Pendelbewegungen

Oft ist es mit uns wie mit einem Pendel, das ausschlägt, mal kommen wir uns näher, mal schwingen wir auseinander, in Rhythmen, die individuell und wandelbar sind und manchmal gleich schwingen und oft eben auch nicht.

Einst äußerte einer meiner geschätzten Professoren, Herr Aurnhammer, mir gegenüber an einem späten Abend nach einem Literaturgespräch, den Blick sinnierend in die Ferne jenseits der universitären Bücherregale gewandt, es sei doch so im Leben: dass Freunde Menschen seien, die gemeinsam eine Strecke miteinander gehen, bevor sie sich, auf dem Weg zu unterschiedlichen Lebenszielen, wieder trennen und alleine weitergehen. Das ist eine schöne und zutreffende Metapher. Selten im Leben begleiten uns Menschen über die meiste Strecke und wenn, sind sie sehr kostbare Weggefährten – sogar selbst dann, wenn sie Opponenten sind.

Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man selbst diesen Menschen mal mehr und mal viel weniger nahe ist, ganz einfach deshalb, weil Menschen unterschiedlich ticken, oder eben Pendeln. Wir neigen uns in unserem Lebensweg mal mehr auf diese, mal mehr auf die andere Seite und je nachdem, ob der Rhythmus der Schwingungen passt, gesellen wir uns mal diesen, mal jenen Menschen zu. Freilich ist es auch eine Frage der persönlichen Treue, wie man es mit seinen Mitmenschen hält. Doch bisweilen, wenn das Pendel umschwingt, passen Koalitionen einfach nicht mehr und es ist Zeit für etwas anderes oder zumindest einen anderen Lebensrhythmus. Das passt nicht zu den linear-mathematischen Idealvorstellungen, die sich manche Menschen vom Leben oder von Freundschaft machen, aber es passt vielleicht sehr gut zum Pilgern, wo man auf seinem Pilgerweg auch immer wieder mal auf Menschen trifft, die das gleiche Ziel haben, oder ein ähnliches, aber einen anderen Schritt, mal schneller, mal langsamer.

Poetisch gesprochen: Würden wir mehr pilgern, oder wenigstens spazieren gehen, statt immer nur blind per Zielgerade Zielorte anzusteuern, wäre uns das vielleicht bewusst – und dann würden wir vielleicht weniger naiv sein im Umgang mit den Menschen, deren Lebensweg sich von dem unseren trennt, weil der Rhythmus ein anderer geworden ist, und etwas geduldiger mit ihnen sein, statt alles gleich persönlich zu nehmen.

Über Martin Dühning 1517 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.