf. Allerdings passt das wiederum zu den inhaltlich gewollten Brechungen in der Story.

Für den Soundtrack engagierte man den britischen Jazzsaxophonisten Iain Ballamy, der das Werk mit gejazzter Zirkusmusik unterlegte, einige Stücke, wie z. B. „The Library“ oder „The Creation Myth“ gehen eher ins Orientalische, andere wirken psychedelisch. Den Titelsong „If I Apologize“ lieferten die schwedische Jazzsängerin Josefine Cronholm und der kalifornische Stimmkünstler Ashley Slater, ebenso den Song der Umziehpuppen „Close to You“ im Doll-Dressing-Room der dunklen Königin. Beide Gesangsstücke unterscheiden sich deutlich von Ballamys Kompositionen, stilistisch gehen sie eher in Richtung von Imogen Heap. Beide Stile – Ballamy wie Cronholm – treffen sich im Einstiegssong „Sock Puppets – Flyover“.

Für den Dreh der Realwelt, er fand im südenglischen Brighton statt, hatte man damals nur sechs Wochen kalkuliert, was angesichts der vielen Szenen mit Realschauspielern knapp erscheint, das Gesamtbudget betrug vier Millionen Dollar. Daran gemessen sind sowohl die ganzen CGI-Effekte, als auch die schauspielerischen Leistungen beachtlich, vor allem die eines Jason Barry als „Valentine“, Helenas Begleiter, Stephanie Leonidas, die „Helena“ sowie ihr düsteres Gegenüber spielt und Gina McKee, die sowohl Helenas Mutter, als auch die Königin des Lichts und die Königin der Schatten verkörpert. Dass Stephen Fry den Bibliothekar spielt, geht dagegen unter, da er nur als CGI-Puppe auftritt.

Ins Kino kam der Film leider nicht, auf der DVD-Version, die in der mir vorliegenden Fassung etwas verwaschen wirkt, kommen die Details und die Bilddynamik leider nicht so zur Geltung wie es auf einer Kinoleinwand der Fall gewesen wäre. Für eine reine Fernsehproduktion wirkt die Produktion fast wieder zu gewaltig.

Von Film wie Soundtrack gibt es bislang leider keine deutsche Version, wer den Film also erwerben will, muss mit der britischen Version von „Mirrormask“, publiziert von Sony Pictures, vorlieb nehmen – da dieser mangels deutscher Fassung die USK-Freigabe fehlt (in Britannien hat der Film PG 12 Jahre), verlangte mir der Postbote wie bei Schwerverbrecherkost den Personalausweis ab, was bei einem Kinderfilm etwas peinlich bis lächerlich wirkt. Über den deutschen Buchhandel gut erhältlich sind aber die Bücher zum Film.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.