Mittwoch im Süden

Zu den Nachteilen langer Haare gehört, dass sie einem morgens regelmäßig einen „Bad-Hair-Day“ bereiten, besonders, wenn sie mit Salzwasser in Berührung kamen. Immerhin kann man hinter ihnen auch ein faltiges Gesicht verstecken, wenn man nachts gegen das Hotelbett angekämpft hat.

Ich träume ja oft davon, morgens einmal früh und trotzdem erholt und ausgeschlafen aufzuwachen. Ich hatte eine Kollegin am KGT, die zu der sonderbaren Spezies von Menschen gehört, die wirklich nur mit fünf Stunden Schlaf auskommen. Dadurch können sie bis spät nachts arbeiten und sind frühmorgens trotzdem hellwach und den ganzen Tag ausgeruht und energiegeladen. Meinereiner ist froh, wenn er nach zehn Stunden ausgeschlafen ist und der Morgen dann noch nicht ganz rum. Alles andere tut mir weh. Gut, diesmal wachte ich um 8:30 Uhr Ortzeit auf und zehn Stunden waren es sicher nicht gewesen, aber doch gerade genug für einen Sommerurlaubstag. Vielleicht nehme ich in den nächsten Urlaub wieder mein schullandheimbewährtes Nackenkissen mit, das auch kurze Schlafphasen angenehmer macht. Wäre ich nur nicht auf die Idee gekommen, auf jeden Fall Gepäck zu sparen…

Man nimmt ja doch meist die falschen Dinge mit auf die Reise. Wozu brauchte ich vier Hemden – zwei hätten gereicht. Und die Handtücher hätte ich mir auch sparen können, die gibt es ja im Hotel und überhaupt auch bei der technischen Ausrüstung: Der deutsche Funkwecker weigert sich beharrlich, auf Südzeit umzustellen. Das Tablet erwies sich praktisch als nutzlose Doppelung zum Smartphone und die schwere Spiegelreflexkamera als trügerisch – doch dazu später mehr. Stattdessen das Nackenkissen, und der Urlaub wäre noch entspannter ausgefallen.

Beim Frühstück heute morgen begegne ich dann einem der beiden Ehepaare, die ich zuletzt am Montag um 11:30 Uhr getroffen habe, als uns die Reisebegleiterin von Berge & Meer, das ist mein Reiseunternehmen, begrüßte. Diesmal sah die Ehefrau allerdings gar furchtbar zugerichtet aus – vor allem im Gesicht, das von Blutergüssen und Pflastern übersät war. Schlimmeres aber muss noch mit ihrem Arm passiert sein, der eingegippst war. Aus Gründen der Zurückhaltung fragte ich sie natürlich nicht aus, was geschehen war. Vom anderen Ehepaar erfuhr ich dann, dass die Frau einen Fahrradunfall auf dem Weg nach Teguise gehabt hatte und so zwangsweise die örtliche Krankenversorgung ausgetestet.

Damit erschlossen sich mir drei wichtige Dinge:

  • Die Radwege auf der Insel Lanzarote sind wohl bisweilen tückisch.
  • Medikamente und ärztliche Versorgung in Spanien sind um den Faktor 4 günstiger als in Deutschland.
  • Ibuprofen verursacht manchen Menschen Magenprobleme. (Das war mir noch nie aufgefallen.)

Mit dem anderen Ehepaar führte ich dann noch ein langes Gespräch und brachte in Erfahrung, dass er ein gerade pensionierter Berufsschullehrer aus Niedersachsen und sie Leiterin einer Kindertagesstätte gewesen war. Die beiden wollten nun ein Haus in Fuerte Ventura pachten und schauten sich deshalb nach einer Überfahrt zur Nachbarinsel um, wo sie das Haus zwei Tage probewohnen wollten. Beide kamen aus dem Harz, wo das Wetter aktuell wohl auch nicht viel besser als im Klettgau gewesen war. Doch erwies sich das mit der Überfahrt als recht schwierig, weil ein solcher Transfer den üblichen Rahmen der Reiseveranstaltungen, die im Wesentlichen auf Gruppentagesausflüge ausgerichtet sind, sprengten. Sobald man das Raster der Reiseveranstalter verlässt, ist man ganz auf sich allein gestellt. Das ist noch problemlos möglich, wenn man nur ein Auto oder ein Fahrrad für Tagesausflüge mieten will, aber zwischen den Inseln scheinen unsichtbare Mauern zu bestehen – einfach so das Hotel mal schnell wechseln, geht nicht. Selbst Telefongespräche scheinen eine komplizierte Angelegenheit zu sein, wenn man sie im Hotel zur Nachbarinsel durchführen will und nicht mit dem privaten Handy.

