THE FIVE (2010)

Es gibt heute allgemein eher selten Kinderfilme, die nicht pure Erwachsenenprojektionen sind, gerade im Metier der  Fantasy. Einer davon ist vielleicht „The Five“ (2010), der sich mit Kinderfantasien beschäftigt.

In Deutschland ist "THE FIVE" in zweifacher Ausführung erhältlich, hier die Version "DIE FÜNF und das Magische Buch", publiziert von SchroederMedia, freigegeben mit USK 6 Jahre.
In Deutschland ist „THE FIVE“ in zweifacher Ausführung erhältlich, hier die DVD-Version mit dem Titel „DIE FÜNF und das Magische Buch“, publiziert von SchroederMedia, freigegeben mit FSK 6.

Der Spielfilm „The Five“, im Deutschen auch „Die Fünf und das magische Buch“ oder „Die Fünf – Wehe, wenn sich deine Wünsche erfüllen“, ist ein amerikanischer Kinderspielfilm aus dem Jahre 2010. Die Regie führte Dave Yasuda, das Drehbuch schrieb J. Reuben Appelman, unter den Schauspielern finden sich Dan Lauria, Ry Feder Pruett und Jungstar Madisen Beaty – der ich noch eine größere Karriere prophezeien würde. Das Budget scheint begrenzt gewesen zu sein, der Spielfilm passt so eher ins Kinderfernsehen als ins Kino. Der Story selbst tut das aber keinen Abbruch.

Was mir an dem Film besonders gefallen hat, ist, dass hier nicht einmal mehr erwachsene Wünsche auf Kinder projeziert werden – weder kommt eine Kiddie-Lovestory vor, noch geht es um Leistungsfähigkeit oder Konsum, auch nicht darum, groß und erwachsen zu werden. Kindheit wird auch keinesfalls idealisiert: Die Handlung dreht sich um Kinder, die wider Willen in einer Patchworkfamilie verdrahtet sind. Die Geschwister Adilyne und Jackson leiden unter der Scheidung ihrer Eltern, die Geschwister Marcus und Malia unter dem Tod ihres Vaters – da Adilynes Vater Marcus‘ und Malias verwitwete Mutter geheiratet hat, finden sich alle zu ihrem Leidwesen in einer Zwangsgemeinschaft wieder. Die vier Kinder haben ganz unterschiedliche Methoden, um ihre Lebensverhältnisse zu kompensieren. Fantastisch wird es, als ihr aktuelles Lieblingsbuch/Spiel namens „Hexagon“ wirklich zu werden scheint und die Fassaden der Wirklichkeit zusammenzubrechen scheinen.

Von der Inszenierung her scheint der Film dem erwachsenen Auge sehr billig gemacht, von jedem B-Movie ist man inzwischen mehr Effekte gewohnt. Dazu gehört beispielsweise, dass sich Alltagsgegenstände deutlich sichtbar nur halb überblendet zu „Lichtschwertern“ ohne Griff verwandeln,  oder dass an der Kleinstadtkulisse mit ländlichem Umland eigentlich überhaupt nichts Fantastisches zu finden ist (mal abgesehen davon, dass man sich durch ihre Architektur im Zusammenspiel mit der Hintergrundmusik manchmal unwillkürlich etwas an „Die Sims“ erinnert fühlt). Nicht einmal die feindlichen Fabelwesen sind sichtbar, sie werden nur durch Windgebläse angedeutet. In Zeiten reichhaltiger CGI-Effekte erscheint das für den Zuschauer fast wie eine Zumutung. Der Film ist mit einfachsten Mitteln und Requisiten gedreht. Wer Fantasyfilme kauft, um in effektvolle Wunderwelten entführt zu werden, wird von dem Film wohl herbe enttäuscht werden.

Die arge Zurückhaltung scheint aber definitiv Absicht zu sein. Überall bleibt sichtbar, dass es sich um Kinderfantasie handelt. Vielleicht ist es auch speziell ein Problem der deutschen Edition, deren Cover eher unpassend einen Fantasyeffektfilm im Stile von „Die Geheimnisse der Spiderwicks“ suggeriert, obwohl es sich beim Spielfilm eher um eine liberal-amerikanische Charakterstudie über die kindliche Rezeption von Fantasyliteratur handelt. Gleichzeitig erinnerte mich manch Erlebnis im Film an typische Träumereien und Gedankenspiele aus meiner eigenen Kindheit, z. B. das gemeinsame Durchschreiten von Tunneln als „Zeittore“ etc. Auch die Dialoge beinhalten zwar platte, aber typisch kindliche Philosophien, wozu auch gehört, dass sich die Kinder häufiger mal über den Lebenssinn ihres (im Prinzip ziemlich einfach gestrickten) Lieblingsfantasybuches unterhalten. Die pseudo-psychologische Auslegung von Adilynes Freundin Renee (der Nr. 5) , die damit ihre Therapeuteneltern zu imitieren versucht, wird durch die Handlung oft sichtlich in Frage gestellt – verschärft sie damit doch meist eher den Konflikt zwischen Adilyne und Marcus, als zu seiner Lösung beizutragen.

