Kaum ein Land auf der Welt hat so viele verschiedene Kulturen gesehen in den letzten 3000 Jahren wie Sizilien. Das hatte auch kulinarische Folgen: In der sizilianischen Küche ist eigentlich nichts unmöglich.
Auf der kurvenreichen Rückfahrt vom Ätna zählte uns der heimische Vulkanologe mal schnell auf, welche Kulturen in den letzten Jahrtausenden in Sizilien ihre Spuren hinterließen: Sikilier, Phönizier, Griechen, Kartharger, Römer, Byzantiner, Araber, Wikinger, Normannen, Staufer, Franzosen, Spanier, Savoyer, Italiener und am Ende des Zweiten Weltkrieges sogar kurz Engländer und Amerikaner. Alle diese Kulturen nahmen nicht nur, sondern leisteten auch ihren Beitrag zur sizilianischen Lebensart. Am deutlichsten ist dies sicherlich in der Architektur und Kunst zu beobachten, doch am nachhaltigsten in der sizilianischen Küche.
Die Besonderheiten der sizilianischen Küche, insbesondere die vielen Süßspeisen, fielen mir leider erst auf, als ich meinen Magen schon reichlich mit gewöhnlicher Weizenmehlpasta zugekleistert hatte. Daher musste ich mich im zweiten Teil meiner Reise etwas einschränken und konnte nur noch in Maßen Spezereien genießen.
In meinem örtlichen Lieblingsrestaurant in Recanati zeigte mir der Wirt aber seine hausgemachten Cannoli, Cassata – beide mit süßen Ricotta-Käse zubereitet, eine Kombination, die auf mich so exotisch wie auch lecker wirkte. In Syrakus testete ich das dortige Pistazieneis, was um Klassen besser ist als die hierzulande, in Taormina stieß ich auf einen ganzen Laden mit Frutta di Martorana (Marzipanfrüchte). Abnehmen sollte man also nicht unbedingt wollen, wenn man die sizilianischen Süßigkeiten durchprobieren will.
Die größten Spezialitäten der sizilianischen Küche entgingen mir aber – für alles war mein Urlaub auch zu kurz, mein Appetit zu klein und da ich mich diesmal auch auf Siziliens Ostküste beschränkte, entgingen mir auch die regionalen Gerichte der Liparischen Inseln, die des tiefen Südens, des hohen Nordens und der sizilianischen Westküste. (Allein der Küche wegen bietet sich also noch eine weitere Sizilienreise an.)
Buchtipps
Bis es aber soweit ist mit einer neuerlichen Sizilienreise gibt es aber auch in deutschen Landen immerhin Lektüren, die einem schon mal den Mund wässrig machen können. Einen recht gelungen aufbereiteten Querschnitt durch die kulinarischen Landschaften Siziliens bietet beispielsweise das von William Dello Russo geschriebene und im Gerstenberg Verlag erschienene Buch „Echt Italienisch – Sizilianische Küche“.
Auf 288 Seiten werden nicht nur in Zusammenarbeit mit sizilianischen Starköchen die bekanntesten Rezepte der Sonneninsel vorgestellt, sondern durch professionelle Fotografien präsentiert, ebenso malerisch-fotografische Szenen von Siziliens Land und Leuten dargeboten. Das Buch ist dabei sehr übersichtlich gegliedert in die Rubriken Vorspeisen, Fleischgerichte, Desserts, Aromakunde, Weine und bietet am Schluss auch noch ein kurzes Glossar mit den wichtigsten kulinarischen Fachbegriffen. Die Verarbeitung des Bildbandes ist sehr Wertig, ebenso die Typografie. Es macht daher Spaß, das Buch zu durchstöbern, selbst wenn man selbst kein ausgemachter Küchenexperte ist.
Nicht auf Sizilien beschränkt, aber vielleicht gerade deshalb eine gute Ergänzung zum erstgenannten Buch ist der Bildband „Limoncello und Lavendelwasser – Die vergessenen Schätze der italienischen Küche“ von Tessa Kiros.
Das Buch ist bei Knesebeck erschienen und führt auf 338 Seiten in die kulinarische Lebensart Italiens ein. Es schwelgt dabei oft in nostalgischen Erinnerungen (auf fotografisch) und ist daher so etwas wie eine italienische Variante von „Was Großmutter noch wusste…“ Gerade das macht es aber zu einem wertvollen Gegenspiel zur realen deutschen Alltagsfastfoodküche, man kann sich also einiges interessantes davon abschauen, um mehr Stil und Ruhe in seinen eigenen Lebensalltag zu bekommen und viele der Tipps und Rezepte sind gar nicht mal so schwer umzusetzen, beispielsweise die Herstellung von Kräutersalzen oder Aromazuckern.
Der Band enthält natürlich aber auch komplexere Gerichte, bei denen etwas Küchenerfahrung sicher nicht schaden kann. Auch Kiros‘ Bildband ist gut gegliedert, wenn das auch etwas vielgestaltiger versteckt ist zwischen allerhand nostalgisch wirkenden Fotografien. Neben den Hauptgattungen Vorspeisen, Gemüsegerichte, Geflügel- und Kaninchen, Fisch und Meeresfrüchte, Süßigkeiten, Gelateria sind auch dem traditionellen Einkochen und Sterilisieren sowie überbrachten Tipps zur Wäscheauffrischung und zur Einrichtung einer Speisekammer eigene Kapitel gewidmet. Glossar und Register stehen ebenfalls zur Verfügung.
Literaturangaben
- Dello Rosso, William: Echt italienisch! – Sizilianische Küche. 80 traditionelle und moderne Rezepte. Gerstenberg Verlag 2013, ISBN 978-3-8369-2778-9, für 26,- EUR
- Kiros, Tessa: Limoncello und Lavendelwasser. Die vergessenen Schätze der italienischen Küche, Knesebeck Verlag 2013, ISBN 978-3-86873-659-5, für 29,95 EUR