Nachts im Flughafen

Flughäfen habe ich mir immer als riesige Industrietempel vorgestellt, laut, mit wuselnden Menschenmassen. Doch nachts ist das offenbar anders.

Technotempel nach Mitternacht: Leer stehen die Marmorflure...
Technotempel nach Mitternacht: Leer stehen die Marmorflure…

Nachts, während keine Flüge stattfinden, ist der Flughafen fast leer. Eine seltsame, friedliche Stille liegt über den Hallen. Alle Läden und die Terminalschalter sind verschlossen. Nur dann und wann kommt ein Wachmann vorbei und sieht nach dem Rechten, eine junge Frau vom Putzpersonal mit billigen Turnschuhen quietscht vorbei über die Gummiflure, zottelt Müll aus den Bänken und Geländern. Einige verstreute Reisende, deren Züge nach Mitternachts anlandeten, wie ich, betrachten ziemlich ratlos die noch leeren Anzeigetafeln. Wie heilige Bäume, die ein silbernes Sternenfirmament abdecken, stehen die Säulen in einer leeren Landschaft aus glänzendem Marmor. Ein älterer Mann und eine junge Frau schlafen sogar, jeder für sich auf einigen Sitzplätzen querliegend.

Bis 3:00 Uhr bleiben die Terminals geschlossen - das Licht täuscht: Der Flughafen schläft...
Bis 3:00 Uhr bleiben die Terminals geschlossen – das Licht täuscht: Der Flughafen schläft…

Um 3:00 Uhr kommt etwas Leben auf. Die ersten Fluginfos rieseln über die Terminalwände, an den einzelnen Schaltern blinken wie von Geisterhand die Monitore auf – es erscheint ein PC-Bootscreen mit Windows XP, dann der Windows-Desktop, dann wird es wieder schwarz. Wahrscheinlich installiert ein Administrator (oder ein automatisiertes Skript) nun die Software neu. Durch die Hallen laufen Ein-Mann-Putzgefährte. Wartungsarbeiten eben. Ein älteres Ehepaar verweilt eine Weile schräg gegenüber mir, ihre Koffer im lila Partnerlook, dann ziehen sie weiter.

3:30 Uhr: Wir nähern uns offenbar langsam dem Morgen am Flughafen und die Windows-XP-Bootschirme sind den ersten Anzeigen an den Schaltern gewichen. Man sieht viel junges Volk und ich frage mich, ob in meinen Jugendjahren auch schon so viele junge Leute unterwegs waren mit dem Flugzeug. Ich bin ja noch nie geflogen seit meiner Geburt, höchstens mal auf die Nase, aber jedenfalls nicht mit dem Flugzeug. Billigflüge gibt es glaube ich aber auch noch nicht so lange.

Irgendwie kann ich es immer noch nicht fassen, dass diese Zugfahrt bis zum Flughafen ohne Probleme verlief. Keine Verspätung, keine Ausfälle. Wenn ich da an meine letzte Reise denke von vor ein paar Jahren… ich muss deren Ende endlich mal verfassen … Aber vielleicht träume ich das auch alles nur. Flughäfen in der Nacht haben etwas Unwirkliches…

Um Punkt 4:00 Uhr öffnen die Checkins mit den Personenkontrollen, die Absperrgitter fahren hoch und feierlich steht der Security-Service bereit. Ein Beamter steht etwas prominent daneben, wie ein Stationsvorsteher zu den besten Zeiten der deutschen Bahn, ganz früher, stolz und edel mit einem Haarschnitt und einem Gesicht, das an eine Mischung zwischen Schwarzwaldklinik-Chef Dr. Brinkmann und Agent Smith aus „The Matrix“ erinnert. Auch die Läden öffnen jetzt. Die Leute grüßen einander und machen einen glücklichen Eindruck. Ihre Arbeit scheint ihnen Spaß zu machen. Selbst früh am Morgen. Es war mir immer schon ein Rätsel, wie manche Menschen so früh morgens so gut gelaunt sein können.

5:00 Uhr: Für das anstehende Checkin musste ich zwischenzeitlich die Halle wechseln. Terminal 3, wo die Pauschalanbieter hausen, sieht auch gar nicht mehr so edel aus wie Terminal 1. Lange Schlangen bilden sich vor den wenigen Schaltern, die schon geöffnet haben. Das Checkin vollzog sich – nach dem Schlangestehen – dann überraschend schnell und problemlos, auch die Security-Überprüfung ging recht zügig. Das führte aber nur dazu, dass ich gleich nach 5:00 Uhr auf das „Boarding“ warten darf beim Ausgang 361 – und das zwei Stunden lang…

Viele Stunden wachbleiben in Flughafenhallen… glücklicherweise hat dann das Boarding relativ wenig mit dem gefürchteten „Waterboarding“ gemein, man wird nur in einen Flughafenbus gesperrt und bis zum Flugzeug noch eine Weile durchgeschüttelt.

Pünktlich um 7:35 Uhr startet dann die Maschine und wird ihr Ziel bereits nach 3 3/4tel Stunden erreichen – 40 Minuten früher als vorgesehen, denn in diesem Fall haben das Flugzeug und ich mal Rückenwind…

Über Martin Dühning 1523 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.