Emotional wirken die Kinder zueinander manchmal etwas schroff, die Mädchen etwas zickig, aber eben mehr kindhaft und nicht als kleine Pseudoerwachsene oder Knuddelkinder. Daher kommt es gottlob auch nicht zu einer Kinderlovestory! Ebenfalls sehr lobenswert und eher untypisch für einen amerikanischen Spielfilm ist, dass die Mädchen äußerst emanzipiert auftreten – Puppen, kleine Chearleadermädchen und ähnliches kommen nicht vor, auch keine rosa Blümchenwelt. Die Mädchen sind selbstbewusst, eigenaktiv, sportlich und spielen anfangs beispielsweise gleichberechtigt ein Fußballmatch mit den Jungen. Trotzdem sind es Mädchen, aber eben keine Barbiepuppen.

Am Ende des Filmes, das aber eher offen gestaltet ist, lernen die Kinder mit ihrer Lebenswirklichkeit besser klar zu kommen. Besser heißt hier nicht „perfekt“. Es ist kein typisches Happy-End, aber auch keine Tragödie, es bleibt offen, wie sich das Leben weiterentwickeln wird – und zwar OHNE die typische Erwachsenenwendung: „Alles wird besser, wenn du erst mal groß bist“ oder „Familie ist heile Welt“. Die fünf Kinder wissen, dass sie Kinder sind, es aber nicht ewig bleiben werden, dass das Leben unvollkommen ist und bleiben wird. Sie leben aber im JETZT, was auch eine der Hauptaussagen des Filmes ist: Die Vergangenheit ist vorbei und die Zukunft ist noch offen. Die Kunst besteht darin, PRÄSENT ZU LEBEN.

Das trifft es ziemlich genau, wie ich das selbst aus meiner Kindheit noch in Erinnerung habe und wie ich es auch von den meisten meiner Schüler im Alter von 10-12 kenne, falls sie der erwachsenen Medienwelt noch einigermaßen kritisch gegenüberstehen und von der Wünscheerfüllungsindustrie noch nicht zugeflutet wurden. Dass Kinder unbedingt erwachsen werden oder gar wieder jung sein wollen ist ja wohl eher eine erwachsene Stereotype.

Wie der Film begonnen hat, aus Kindersicht mit gemeinschaftlich spielenden Kindern, endet er auch in einer Gemeinschaftsszene aus Kindersicht, diesmal die Patchworkfamilie, in der Adyline aus dem Off Kommentare über eine mögliche Zukunft gibt. Dies ist aus Sicht eines dreizehnjährigen Menschen gestaltet, nicht aus Sicht eines Mädchenstereotyps.

Auch die Darstellung der Erwachsenen im Film ist interessant. Zwar werden sie von den Kindern als typisch „erwachsen“ kritisiert, doch handelt es sich nicht wie typischerweise in solchen Filmen um Karrikaturen, sondern sie haben, wie es sich mehr und mehr herausstellt, durchaus ihre plausiblen Gründe, so zu handeln, wie sie es tun. Da sie sich eher „normal“ verhalten, wirken die Dialoge manchmal eher „langweilig“, aber eben nicht überstellt, bisweilen aber aus storytechnischen Gründen etwas reduziert. Allein der geheimnisvolle Eisverkäufer „Mr. H.“ wirkt bleibend fantastisch und damit unnatürlich, was er vielleicht aber auch gerade sein soll.

Vieles in dem Film hat mich an meine eigene Kindheit zurück erinnert, als ich mit anderen Kindern auch noch solch „lebenskluge“ Gespräche führen konnte und noch seelenverwandte Kinderfreunde hatte, unter anderem auch so eine heldenhafte rothaarige Freundin wie Adilyne, mit der ich in ländlicher Kulisse und mit einfachsten Requisiten manch Heldenabenteuer durchspielte, nur eben mit anderen Geschichten. Aber einen „Mr.H.“ gab es nie in meinem Leben. Zwar habe ich mir immer schon mal so einen weisen, verständnisvollen Eisverkäufer gewünscht, der ähnlich wie der „allwissende Barkeeper“ für alle Lebensprobleme einen herrlichen Eisbecher parat hält und eine kluge, kinderkompatible Antwort weiß, aber in meinem Leben ist mir so etwas leider noch nie begegnet.

Na gut, etwas echte Fantasy muss in einem Fantasyfilm ja auch noch bleiben. 😉

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.