Zu Besuch bei Dionysios in Syrakus

Ein sizilianischer Musiker bringt in einem Park mit südamerikanischen Gummibäumen ein persönliches Akkordeonständchen dar. (Foto: Martin Dühning)
Ein sizilianischer Musiker bringt in einem Park mit südamerikanischen Gummibäumen ein persönliches Akkordeonständchen dar. (Foto: Martin Dühning)

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Martin Dühning, den Fotoapparat im Gewande. Zwar kam er mindestens 2400 Jahre zu spät, doch entging er so dem Zorn des Gewaltherrschers und konnte ganz unverblümt doch dessen geschichtliche Spuren verfolgen. Und manches mehr.

Dank der „Autostradas“, die heutzutage auch quer durch Sizilien verlaufen, kommt man auch vom Norden recht schnell zum Ziel und kann so über Catania relativ problemlos (freilich nicht ohne frühes Aufstehen) das viel südlichere Syrakus erreichen. Heute eine Stadt von nur mehr etwas mehr als 118.000 Einwohnern, ist es kleiner als Catania und kommt auch nicht an seine ruhmreichen Zeiten heran, als es mit damals 500.000 Einwohnern eine der großen antiken Metropolen war.

Das antike Syrakus

Davon ist im heutigen Syrakus immerhin noch einiges zu sehen – und auch die moderne Souvenierartikelindustrie kann es sich nicht verkneifen, mit allerlei griechisch-antik-anmutenden Keramiken auf jene Zeiten zu verweisen.

Selbst winzige Terracottamasken bei einem sizilianischen Andenkenladen verweisen auf die große griechisch-antike Vergangenheit von Syrakus. (Foto: Martin Dühning)
Selbst winzige Terracottamasken bei einem sizilianischen Andenkenladen verweisen auf die große griechisch-antike Vergangenheit von Syrakus. (Foto: Martin Dühning)

Doch Syrakus hat nicht nur Antike zu bieten, es ist auch eine der großen Städte des sizilianischen Barock. In beiden großen Epochen, Antike wie frühe Neuzeit, kam als Baumaterial der beige-weiße syrakusanische Kalkstein zum Einsatz, der in Steinbrüchen um die Stadt abgebaut wurde.

Die Latomien des Paradieses - einst höllischer Steinbruch, heute ein himmlischer Paradiesgarten (Foto: Martin Dühning)
Die Latomien des Paradieses – einst höllischer Steinbruch, heute ein himmlischer Paradiesgarten (Foto: Martin Dühning)

Die Steinbrüche des Antiken Syrakus, die nahe an einigen bedeutenden Monumenten der damaligen Zeit liegen, waren sodann auch der erste Anlaufpunkt für die Erkundung. Heute heißen sie zwar unter Anderem „Latomia del Paradiso“, das ist aber dem kleinen Paradiesgärtchen geschuldet, das inzwischen im Steinbruch angelegt wurde und sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass Steinbrüche, in denen meist Sklaven oder Kriegsgefangene zum Einsatz kamen, sonst wohl eher einem Vorhof der Hölle glichen.

Zitronen, Orangen, Mandarinen und Orleander blühen heute, wo einst Sklaven in den Steinbrüchen schufften mussten. (Foto: Martin Dühning)
Zitronen, Orangen, Mandarinen und Orleander blühen heute, wo einst Sklaven in den Steinbrüchen schufften mussten. (Foto: Martin Dühning)

Direkt gegenüber der „Latomia del Paradiso“ ist übrigens der Altar Hierons II. zu bewundern, mit seinen fast 200m Grundfläche einer der größten Opferaltare, auf dem für Zeus seinerzeit bis zu 450 Opfertiere gleichzeitig auf den Altar getrieben und getötet wurden. Da nur die Eingeweide geopfert wurden, war das dann für die Bevölkerung, die an der Antike sonst kaum an Fleisch kam, ein gewaltiges Grillfest.

Der Altar Hierons II. im antiken Syrakus, oder was 2500 Jahre später noch davon übrig ist... (Foto: Martin Dühning)
Der Altar Hierons II. im antiken Syrakus, oder was 2500 Jahre später noch davon übrig ist… (Foto: Martin Dühning)

Eine der Hauptattraktionen des antiken Syrakus war und ist aber das Griechische Theater, welches seinerzeit 15000 Zuschauern Platz bot und somit eines der größten griechischen Theater überhaupt war. Als ich die Stätte besuchte, wurde sie gerade wieder für die alljährlichen Festspiele Anfang Mai hergerichtet. Dazu überdeckt man die antiken Sitze wieder mit modernerer Verkleidung, auch die Bühnenfläche wird mit Holz verschalt und Scheinwerfertürme sorgen für eine moderne Ausstattung, denn die Festspiele, oft tatsächlich griechische Klassiker (aber auf Italienisch gehalten) finden heute eher Abends statt und nicht wie früher einen ganzen Tag.

