„Banished“ ist der Titel eines kleinen Indie-Computerspieles, welches das nach dem SimCity-Debakel verloren geglaubte Genre der Städtesimulationen rettet.
Das Jahr 2014 scheint ein gutes Jahr für Computerspiele zu werden, was mir gerade recht gelegen kommt. Und es sind nicht die großen Publisher, denen das zu verdanken ist. Da wird – Notch sei Dank – „Age of Wonders“ wiederbelebt, da wächst am Horizont mit „Kingdome Come: Deliverance“ ein vielversprechender Rollenspieltitan heran, in historischem Ambiente und mal ohne Drachen und Fantasy – finanziert über KickStarter. Die Plattform Steam hat sich vom Kopierschutzzwang längst zur brauchbaren Vertriebsplattform für Indie-Studios entwickelt. Zu den Perlen, die es dort zu finden gibt, gehören z. B. StarBound oder Banished.
Das Computerspiel Banished von Shining Rock Software ist eine kleine Städtesimulation in Tradition des alten SimCity oder auch der alten Anno-Reihe von SunFlowers. Ein sehr erfrischendes Stück Städtesimulation, nach der sehr peinlichen Fettnäpfchenansammlung, die sich Electronic Arts mit dem jüngsten SimCity erdreistet hat, das alles mögliche ist, aber sicher keine würdiger Nachfolger der Reihe. Böse Zungen, welche die Publicity des Herstellers wörtlich nahmen, sprechen gar von Lügen und Abzocke. Nach diesem großen Reinfall, den ich mir glücklicherweise gar nicht erst angeschafft habe, nachdem ich einige der fast ausnahmslos schlechten Kritiken dazu gelesen habe, kam ich über einen Artikel der jüngsten Druckausgabe der Computerzeitschrift „GameStar“ auf das kleine „Banished“.
Die GameStar-Redakteure bejubeln das One-Man-Projekt als gelungenes Beispiel, wie man eine Städtesimulation richtig macht – sogar mit echter Individualsimulation. Tatsächlich macht Banished nichts falsch: vernünftig große Karten, kein Online-Zwangsspeichern in der Cloud und eine wirklich echte Simulation der kleinen Bewohnerchen. Gleichzeitig glänzt es mit beachtlichen Wettereffekten und einer durchaus stimmigen Grafik, der man kaum ansieht, dass hier fast alles von einer einzigen Person entwickelt wurde.
Den Titel „Banished“ trägt das Spiel, weil man mit einer kleinen Schar von Flüchtlingen beginnt, denen je nach Startoptionen unterschiedliche Ressourcen zur Verfügung stehen. Dabei macht es nicht soviel aus, welche der Startoptionen man wählt, damit die kleinen Computerwesen die harten Winter überleben, muss man nämlich wirklich immer gut vorsorgen.
Die GameStar erklärt „Banished“ daher zu einem Survivalspiel. Das ist es meines Erachtens aber nicht, es simuliert nur sehr glaubwürdig weiter, welche Folgen nicht ganz durchdachte Bauentscheidungen haben. Baut man beispielsweise viele Häuser, ohne sich um die Nahrungsmittelversorgung zu kümmern, dann verhungern die Siedler logischerweise gleich in ihrem ersten Winter. Kümmert man sich um Häuser und Nahrungsmittelversorgung, vergisst aber die Kleinigkeit eines Holzhackers, müssen stattdessen alle kümmerlich erfrieren. Eine moderate Ressourcenplanung baut dem vor, dann überleben alle. Außerdem ist eine vernünftige Ausbildung (Schule!) der kleinen Siedler unabdingbar, will man auf einen grünen Zweig kommen, denn Kinderarbeit ist zwar billig, doch dumme Siedler verschwenden ihr Leben lang mehr Ressourcen, als sie erarbeiten, ebenso kurzsichtig ist es, wenn man glaubt, mit billiger Kleidung (Winter!) oder billigen Werkzeugen auszukommen.
