Der letzte Laden hat geschlossen

Am 31. Oktober 2013 schloss der letzte Lebensmittelmarkt in Oberlauchringen. Damit gibt es – von einer Pizzaria abgesehen – nun keine Möglichkeit mehr für ältere Leute in Wohnnähe Lebensmittel zu kaufen.

Die Freude der Anwohnerschaft und in meinem (alternden) Bekanntenkreis hält sich, gelinde gesagt, darüber auch sehr in Grenzen. Der Ortsteil Oberlauchringen ist nun, sieht man von einer halbtags betriebenen Bäckereifiliale ab, eine Wohnwüste. Das war nicht immer so. Wie mir eine Bekannte aufzählte, gab es vor 30 Jahren noch allein im Ortsteil Oberlauchringen ganze fünf Lebensmittelgeschäfte – und damals hatte Lauchringen sicher auch nur ein Fünftel der Einwohnerschaft von heute. Hinzu kamen noch diverse Hausverkäufe von Bauern, was damals noch erlaubt und weil der Ort noch viel agrarischer war, viel verbreiteter war. Angst zu haben, dass er nicht an Lebensmittel kommt, brauchte also niemand. Ab jetzt muss man mindestens 1 km weit fahren, um zum nächsten Lebensmittelladen zu kommen. Für junge Leute mag das keine Entfernung sein, doch wenn man alt ist, scheint das unglaublich weit.

Allerdings trägt genau die Generation, die nun am meisten darunter leiden wird, auch die meiste Schuld an diesem Zustand, hat sie die großen Billigdiscounter doch erst groß gemacht, die nun auch an der Hochrheinschiene und im Klettgau überall draußen auf der grünen Wiese sprießen und den verbliebenen kleinen Läden das Wasser abgraben. Auch Lauchringen hat zwei davon, doch sie liegen für ältere Leute ohne Auto unerreichbar draußen im Industriegebiet. Früher fuhr man dort mal schnell mit dem eigenen Auto hin und freute sich diebisch darüber, gegenüber dem Tante-Emma-Laden soviel Geld gespart zu haben. Nun, da die kleinen Läden fast überall in Deutschland geschlossen haben, weil sie sich nicht mehr lohnten und die Preise nachgezogen haben, steht man im Alter allein und verlassen im Ort, der nun ganz ohne Märkte ist.

Das Problem ist übrigens kein genuin Oberlauchringer Problem, sondern greift deutschlandweit in ländlichen Regionen. In Oberlauchringen stößt es nur insofern auf, da sich die Gemeinde doch als „familienfreundlich“ profiliert und eigentlich auch nicht mehr ländlich ist. Wir haben eine starke Urbanisierung. Das beschränkt sich aber auf neu hinzuziehende, zahlungskräftige junge Familien, welche die vielen Sportmöglichkeiten nutzen können und die nicht auf die Idee kommen, allzuviel im Internet zu surfen, weil es auch damit in großen Teilen von Oberlauchringen immer noch duster aussieht. Ohne eigenes Auto steht man immer noch ziemlich blöd da. Diverse Stolperfallen, die man zur Verkehrsberuhigung auch Radfahrern in den Weg stellt, machen die Wege im Ort alles andere als barrierefrei. Selbst ich hatte da schon einige Beinahe-Unfälle mit meinem Radel bei solchen künstlichen Hindernissen, besonders im Winter sind diese, versteckt unter Schnee, hochgefährlich, und noch bin ich nicht alt und ein ziemlich geübter Radfahrer.

Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren unter Tage zwar regelmäßig, doch es geht fast nichts ohne umsteigen. Das ist für gehbehinderte Senioren ungeeignet, vor allem, wenn sie noch Einkaufstaschen tragen müssen.

Trotzdem sind die Wohnpreise und Einkaufspreise sehr hoch (Grenznähe) und alles das stellt ältere Leute inzwischen vor größere Probleme. Viele haben ihre einstige Heimat inzwischen in Richtung Altersheime verlassen, wo sich kleine Oberlauchringer-Exilanten-Gruppen bilden. Schöner fände ich es allerdings, wenn sich insgesamt realisierbare Strukturen finden ließen, wie man nicht nur diese Gemeinde auf den massiven Wandel der Altersverhältnisse vorbereiten könnte, der in ganz Deutschland bevorsteht.

Es kann nicht sein, dass wir in einer alternden Gesellschaft eine Servicewüste errichten. Sonst ist es wirklich nur eine Frage der Zeit, bis regelmäßig ältere Leute in ihrer Wohnung verhungern, weil sie die Preise nicht mehr zahlen können, oder einfach nicht an Lebensmittel kommen oder an den vielen komplizierten Automaten verzweifeln, die wir überall aufstellen, um Löhne einzusparen.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.