Das griechische Theater der antiken Polis von Syrakus zählt zu den größten seiner Art. (Foto: Martin Dühning)
Das griechische Theater der antiken Polis von Syrakus zählt zu den größten seiner Art. Einst lag es direkt am Meer. (Foto: Martin Dühning)

Oben an der Fassade hat man in späterer Zeit byzantische Gräber in den Fels gehauen, die heute verlassen sind, dafür ist der aus der Antike stammende Brunnen mit griechischem Aquädukt seit etwa 100 Jahren wieder in Betrieb. Er sorgte in der Antike dafür, dass die Schauspielbesucher zumindest nicht verdursten mussten.

Eine der heutigen Hauptattraktionen des archäologischen Parks ist das sogenannte „Ohr des Dionysios“, um das sich viele Legenden ranken über den Tyrannen und seine Kriegsgefangenen, die nach ihrer Gefangennahme dort für den Herrscher schufften und teils zu seinem Vergnügen Theaterverse rezitieren mussten. Die Akkustik in der künstlichen Höhle ist jedenfalls bemerkenswert, was die zahlreichen sizilianischen Schulklassen, die den Ort vor Ostern als Ausflugsziel ansteuerten, lautstark unter Beweis stellten.

Das "Ohr des Dionysios" mit dem Chefredakteur von Anastratin davor posierend.
Das „Ohr des Dionysios“ mit dem Chefredakteur von Anastratin davor posierend.

Das jüngste Bauwerk der historischen Stätten von Syrakus ist das aus der Römerzeit stammende Amphitheater. Es stammt aus dem 3. Jahrhundert und mit seinen 140 Metern Länge und 119 Metern Breite nicht ganz so groß wie das Kolloseum in Rom, dennoch aber beachtlich. Einst war es dreistöckig ausgebaut.

Das Amphitheater stammt aus römischer Zeit, einst reichten seine Ränge bis hoch an die heutigen Baumwipfel. (Foto: Martin Dühning)
Das Amphitheater stammt aus römischer Zeit, einst reichten seine Ränge bis hoch an die heutigen Baumwipfel. (Foto: Martin Dühning)

Ob es tatsächlich wie sein römisches Pendant aber flutbar war für Seeschlachten, ist unter örtlichen Historikern umstritten. Womöglich beschränkte sich die Wasserfläche auch nur auf ein Bassin für Krokodile.

Nachmittag in Ortygia

Von den archäologischen Stätten ging es dann nach Ortygia, wo einst die griechische Kolonisation ihren Anfang genommen hatte und sich heute die historische Altstadt erstreckt. Von der antiken Periode ist aber noch einiges zu sehen, beispielsweise die Ruine des Apollontempels, der einer der ältesten griechischen Großtempel in Sizilien ist. Er hat eine bewegte Geschichte hinter sich und diente verschiedenen Kulturen und Religionen als Kultort, bis er im Mittelalter durch ein Erdbeben zerstört wurde.

Der ehemalige Apollontempel zeigt auch heute noch die antiken Wurzeln des Stadtkerns von Syrakus auf der Halbinsel Ortygia. (Foto: Martin Dühning)
Der ehemalige Apollontempel zeigt auch heute noch die antiken Wurzeln des Stadtkerns von Syrakus auf der Halbinsel Ortygia. (Foto: Martin Dühning)
Andere Gebäude im Stadtkern von Syrakus stammen aus Spätgotik, Renaissance oder Barockzeitalter. (Foto: Martin Dühning)
Andere Gebäude im Stadtkern von Syrakus stammen aus Spätgotik, Renaissance oder Barockzeitalter. (Foto: Martin Dühning)

Auch der Dom von Syrakus hat – wie seine großen dorischen Säulen im Innern zeigen – antike Wurzeln und ist eines der wenigen Kirchengebäude, die aus einem heidnischen Tempel hervorgingen und bis heute kontinuierlich genutzt wurden. Architektonisch erforderte dies allerdings Kompromisse. Vom Standpunkt des Barock ist seine Prunkfassade bedeutsamer als sein Inneres.

Prunkfassade des Doms von Syrakus im Stile des sizilianischen Barock. (Foto: Martin Dühning)
Prunkfassade des Doms von Syrakus, der heute von außen im Stile des sizilianischen Barock erscheint. (Foto: Martin Dühning)
Im Innern verweisen dorische Säulen, die noch aus der Zeit des Athene-Tempels stammen, auf die antiken Wurzeln des Doms von Syrakus. (Foto: Martin Dühning)
Im Innern verweisen dorische Säulen, die noch aus der Zeit des Athene-Tempels stammen, auf die antiken Wurzeln des Doms von Syrakus. (Foto: Martin Dühning)

In direkter Nachbarschaft des Doms auf der Domplaza befindet sich die Barockkirche Lucia alla Badia. Sehr sehenswert sind auch die übrigen Prunkbauten, allesamt in sonnenhellem Kalkstein errichtet, der sich strahlend vom saphirblauen Himmel abhebt.

