Am Mittwoch bei sonnigem Wetter war es soweit: Mit dem Jeep ging es zum Ätna – „zur Mutter“, wie die Sizilianer sagen, oder auch einfach zu „Mongibello“, dem Berg.
Über 3320 Meter erhebt sich der Vulkan, fast direkt an der Küste des Ionischen Meeres gelegen, über den Meeresspiegel. Trotzdem unterschätzt man auch direkt an seinem Fuße sehr leicht die gewaltigen Ausmaße des Ätnamassivs. Der Berg ist gewaltiger, als er dem Auge des Betrachters erscheint. Das bemerkt man erst, wenn man fast oben ist.
Zu fünft ging es mit einem echten Landrover zunächst zu einem kleinen Örtchen unten in den Weinbergen. Das sizilianische Dorf erschien recht unscheinbar und im gleichen, eher weniger beglückenden Basaltgrau wie schon Catania. Auch hier konnte man überall an den Straßenecken noch Aschespuren der letzten Eruption erkennen. Nach einem morgentlichen Expresso ging es dann über die Passstraße weiter nach oben. Zitrushaine und Weinberge machten nach einiger Zeit großen Kirschbaumanpflanzungen Platz, es sollte nicht der letzte Klimazonenwechsel sein auf dem Weg nach oben.
Bei einem kleinen Marienschrein machte die Expedition wieder halt. Dort hatte vor Jahren ein Lavastrom ein Dorf verschont, weshalb die dankbaren Anwohner der Madonna ein Bildstöckchen errichteten. Die Lavafelder rundum begannen bereits leicht, mit Flechten zu verwachsen, bis das Land wieder in fruchtbaren Acker verwandelt werden kann, werden aber wohl noch Dekaden vergehen. Weiter ging es die Serpentinen entlang und teils auch querfeldein über das Lavafeld.
Der Verkehr auf der Ätnastraße war vergleichsweise behutsam, vor allem verglichen mit dem Chaos in Taormina, ab und zu begegneten wir aber einem Tross Radfahrer aus Dänemark, die hier ihr Können trainierten (es gibt halt keine Berge in Dänemark).
Die erste große Sehenswürdigkeit war eine Lavahöhle, die wir mit ein bisschen „Adventurefeeling“ erkundeten. Lavahöhlen gibt es beim Ätna einige und nicht nur dort, doch die meisten werden nie entdeckt, da sie unterirdisch und ohne Einwirkung von Gewässern bei Eruptionen entstehen und sich nach außen hin oft erst verraten, wenn sie (teilweise) einstürzen. Die „Räuberhöhle“, die wir besuchten, war schon länger bekannt, da sie bereits im vorigen Jahrhundert zwar nicht als Räuberversteck, aber als Eislager für die Fischerei benutzt wurde. Leider ist sie inzwischen weiter eingestürzt und nicht mehr so groß, wie sie einst war.
Bei der Notstation machten wir eine längere Pause. Die Landschaft hatte sich inzwischen von mitteleuropäisch auf eher skandinavisch verändert. Neben Pinien und einer besenartigen Ginsterart säumten vor allem weiße Birkenstämme die Straßen, die in Zusammenspiel mit dem schwarzen Basaltboden und dem saphirblauem Himmel ein eigenartiges, aber bezauberndes Farbspiel ergaben.
Die Bäume wachsen hier, was auch bemerkenswert aussieht, immer in Grüppchen von drei und vier, damit sich ihre Wurzeln besser ins Basaltgestein graben können. Von Weitem sehen die „Baumbüschelchen“ aus wie Schwämme. Die Luft in etwa 1500 Meter Höhe war klar und frisch, die Temperatur kühler, aber auch trockener als an der Küste. Das war nicht unangenehm.
Letzter Höhepunkt des Vormittags war eine Tour über die Kraterfelder auf der Südseite, nun auf fast 2000 Metern Höhe. Der Schneebedeckte Gipfel lag bereits deutlich vor uns, da aber auch in Sizilien der Winter wärmer als üblich gewesen war, hatten sich die Schneefelder bereits restlos in die Höhe zurückgezogen. Die Sonne schien und in angenehmer Gesellschaft konnte ich die wundersam fremdartig erscheinende Landschaft bewundern.
Die Vulkanologen erklärten uns einiges über die Eigenheiten des Vulkans, der für einen solchen nicht nur blutjung (nur etwa 600.000 Jahre!), sondern ständig aktiv, aber als „guter Vulkan“ auch recht berechenbar ist. (Ganz im Gegensatz zu „Schläfern“ wie dem Vesuv.) Recht gelassen nehmen die Anwohner hin, wenn er wieder einmal Asche und Basalt spuckt, wenn auch die Schäden an Autodächern oder beispielsweise Solarpanelen beträchtlich sein können. Andererseits ist „die Donna“ auch für die außerordentliche Fruchtbarkeit der Region verantwortlich. Die Anwohner möchten ihren Vulkan jedenfalls nicht missen und einige der Vulkanologen haben hier auch eine neue Heimat gefunden. Wahrlich, das Ätnamassiv hat einen besonderen Flair und strahlt eine eigenartige Schönheit aus, der auch ich mich nicht entziehen konnte.
Nach der Kraterwanderung ging es wieder bergab und die Gruppen trennten sich. Während meine Begleiterinnen ein rustikales Mittagessen und eine Wanderung durch Wasserschluchten auf der Nordseite erwarteten, machte ich mich auf den Weg nach Taormina, wo mich nach dem eher „nördlich“ wirkenden Ätna wieder tief mediterranes Flair erwartete.
Nächster Halt: Taormina…