Volle Kanne, Hoschi!

„Bunt ist das Dasein und granatenstark“, so lautete der zum Kult gewordene Mottospruch einer amerikanischen Zeitreisekomödie in den 80ern, und wie es scheint, hat uns diese Zukunft eingeholt.

Retro ist in. Vor Kurzem jährte sich ja eine andere Kulttriologie der 80er Jahre, „Zurück in die Zukunft“ , denn der 23. Oktober 2015 trat ja nun ein. Die Zukunft erwies sich zwar als etwas anders als vorausgesagt, aber doch nicht ganz so trist wie bei der „Terminator„-Filmreihe. Obwohl, ganz so quietschig schrill wie in den 30 Jahre alten Utopien wurde die Zukunft ja doch nicht Gegenwart. Im Gegenteil, Grau war 2015 leider immer noch eine Modefarbe und das Dasein im Jahr 2015 ist zwar doch zuletzt kulturell bunter ausgefallen, als zu erwarten war, aber eben global doch auch leider recht granatenstark.

Es mag eine flache und flapsige Komödie gewesen sein, die Regisseur Stephen Herek da unter dem Titel „Bill & Ted’s Excellent Adventure“ 1988 in Szene setzte, vielleicht noch etwas flacher als die noch deutlich populärere „Back to the Future-Triologie von Robert Zemeckis. Die Story ist ob ihrer Untiefen schnell erzählt: Zwei Teenager, Bill und Ted (gespielt von Alex Winter und einem sehr jugendlichen und noch quietisch bunten Keanu Reeves mit Wuschelfrisur) träumen von ihrer eigenen Metall-Band, doch in ihrer schulischen Lebensrealität in San Dimas stehen sie kurz vor dem Durchfallen. Hilfe naht aus der Zukunft in Form einer zeitreisenden Telefonzelle (Doctor Who lässt grüßen), mit der sie die Aufgabe, ein quasi grenzenloses Referat über historische Persönlichkeiten zu halten, doch noch erfüllen können. Die beiden lösen das Problem, in dem sie eher ziellos in die Vergangenheit reisen und die nächstbesten Persönlichkeiten aus der Weltgeschichte einfach kurzerhand in das Jahr 1988 entführen, wo alles in einer multimedialen Bühnenshow gipfelt. Philosophische Tiefe oder geschichtspädagogischen Hintersinn sucht man im Film vergeblich. Der Film bleibt oberflächlich und nimmt weder sich noch seine Figuren ernst. Und doch zeichnet die Komödie so ein zukunftsträchtiges Sujet der späteren Generation Golf und ihrer Lebenswünsche, die sie sich in den folgenden 30 Jahren erfüllte.

Es ist ja so eine Sache mit dem Wünschewünschen. Einiges, was sich die Jugendlichen der 80ziger erträumten, die Generation eines Keanu Reeves und Alex Winter, wurde ja nun tatsächlich umgesetzt, aber doch nicht so, wie in der Komödie „Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit“. Jeder darf heute unhinterfragt seine eigene E-Gitarre haben, seine eigene Band, seine Ich-AG. Selbstbestimmung ist nicht nur erlaubt, sondern Ideal der Gesellschaft. Allerdings nicht ganz im Sinne der Aufklärung, denn mit Vernunft muss und sollte sie vielleicht gar nicht gekoppelt sein. Man muss das ganze eher aus dem Blickwinkel der Erlebnisgesellschaft sehen: Selbstverwirklichung und Konsumindustrie haben sich tatsächlich weltweit über die schnöde vernünftige Bildungskultur erhoben, alle spießbürgerlichen Hemmungen und Grenzen sind niedergerissen – doch dem Weltfrieden hat uns das keinen Schritt weiter gebracht. „Multikulti“ hat sich eher, wie im Film burlesk vorweggenommen, als dreiste Mixtur interkultureller Untiefen erwiesen. Aus dem kritischen Sokrates (Philosophie) wurde tatsächlich so ein platter, im Leintuch wandelnder Frauenheld, aus Beethoven (Musik) ein Junkie, Jean d’Arc verehrt nicht mehr Gott sondern fröhnt als Aerobikleiterin fast überall der neuen Körperkultur und die erlesene Schar historischer Prominenz wird inzwischen nicht nur mehr in Komödien angeführt von allerlei Westernhelden, dem neuen Typus des Politikers, flankiert von mundgerecht zubereiteten, absolut alternativlos politisch korrekten Abraham-Lincoln-Paraphrasen.

Trotz vielfach propagierter Willkommenskultur (muss man etwas propagieren, was selbstverständlich sein sollte?) sind wir so 2015 noch meilenweit entfernt vom „be excellent to each other“ entfernt, welches im englischen Original von Hereks Komödie jenes „bunt ist das Dasein und granatenstark“ der deutschen Synchronisation ersetzt. Letztere erwies sich oft irgendwie als prophetischer, sprachlich aber auch spritziger. Das machte den Film sicher auch zum Kult beim deutschen Publikum. „Bunt ist das Dasein und granatenstark„, vor allem das letzte Wort stimmt 2015, so bitter das ist. „Volle Kanne, Hoschi“ geben wir uns Heavy Metal 2015 leider weniger musikalisch, als in Natura, rüstungsindustriell – wie gesagt, vom allgemeinen Weltfrieden sind wir noch weit entfernt. Mehr Konsum gab es allerdings nie: Das Einkaufszentrum von San Dimas ist inzwischen global. Lachen können allerdings nur die Bessergestellten darüber. Solche, die sich erfolgreich selbstverwirklicht haben.

Insofern darf man die Lebensträume der Generation Golf, die Selbstverwirklichung teils um jeden Preis durchsetzte, halb erfüllt und als halb gescheitert ansehen. Bevor man nun aber die Generation um die 80ziger Jahre als gänzlich verkommen ansieht, wenn man sie so an ihren seichten Jugendfilmen misst, sei der kritische Hinweis darauf erlaubt, welche Zukunft sich man sich eigentlich heute herbei wünscht, wenn die tägliche Zombieapokalypse die Populärkultur erfüllt und Vampirliebschaften neben allgegenwärtigen Überlebenskämpfen alles ist, was noch erträumt wird, und das nicht nur an Halloween, dem Hochfest des Zombie-Egoismus.

Wegen mangelnder Zukunftsaussichten wurden auch Zeitreisen inzwischen weitgehend gestrichen. Heute ist ja eh alles alternativlos. Da ist mir dann das „Volle Kanne, Hoschi!“ fast noch lieber.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.