Neues aus den Niarts-3D-Laboratorien

Seit bald 20 Jahren widmet sich Nitramica Arts der Erstellung von 3D-Grafik. Von den ersten mit PovRay erstellten Strukturen bis heute hat sich allerdings schon einiges getan. Einen optischen „Turing-Test“ bestehen unsere Figuren zwar immer noch nicht, aber sie sehen lebensechter aus – wenn wir das wollen.

„Lebensechte“ Charaktere in 3D. Gut, oft wollen wir das gar nicht. Denn Programme wie DAZ Studio sind doch oft eher dazu getrimmt, grafische Vorurteile zu replizieren. Für unsere Graphic Novel „Jany Jade – Dream Logic“ nutzen wir daher eine Shadertechnik, die einen Zeichenstil imitiert und Formen, die eher dem Comicstil entsprechen. Es geht aber durchaus auch fotorealistisch mit 3D, was zwar nicht lebensecht ist, inzwischen aber realistischer als vor einigen Jahren.

Ein generisches Pferd in der Texturierungsansicht von DAZ Studio 4.6+.
Ein einfaches generisches Pferd in der Texturierungs- und Renderansicht von DAZ Studio 4.6+.

Inzwischen hat sich DAZ Studio zu einem überaus nützlichen und vielfältigen Programm gemausert. Kleidung passt sich inzwischen weitgehend automatisch an die Formen an, auch ohne zusätzliche Dynamikplugins, wenngleich auch nicht physikalisch korrekt. Gruppenszenen und selbst komplette Tanz-Animationen lassen sich damit recht simpel erstellen. Die verbesserte Shadertechnik beherrscht mehrschichtige Subsurface-Oberflächen. Damit lassen sich auch in DAZ Studio Flüssigkeiten, Metalle und sogar organische Strukturen per Mausklick zuweisen. Selbst Haut kann man damit inzwischen recht gut simulieren dank fortgeschrittener Skinshader. UberSurface ist inzwischen fester Bestandteil des Hauptprogramms, es führt zu einer weit realistischeren Belichtung, sodass sich auch ganz ohne hyper-realistische Zusatzrenderer wie Octane recht Beachtliches erstellen lässt. (Natürlich fordert eine realistischere Belichtung gewisse Konzessionen an die Renderzeit.)

Tanzpärchen, bestehend aus 2 x Genesis 1 - besonders an der männlichen Variante erkennt man typische Stereotypen: Zu glatte, symmetrische Formen und schablonenhaftes Haar. Realistischer wäre ein unvollkommerer Körper.
Tanzpärchen, bestehend aus 2 x Genesis 1 – besonders an der männlichen Variante, die weitgehend auf Genesis Michael 5 basiert, erkennt man typische Stereotypen, wie sie leicht unterlaufen: Zu glatte, symmetrische Formen und schablonenhaftes Haar. So erinnert es eher an Barbiepuppen. Realistischer wäre ein unvollkommenerer Körper und asymmetrische Gesichtszüge.

Ein Schwachpunkt generischer Figuren ist neben der Form, die oft zu glatt und symmetrisch wirkt, vor allem auch das Haar. Die meisten für DAZ Studio gebräuchlichen Frisuren sind immer noch per Transparenzen realisierte „einfache“ Meshes, was in Nahansichten entsprechend „gehobelt“ wirkt, sowohl, was Einzelgrafiken angeht, aber auch besonders bei Animationen, wo man schlecht hunderte von Grafiken nachretuschieren kann. Es gibt zwar schon realistischer wirkende Zusatzplugins wie z. B.  „Look At My Hair„, doch komplexe Frisuren wie etwa Zopfgeflechte lassen sich damit noch nicht bewerkstelligen; dafür aber durchaus Pelzstrukturen, wie sie im Tierreich vorkommen: Realistische Wölflein, Löwen oder Waschbären sind also inzwischen möglich.

Ägyptischer Prinz, gerendert mit DAZ Studio 4.6+ - das Figurenmesh basiert auf Genesis 1, die Kleidung wurde von DAZ Michael 4 auf Genesis konvertiert. Die dabei auftretenden üblichen Schäden (vgl. Kopftuch) machen die Rüstung in diesem Fall sogar lebensechter.
Ägyptischer Prinz, gerendert mit DAZ Studio 4.6+ und dem mitgelieferten UberEnvironment (Belichtung) – das Figurenmesh basiert auf Genesis 1, die Kleidung wurde von DAZ Michael 4 auf Genesis konvertiert. Die dabei auftretenden üblichen Schäden (vgl. Kopftuch) machen die Rüstung in diesem Fall sogar lebensechter. Außer den obligatorischen Schärfefiltern und dem Logo wurde nach dem Rendern keine weitere Retusche getätigt.

