Seelenmusik für Regentage

Ungewöhnlich melodiös und meditativ, zumal für jemand, der vom Schlagzeugspielen her kommt, sind die musikalischen Seelenlandschaften des isländischen Instrumentalisten und Komponisten Ólafur Arnalds.

Geboren am 3. November 1986 steht Ólafur Arnalds – vom Alter her gesehen – noch relativ in jungen Jahren, doch seine Musik klingt wie Erinnerungen an vergangene Zeiten mit einer Sehnsucht und Tiefe, wie sie für einen Mittzwanziger eher ungewöhnlich ist, sein erstes, hochgefeiertes Album veröffentlichte er damals mit nur 20 Jahren. Stilistisch bewegt sich Arnalds zwischen Hollywood-Klassik, Elektronik und ein wenig klassischem Minimalismus, dessen begrenzte Strukturen bisweilen aber melodisch durchbrochen werden.

Es ist eine Musik, wie sich nicht unbedingt für helle heiße Sommertage anbietet und nicht einmal für laue Nächte, eher für verregnete einsame Abende, womöglich wenn man unterwegs ist und sich heimatlos fühlt. Aber solche Situationen, in denen man zwischen A und B und irgendwie im Niemandsland verweilt, kennt unsere Gesellschaft ja viele, und so verwundert es nicht, dass Arnalds Melodien viele Menschen berühren, gerade auch seiner Generation.

Musikexperten aus der E-Musik werden dagegen argwöhnen, dass Kadenzen und Rythmen oft zu vorhersehbar sind und sein Œuvre bislang nicht unbedingt neue Akzente in der Musikgeschichte setzt. Es ist allerdings genau jener Elitarismus der klassischen Musikszene, der Ólafur Arnalds nach eigenen Angaben seinerzeit dazu brachte, sein Musikstudium abzubrechen und sein Glück ohne den Segen der Elite zu suchen. Seiner Produktivität hat das bestimmt nicht geschadet.

Arnalds, der selbst Multiinstrumtalist ist, setzt bei seinen Kompositionen neben Piano Forte gerne auch Streicher ein, teilweise auch trotz ihrer melodischen Einfachheit sehr eingängige Cellosoli. In je nach Album unterschiedlichem Ausmaß kommen auch elektronische Instrumente zum Einsatz, selten jedoch solistisch, meist stimmungsvertiefend zur Klangfärbung.

Seine jüngste Veröffentlichung trägt den Titel „For Now I Am Winter“ und ist bei Mercury Classics erschienen. Das hellbeige Cover zeigt einen optisch stark gealterten Arnald. Das Album enthält 12 Tracks, die teilweise mit der Stimme von Arnor Dan vertont sind. Dessen sehr melancholischer Gesang kommt beispielsweise auch im namensgebenden 3. Track zum Einsatz, der in allerlei Melismen ein und denselben Satz intoniert, was erdrückend depressiv wirkt und die Seele merklich abkühlen lässt. Es ist kein ganz klirrender Winter, der hier vertont ist, eher eine unbestimmte kalte Nebellandschaft.

Arnalds Talent, Stimmungen durch Musik zu verstärken prädestiniert in quasi zum Filmmusikkomponisten und es ist zu erwarten, dass die vier Filme, für die er 2010-2013 den musikalischen Part beisteuerte, nicht die letzten sein werden.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.