Was mich angeht, hatte ich die meisten Tagesausflüge ausgeschlagen, weil ich mich einfach mal nur in der Sonne ausruhen wollte. Der Timanfaya-Nationalpark-Ausflug lag mir zeitlich zu ungünstig, außerdem waren mir dessen Attraktionen aus Dokumentarfilmen hinreichend bekannt und Vulkane gibt es auch anderswo, z. B. in Neuseeland. Dagegen hatte ich mich für die Nordroute angemeldet, weil ich mir davon einiges an schöner Landschaft und etwas Kultur versprach, denn dort hauste einst César Manrique, der Inselkünstler.

Lukullische Halbpension

Für Freunde mondänen Genusses bietet das Hotel lukullische Mähler dar.
Für Freunde mondänen Genusses bietet das Hotel lukullische Mähler dar.
Mit Liebe zum Detail richten die Köche die Speisen auch optisch ansprechend her.
Mit Liebe zum Detail richten die Köche die Speisen auch optisch ansprechend her – hier Meeresfrüchte beim abendlichen Dinner.
Wer von den vielen Vor- und Hauptspeisen noch nicht genug hat, für den gibt es auch noch viele, viele Nachspeisen...
Wer von den vielen Vor- und Hauptspeisen noch nicht genug hat, für den gibt es auch noch viele, viele Nachspeisen…

Das Mittagessen (wie auch das Essen überhaupt) mit dem freien Büffett finde ich übrigens prima. So gut habe ich schon lange nicht mehr gegessen und es lässt sich zeitlich auch genauso einrichten, wie ich es mag – ganz ohne Wartezeiten. Ich liebe leichte, mediterane Küche mit viel frischem Obst und Gemüse. Sehr schön ist, dass der Grillmeister auf Wunsch auch ein ganz individuelles Menü zusammenstellt. Das ist so, wie in meiner Kindheit meine Mutter in ihren besten Zeiten kochen wollte, es bei der kleinen Küche aber nie geschafft hat. Ich nutzte den Luxus für eine (gemäßigt) festliche Woche mit frischem Fisch (Fleisch von Säugetieren esse ich nicht).

Allein das Salatbüffett kann sich sehen lassen. Eigentlich kann man sich schon hier satt essen.
Allein das Salatbüffett kann sich sehen lassen. Eigentlich kann man sich schon hier satt essen.

Üblicherweise sah ein Menü bei mir dann so aus:

  • Filet (von Fisch, Vogel oder Säugetier, die spezifische Auswahl wechselt täglich)
  • Pfannengemüse nach Wunsch, darüber eine von mehreren möglichen Soßen
  • Auf Wunsch noch Pasta nach Wahl
  • Und frei wählbare Gewürze (je nach gewünschter Schärfe)

Zusätzlich oder stattdessen konnte man noch aus anderen Beilagen wählen, von Pommes bis Risotto oder Paella war alles da, dazu noch eine Auswahl aus gut zwanzig verschiedenen Sorten Salaten, sowie Obst und rohes Gemüse und ein ganzer Tisch mit Desserts.

Ein Hauptgang, wie er mir eigentlich schon reicht: Rotbarsch mit Pasta.
Ein Hauptgang, wie er mir eigentlich schon reicht: Rotbarsch mit Pasta.

Nachdem ich am Vortag zum ersten Mal seit 30 Jahren eine Seezunge auf dem Teller hatte und am Montag Lachs gab es am Mittwoch Seebarsch mit einer Tomatensoße mit gebratenen Auberginen, Champignons, Paprika und Käse, gewürzt mit Oregano, dazu diese Nudeln, die wie kleine Schmetterlinge aussehen. Als Beilage wählte ich sautierten Gemüsereis mit Erbsensalat, Maissalat, zwei Tomatenscheiben und einem Klecks Kräuterdressingsoße.

Das Essen ist besser als ich mir jemals erträumt hätte, insofern war es also richtig, ein Viersternehotel zu wählen – zumal bei der Halbpension alles kostenlos inklusive ist (Frühstück und eine Mahlzeit, entweder Mittags oder Abends). Vollpension hätte ich bei diesem lukullischen Angebot ohnehin nicht verkraftet. Abends esse ich ohnehin meist nur ein Joghurt mit Obst, was ich auch hier beibehielt. Nur die Getränke sind im Restaurant leider nicht inklusive, darüber macht das Hotel wohl sein Geld – das Glas Cola kostet fast 2 EUR. Insofern waren die Bediensteten wohl sehr enttäuscht, dass ich Antialkoholiker bin und die ausführliche Weinkarte geflissentlich ignorierte. An Fruchtsäften war das Angebot eher bescheiden. Apfel- und Orangensaft waren vorhanden, aber nicht wirklich mehr, was einen Abstinenzler zufriedenstellt. Daher blieb ich dann meist bei der gewohnten Cola Light und versorgte mich sonst selbst über den Supermarkt in Verbindung mit dem Kühlschrank in meinem Appartement.