Theoretisch lassen sich mit DAZ Studio 4.6+ auch ganze Landschaften gestalten (z. B. Rasenflächen). Allerdings verfügt DAZ Studio nicht über die speichertechnischen Optimierungen um 100.000 Instanzen von Bäumen, Blumen oder Grashalmen zu gewährleisten. Daher sind Tricks nötig wie Bitmaphintergründe oder „Kulissen“. Auch dynamische atmosphärische Effekte sind eher eine Domäne der Landschaftsrenderer. Hier ist dann wohl noch immer Bryce oder dem moderneren Vue der Vorzug zu geben. Eine leichte Crux bei der Verwendung von Vue mit DAZ Studio ist, dass die beiden Programme nicht ganz so interoperabel sind wie DAZ Studio und Bryce. Aber auch Bryce konvertiert beim Import die Texturen. Gerade Figuren sehen dann mangels Shaderkompatibilität nicht mehr so realistisch aus – selbst wenn man auf spezielle Skinshader für Vue zurückgreift (z. B. SkinVue). Das ursprüngliche „Look & Feel“ der Textur geht dabei allerdings verloren. Die letztlich praktikablere Methode ist daher immer noch, die Szenen einzeln in den Programmen zu rendern und später bei der Retusche mit Overlaytechnik übereinander zu legen. Das spart auch viel Renderzeit.

Der "freundliche Ork von nebenan" - in der Texturierungsansicht von DAZ Studio 4.6+ - die Basisfigur ist Genesis 1, der Ork-Morph wurde mit GenX von Victoria 4 importiert. Die Texture stammt von "Talarian Alien" für Genesis I. Um wirklich "lebensecht" zu wirken, fehlen allerdings noch die für Orks typischen Narben - selbst die Ohren sind zu unversehrt für eine Kriegerkreatur der Finsternis. All dies muss per Retusche nach dem Rendering von Hand hinzugemalt werden.
Der „freundliche Ork von nebenan“ – in der Texturierungsansicht von DAZ Studio 4.6+ – die Basisfigur ist wieder Genesis 1, der Ork-Morph wurde mit GenX von Victoria 4 importiert. Die Textur stammt von „Talarian Alien“ für Genesis I. Um wirklich „lebensecht“ zu wirken, fehlen allerdings noch die für Orks typischen individuellen Narben – selbst die Ohren sind zu unversehrt für eine Kriegerkreatur der Finsternis. All dies muss per Retusche nach dem Rendering von Hand hinzugemalt werden.

Was die Gestaltung von Charakteren angeht, ist dank der Figur Genesis, die sich in fast beliebige Formen morphen lässt, inzwischen kaum etwas unmöglich. Passende Zusatzattribute wie Kleidung oder Haarmeshes passen sich den Formen (fast) automatisch an. Wir verwenden auch 2014 immer noch die Version 1 von Genesis, da diese geschlechtsneutral und daher am vielfältigsten ausbaubar ist. Dass ab Version 2 wieder eine „männliche“ und eine „weibliche“ Grundform getrennt vorliegen, fassen wir aus Anwendersicht eher als Rückschritt auf, da es nun wieder zwei verschiedene Morph- und Clothingtypen gibt, die Kompatibilität also wieder abgenommen hat.

Allerdings haben wir festgestellt, dass sich mit dem Zusatzplugin GenX sogar Morphs von den beiden neuen Versionen Genesis 2 auf die Version 1 rückportieren lassen. Für Texturen gilt dies leider nicht (hier fehlen Genesis 1 von Haus aus die passenden UV-Maps für Genesis 2). Wir werden also bei Genesis 1 bleiben, solange es geht. Die Vorteile der 2. Generation von Genesis, wie die höhere Polygonauflösung, nutzen uns kaum etwas. Für unsere „kleinformatigen“ Grafiken (wir tapezieren ja keine Plakatwände) reicht Genesis 1 völlig aus.

Beispielgrafiken finden sich in unserer Grafikgalerie auf DeviantArt.com.

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.