Es regnete und regnete, wir saßen in unserem Appartement in Stettin und hatten keine Lust mehr. Denn Stettin wirkte verglichen mit Danzig grau, klobig und modernistisch. Außerdem hatte uns die Radpanne vom Vortag die Lust zu weiteren Autofahrten verleidet.
So wurde dann nichts aus dem geplanten Ausflug zur Halbinsel Wolin, und auch das Stettiner Haff insgesamt blieb erstmal unerreichbar. Andererseits hatten wir ein bildhübsches Appartment im Sonderangebot ergattert, das uns eine komplette Küche, ein Wohnzimmer mit Nobelfernsehen und ein Bad mitsamt Waschmaschine und Bügeleinrichtung bot. Das musste man doch auch mal nutzen, und so übten wir einen Abend und einen Morgen lang „wohnen auf neupolnisch“.
Nun gut, diese Wohnung und der Plattenbau insgesamt entsprach genau dem, wie ich freiwillig im Leben NIEMALS wohnen wollte. Es war ein grauklotziger Neubau in einem Neubauviertel, die Wohnung war von einem Designer konzipiert worden, der mehr Wert auf moderne Optik, als auf Praktikabilität legte – einiges war eher Attrappe als nutzbar, beispielsweise die Verdunklung, aber auch die Schlafzimmertüre, die sich nicht wirklich schließen ließ und ein „Garten“ der nur aus Gittern und einem kleingeschnippelten Rasen bestand – und besonders irritierte uns der Umstand, dass der Wohnblock mit seinen Absperrgittern, den Sicherheitsschranken und seinen doppelten und dreifachen Schlössern eher einem Hochsicherheitstrakt glich. Dazu kam eine Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 6 Uhr. Das alles beruhigte uns keinesfalls, eher überlegten wir, warum man hier in Stettin auf solche Sicherheitsmaßnahmen so großen Wert legte. Stand ein Aufstand bevor oder erwartete man die Zombieapokalypse?
Wie auch immer, es war durchaus ein Erlebnis, irgendwann kam auch wieder die Sonne raus und wir machten uns auf, die Sehenswürdigkeiten von Stettin zu suchen. Dazu brauchten wir eine Weile, denn sie liegen nicht ganz so dicht wie in Danzig und sind auch oft modern zugebaut. Stettin ist und bleibt eine Industriestadt.
Zunächst erreichten wir den Hochhauskomplex PAZIM, dann die Philharmonie in Stettin, die einer Aneinanderreihung riesiger Container glich. Direkt dahinter lag der plac Solidarności, den wir zuerst für eine Scating-Arena hielten.
Die nebenliegende St. Peter und Paul-Kirche war abgeschlossen und darin herrschte wohl ohnehin ein Fotografierverbot. Also machten wir uns weiter auf zum Schloss der Pommerschen Herzöge, wo wir die Tourismuszentrale besuchten und ein wenig im Hof flanierten, der gerade für ein Konzert bestuhlt wurde.
Von dort aus, weil die Eingänge versperrt waren, machten wir uns über eine Hintertreppe mit Umweg auf zur Hafenpromenade und verfehlten so den Heumarkt. Dafür kam wenigstens beim Hafen etwas Urlaubsfeeling auf, weil sich das Wetter besserte und es hier auch einigermaßen fotografische Ansichten gab. Leider hatten die Straßenplaner eine riesige Betonbrücke genau in die Hafenansicht geplant, die den alten Hafen und die Hakenterrasse voneinander abschnitt.
Zur Hafenterrasse schlenderten wir als nächstes. Dies ist ein durchaus prächtiges, allerdings auch brachial monumentales Denkmal, das etwas zu sehr die preußische Überlegenheit um die Jahrhundertwende in Architektur goss. Insofern war mir dieser Baustil etwas zu bombastisch.
Daneben befindet sich das Gebäude der ehemaligen Provinzregierung von Pommern, heute ist es Teil der Universität. Von dort aus wanderten wir über den Stadtpark wieder zurück zu unserem Appartmentkomplex und verbrachten dort den restlichen Abend und unsere letzte Nacht in Polen – denn am folgenden Tag sollte es nach Berlin weitergehen.