Mit dem Fahrrad über die Insel

Statt bloß eines Citybikes gab es für's selbe Geld sogar ein vollständiges Trekkingbike, das sich für weitere Erkundungsfahrten eignete.
Statt bloß eines Citybikes gab es für’s selbe Geld sogar ein vollständiges Trekkingbike, das sich für weitere Erkundungsfahrten eignete.

Für den Mittwochnachmittag hatte ich mir ja ein City-Bike bestellt, da die aber alle vergeben waren, brachte mir der Fahrradverleiher zum gleichen Preis von 11- EUR pro Tag stattdessen ein vollausgestattetes Trekking-Bike zur Verfügung gestellt. Das Radel macht einen sehr soliden Eindruck: Markenkomponenten wie Shimano-Schaltungen sind verbaut und es ist gut gepflegt. Auch ein Helm war mit dabei, wenn der meinem Wasserkopf auch etwas zu eng war. Das Fahrrad war für mich einen Tick zu klein, doch trotzdem gut befahrbar. Ich nutze es, um die Touristensiedlung endlich einmal hinter mir zu lassen und das Innland zu erkunden.

Die schroffen Felsenküsten Lanzarotes sind nicht unbedingt etwas für Strandlieger, aber wunderbar geignet, um erwandert zu werden.
Die schroffen Felsenküsten Lanzarotes sind nicht unbedingt etwas für Strandlieger, aber wunderbar geignet, um erwandert zu werden.
Felsbrocken in Weiß, Grau, Braun, Rot und Schwarz geben der Landschaft ein sprödes, aber doch irgendwie farbenfrohes Angesicht.
Felsbrocken in Weiß, Grau, Braun, Rot und Schwarz geben der Landschaft ein sprödes, aber doch irgendwie farbenfrohes Angesicht.

Im Norden kam ich sogar bis jenseits der Vulkanberge Richtung Teguise, in Anbetracht des jüngsten Fahrradunfalles im Hotel und weil die Abende hier eher kurz sind und am Fahrrad keine Beleuchtung verbaut war, drang ich aber nicht weiter vor, zumal die Wege immer abenteuerlicher wurden und irgendwann ein Mountainbike vorausgesetzt hätten. Daher blieb ich stehen und machte mit meiner Spiegelreflexkamera einige Bildserien von umliegenden Marslandschaft und auch noch einige Fotos mit meinem Galaxy S3 Mini für Facebook.

Jenseits der Touristenmetropolen trifft man auf ländlichere Kanarenarchitektur.
Jenseits der Touristenmetropolen trifft man auf ländlichere Kanarenarchitektur: Weiße Häuslein mit grünen Türen und Fensterläden in einer sonst marsianisch roten Steinlandschaft.
Offroadpisten sind nur sehr bedingt tauglich für Trekkingbikes. Ein Mountainbike ist hier wohl eher angesagt.
Offroadpisten sind nur sehr bedingt tauglich für Trekkingbikes. Ein Mountainbike ist hier wohl eher angesagt.
Bei blauem Himmel bildet die raue Felslandschaft malerische Farbkonstraste - auch ohne viel Vegetation.
Bei blauem Himmel bildet die raue Felslandschaft malerische Farbkonstraste – auch ohne viel Vegetation.

Danach fuhr ich in einem großen Bogen auf der Landstraße wieder zurück und die gesamte Strandpromenade entlang, bis ich unverhofft auf eine Baustelle stieß, die den weiteren Weg versperrte und die am Vortag noch nicht da gewesen war. So gelang es mir nicht, bis zu Cesar Manriques Hotelanlage vorzudringen, da es bereits dämmerte. Ich verbrachte noch eine Weile damit, den Wellen an einem Strand zuzusehen und begab mich dann zurück zu meiner Bleibe.

Als ich das Rad im Hoteldepot verstaut hatte und Schlüssel wie Helm bei der Rezeption abgab, erfuhr ich, dass für Fahrräder sonst eine Kaution fällig ist. Seltsamerweise hatte der Radverleiher, ein junger Franzose übrigens, von mir keine verlangt. Entweder erkannte er, dass ich den Umgang mit Rädern gewohnt bin, oder es hatte etwas mit dem Radunfall vom Vortag zu tun und er verzichtete daher auf Formalien. Wie auch immer, ich fand es sehr nett von ihm, hatte aber keine Gelegenheit mehr, ihm dafür zu danken.

Abends habe ich dann nochmals einen Satz Postkarten geschrieben und bei der Rezeption abgegeben. Fünfzehn Personen haben von dieser Reise nun eine bekommen, die nächsten Kandidaten sind erst bei der nächsten Reise dran. Ich bin mal gespannt, wie lange die Postkarten brauchen, bis sie am Zielort ankommen. Eigentlich befinde ich mich ja noch in der europäischen Union, geografisch eher in Westafrika. Tja, und nun ist es schon wieder nach Neun Uhr Ortszeit und der Tag damit fast rum.

Ich finde, es war ein sehr schöner Tag. (Jetzt, NACH dem Abend, darf ich ihn ja loben.)

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.