Was bleibt und was verloren ist

Das Hochrhein-Gymnasium mit Festbanner am 19. Juli 2014 (Foto: Martin Dühning)
Das Hochrhein-Gymnasium mit Festbanner am 19. Juli 2014 (Foto: Martin Dühning)

Samstag, der 19. Juli 2014 war ein großer Tag für das Hochrhein-Gymnasium. Bei prächtigstem Hochsommerwetter gipfelte das 200jährige Jubiläum in einem ganztägigen Schulfest, im Unterschied zum Zwillingsfest vom Vortag nun vor allem für Ehemalige und die sonstige Öffentlichkeit.

Als (noch) ehemalige Lehrkraft des Hochrhein-Gymnasiums ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, meiner einstigen Schule einen Besuch abzustatten. Die 35 Grad hochsommerliche Hitze ließen mich allerdings schon aus der Puste kommen, als ich nachmittags ankam, wahrscheinlich auch manch andere Besucher, sodass ich die Festzelte im Hof in der Mittagssonne mied und mir erst mal ein kühles Plätzchen im Innern suchte. Dort prangten an den Wänden, in Vitrinen und auf den Tischen in den Klassenzimmern viele Schüler- und Lehrerarbeiten. Als Erstes kaufte ich mir gleich ein dunkelblaues HGWT-T-Shirt und eine saphirblaue Festschrift und wehrte höflich einen sehr freundlichen Versuch ab, mich für den dortigen Förderverein zu gewinnen (denn ich bin bereits seit 12 Jahren Mitglied).

Ich verfüge über ein hervorragendes Bild- und Situationsgedächtnis und so erkannte ich auch viele alte Persönlichkeiten aus der Zeit von vor 11 Jahren, musste dann allerdings, wie fast immer, feststellen, dass sich diese nicht ganz so gut an mich erinnern konnten wie ich mich an sie. Schulen, so sagte mir mal ein alter ehemaliger Kollege am Klettgau-Gymnasium, sind eigentlich Orte des Vergessens, und das spürte ich auch. Von meinen heiß geliebten Schülern von damals traf ich immerhin noch vier, allerdings keinen aus der alten Knuddel-7c, was mich etwas traurig stimmte, die einzige Schülerin von damals, die sich überhaupt zum Treffen angemeldet hatte, verpasste ich wohl.

Gerade weil aber das Vergessen an Schulen der Normalfall ist bewundere ich die Kontinuität und das Geschichtsbewusstsein am Hochrhein-Gymnasium, um das ich mich in meiner Zeit am Klettgau-Gymnasium zwar mit aller Kraft, doch letztlich immer vergeblich mühte. Tradition und die eigene Vergangenheit scheinen am Hochrhein-Gymnasium recht lebendig, das zeigte sich beim Jubiläum, und ich beneide die Lehrkräfte dort darum, ein solches Fest – 200 Jahre Schule – überhaupt feiern zu dürfen. (Ja ich weiß, es macht viel Arbeit aber es ist doch etwas ganz Besonderes.)

Als Gast habe ich es aber auch genossen, immerhin trug ich mal zur Abwechslung keinerlei mühevolle Verantwortung und die Feierlichkeiten schienen auch sichtlich sehr gut organisiert. Das einzige, was mich etwas wurmte war, dass ich kaum Gesprächspartner fand. Umso mehr hatte ich Zeit, die Volksfeststimmung einfach in aller Ruhe zu beobachten.

Was ich entdeckte, waren außergewöhnlich viele in rege Gespräche vertiefte ältere Personen aus meiner eigenen Vergangenheit, teils auch meine Grundschul- und Gymnasiallehrer, die alle selbst einmal Schüler am Hochrhein-Gymnasium gewesen waren, und viele Persönlichkeiten, die in meiner Gemeinde (Lauchringen) engagiert sind. Die meisten sind selbst schon pensioniert. Am eindrücklichsten bleibt mir die Begegnung mit dem vor Freude strahlenden älteren Herrn vom ABI-Jahrgang 64, der mit wässrigen Augen davon erzählte, er habe gerade liebe Schulkameraden getroffen, die er nun seit über fünfzig Jahren nicht mehr gesehen habe – und genau für diese älteren Semester war der Tag wohl wirklich ein Geschenk, ein lokales Alumni-Treffen, wie es ein solches wohl nur einmal im Leben gibt. Für sie wurde die längst verflossene eigene Vergangenheit wieder für einen Tag lebendig und das bereitete ihnen sichtlich Freude. Es ist eine große Gabe, Menschen so ein Geschenk machen zu können.

Aus meiner kurzen Zeit am HGWT von vor 11 Jahren fand ich dagegen nicht mehr soviel vor. Daher freue ich mich, dass ich ganz unabhängig vom Jubiläum von meiner kurzen Lehrerzeit vor 11 Jahren ja noch meine eigene kleine private „Reliquiensammlung“ besitze – inklusive Bügeleisen – die mich noch lange an meine alte 7c, 8c und 11a/b erinnern wird – eine noch junge Generation, für die das Fest nicht ganz so einmalig war, weil sie sich ja als Gruppe jederzeit auch über Facebook & Co treffen können.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.