Der Dom von Syrakus und die Plaza mit Blick auf die Barockkirche "Lucia alla Badia" (Foto: Martin Dühning)
Der Dom von Syrakus und die Plaza mit Blick auf die Barockkirche „Lucia alla Badia“ (Foto: Martin Dühning)
Plaza vor dem Dom von Syrakus mit seinen lichten Kalksteinfassaden (Foto: Martin Dühning)
Plaza vor dem Dom von Syrakus mit seinen lichten Kalksteinfassaden (Foto: Martin Dühning)

Nicht weniger farbprächtig als der Himmel zeigte sich die Bucht von Ortygia. Einst nahm Syrakus hier die attische Kriegsflotte gefangen und setzte der Weltmacht Athen damit ein Ende. Nach dem Verlust von Flotte und einem großen Teil der Bürgerschaft verlor Athen wenige Jahre später die Auseinandersetzung mit Sparta. Heute ist davon in der Bucht nicht mehr viel zu sehen. Sie plätscherte ganz friedlich und gemütlich im Licht der Frühlingssonne und bietet vor allem Segelyachten Obhut.

Panorama auf die Buch von Ortygia mit azurblauem Wasser (Foto: Martin Dühning)
Panorama auf die Bucht von Ortygia mit ihrem azurblauen Wasser (Foto: Martin Dühning)
Blick Richtung Yachthafen in der Bucht von Ortygia (Foto: Martin Dühning)
Blick Richtung Yachthafen in der Bucht von Ortygia (Foto: Martin Dühning)

In direkter Nähe zu ihrem Meeresufer liegt die Quelle der Aretusa, um die sich eine weitere Sage aus der Griechenzeit rankt. Botanische Besonderheit ist, dass die Süßwasserquelle in direkter Nähe zum Meer einer der wenigen Orte ist, wo Papyrusstauden außerhalb Ägyptens und des Libanons natürlich gedeihen. Freilich hat der Papyrus heute in der Altstadt nicht mehr viel Platz zum Wachsen.

Die "Quelle der Aretusa" ist eine Süßwasserquelle in direkter Nähe zum Meer. Darinnen wächst Papyrus. (Foto: Martin Dühning)
Die „Quelle der Aretusa“ ist eine Süßwasserquelle in direkter Nähe zum Meer. Darinnen wächst Papyrus. (Foto: Martin Dühning)

Geht man die Promenade an der Bucht entlang, gelangt man in einen kleinen Park, wo Gummibäume wachsen, die ein städtischer Entdecker einst aus Südamerika mitgebracht hat. Dort traf ich auf Tauben, wilde Katzen und einige belgische Kinder, die mit den exotisch anmutenden Ranken Tarzan spielten. Mich entdeckte dort auch ein sizilianischer Musikant, der mir ein persönliches Ständchen brachte und sich nach einer entsprechenden Spende ablichten ließ.

Ein sizilianischer Musiker bringt in einem Park mit südamerikanischen Gummibäumen ein persönliches Akkordeonständchen dar. (Foto: Martin Dühning)
Ein sizilianischer Musikant bringt in einem Park mit südamerikanischen Gummibäumen ein persönliches Akkordeonständchen dar. (Foto: Martin Dühning)

Gegen Abend war dann die Heimreise angesagt, wieder ging es über die Autostrada in Richtung Catania, das verglichen mit der lichten Kalksteinstadt im Schatten des Ätna schwarz und düster wirkte, ebenso wie die Landschaft. Das Umland von Syrakus mit seinen Zitruswäldern und Canyons wirkt abenteuerlich, an manchen Stellen könnte man problemlos einen Western drehen, das Umland von Catania im Norden, vor allem beim Ätna, ist eine Basaltwüste mit nordeuropäischer Vegetation auf den Höhen.

Heimreise gegen Norden auf der Autostrada - quer durch südsizilianische Kalksteincanyons... (Foto: Martin Dühning)
Heimreise gegen Norden auf der Autostrada – quer durch südsizilianische Kalksteincanyons… (Foto: Martin Dühning)
Im Norden wartet der Ätna... (Foto: Martin Dühning)
Im Norden wartet der Ätna… (Foto: Martin Dühning)

Im Norden wartete bereits eine mächtige Donna. Dazu aber ein andermal…

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.