Berücksichtigt man alle Kleinigkeiten, schafft man es mit bloßer Geduld relativ problemlos, zu einer florierenden Siedlung zu kommen. Dazu muss man aber wirklich sehr langfristig planen, denn bis jeweils eine neue Generation Siedler herangewachsen ist, vergehen viele Jahre, besonders dann, wenn man konsequent auf Ausbildung achtet und Jugendliche nicht als billige Arbeitskräfte einsetzt. Auch Feldbau und besonders Obstgärten haben eine sehr lange Vorlaufzeit. Hat man versäumt, genug Scheunen zu bauen, und die Ernte kann nicht eingebracht werden, war alles umsonst. Wächst die Bevölkerung kurzfristig zu schnell, sind Versorgungsengpässe unausweichlich, denn auch der Gebäudebau selbst dauert lange – schließlich müssen Holz, Steine und Eisen erst abgebaut und in entsprechende Lager gebracht werden. Dafür gibt es im Spiel kein Geld, man kann also jedes Gebäude in die Landschaft planen, Vorräte spielen nur beim Tauschhandel mit einmal im Jahr über den Fluss einschippernden Händlern eine Rolle, die zudem nicht immer das dabei haben, was man haben möchte. Über diese Händler erhält man beispielsweise exklusiv neues Saatgut oder Schafe, Hühner und Rinder, um Viehzucht zu betreiben. Um zu überleben, braucht man beides eigentlich nicht, denn als sehr gewinnbringend erweist sich das jungsteinzeitliche Jagen und Sammeln. Das leicht zu erbeutende Wildfleisch ist übrigens auch eine sehr begehrte Tauschware bei den Händlern, die man ohnehin erst nutzen kann, wenn man mit sehr vielen Ressourcen einen Handelsposten am Fluss errichtet hat. Besondere Optionen schaltet sonst nur noch das Rathaus frei, über das sich bisweilen Nomaden einfinden – die einzige Methode, im Spiel kurzfristig zu neuen (unausgebildeten) Arbeitskräften zu kommen.
Ein echtes Survivalspiel ist „Banished“ für mich damit noch nicht, denn es gibt – von vorzeitigen Kaltwettereinbrüchen im Herbst und Seuchen abgesehen – keine „Feinde“ im Spiel. Weder Räuber, feindliche Heere, noch wilde Tiere bedrohen die kleine Zivilisation. Insofern ist es eigentlich auch „gewaltfrei“, zumindest jedoch konsequent nichtmilitärisch. (Eigentlich eine löbliche Ausnahmeeigenschaft für ein Computerspiel.)
Die wahrscheinlich größte Bedrohung für die kleinen Städter ist eigentlich der Computerspieler selbst, der womöglich etwas Entscheidendes vergessen hat (z. B. einen Arzt oder Brunnen zum Feuerlöschen). Katastrophen sind zudem eher selten. In den 20 Spielstunden bislang kamen mir ein paar Seuchen, ein Feuer und sogar der besonders seltene Tornado unter. Die Seuchen waren dank Hospital verlustlos zu beheben und der Tornado zog an der kleinen Stadt vorbei, ohne Schaden anzurichten. Wenn man umsichtig plant, ist das alles aber kein Problem. Dann kann man sich an einer ausgesprochen hübschen und akuraten Städtesimulation erfreuen, die allerdings in den Spätstadien auch etwas eintönig wirkt. Der überaus größte Teil meiner Siedler starb bislang an Altersschwäche nach einem sehr langen Arbeitsleben.
Am schwierigsten, daher vielleicht auch am interessantesten ist nämlich Startphase, die schon mal 6 echte Zeitstunden dauern kann – und das mit eingeschaltetem Zeitraffer. Hat die Stadt erst mal 70 Einwohner, ist man aber aus dem größten heraus und auch die verfügbaren Gebäudetypen sind dann recht schnell alle gebaut. Für die letzte Phase wäre also noch eine Erweiterung drin, die mehr Gebäudetypen und vielleicht auch tatsächlich ein paar Survivalelemente enthält, wie zum Beispiel Flusspiraten oder Raubtiere. (Aber bitte, BITTE KEINE Zombies!)
Nun wird das Spiel aber – wie bei unabhängigen Steamspielen üblich – permanent weiterentwickelt, erschienen ist es Ende Februar 2014, seither folgen einige Fehlerbehebungen, angedacht sind wohl aber auch Mods, und dann geht ja sowieso fast alles. Man darf also gespannt sein und bleiben. Nicht nur bei diesem Computerspiel.