Das Huawei P9 genießt auch unter Fotografen inzwischen einen guten Ruf, zwar handelt es sich um ein Smartphone, keine echte Kompaktkamera. Auch einen optischen Bildstabilisator besitzt das Gerät nicht, dafür aber eine recht interessante Doppellinsentechnik von Leica, die einige bislang ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Auch die sonstige Bildqualität ist vielversprechend.
Bis zum jüngsten, weltweiten Debakel seines koreanischen Konkurrenten mit explodierenden Akkus, die leider fest ins Smartphone eingebaut sind (eine Unsitte, die leider fast überall die Runde gemacht hat), war der chinesische Hersteller Huawei in Europa nur wenigen bekannt, nun erfreuen sich Huaweis Geräte jedoch auch hierzulande immer größerer Beliebtheit: Denn Qualität und Leistung stimmen beim chinesischen Produzenten Huawei durchaus, manche seiner Geräte arbeiten fehlerfrei schon seit Jahren unbemerkt in umgelabelten Geräten großer Kommunikationsanbieter. Nun tritt die Marke auch hier offen in Erscheinung – bisweilen glänzen die Produkte Huaweis sogar mit einigen pfiffigen Ideen, die man anderswo vergebens sucht.
Dazu zählt sicher auch die von Leica lizenzierte Linsentechnik des Huawei P9: Statt eines tun auf der Hinterseite gleich zwei Objektive ihren Dienst, sie lösen mit 12MP auf, teilen sich allerdings die Zuständigkeiten: die eine hat sich auf den Farbraum (RGB) spezialisiert, die andere auf Graustufen und beide im Verbund merken sich auch die Tiefeninformationen, was für den ambitionierten Fotografen einige erfreuliche Möglichkeiten eröffnet: Ähnlich wie beim Konzept der Lichtfeldkamera (Lytro) der lässt sich durch die Doppellinsenkonstruktion nämlich auch beim P9 die Tiefenschärfe und sogar der Fokuspunkt erst nachträglich einstellen – und das in einem doch noch recht handlichen Gerät, das auch sonst als Smartphone einiges hermacht.
Dazu trägt sicher auch der Prozessor des P9 bei, ein HiSilicon Kirin 955, 64-bit-fähig, Octa-core (4 x 2.5 GHz A72+ 4 x 1.8 GHz A53), der durchaus Leistung zu bringen vermag, gerade auch bei der Bildverarbeitung, der allerdings auch einen beachtlichen Energiesparmodus besitzt, sodass der Akku im Ruhemodus überraschend lange durchhält. Vielleicht trägt auch die effizientere neue Androidversion ihren Teil dazu bei – von Haus aus ist Android 6 installiert, gerüchtweise soll später irgendwann aber auch das neuere Android 7 noch auf das P9 kommen.
Bislang kam bei mir das P9 hauptsächlich als Kameraersatz zum Einsatz und machte da bislang eine recht gute Figur – auch bei nebligem Novemberwetter: Die Fotos sind auch ohne echten optischen Bildstabilisator recht scharf, das Rauschen hält sich in erträglichen Grenzen, auch stimmungsvolle Kerzenfotos gelingen, der Fokus reagiert akzeptabel schnell für ein Smartphone. Sicher, eine Digitalspiegelreflex ersetzt das P9 nicht, aber für Momentaufnahmen und für unterwegs ist es sicher praktisch und toppt zumindest auch unser formaliges S5Mini, das übrigens auch keine schlechten Fotos gemacht hat. Auch HDR-Aufnahmen schafft das P9 in akzeptabler Qualität, ärgerlich ist höchstens, dass man, will man die Fähigkeit zur nachträglichen Fokusänderung nutzen, auf das 4:3-Bildformat festgelegt ist – fototechnisch heute eher unüblich.
Wem die Voreinstellungen noch zu primitiv sind, für den ist der Pro-Modus der Kamera gedacht – er lässt sich durch einen Schieberegler oberhalb des Auslösers auf dem Touchfeld aktivieren, sofern er aktiviert ist, kann man nun alle Einstellungen manuell konfigurieren, wie man dies auch von professionellen Kompaktkameras gewöhnt ist, bis hin zum RAW-Format für Belichtersoftware wie Adobe Lightroom.
Für die Nachtfotografie haben wir das P9 noch nicht testen können, sind allerdings gespannt, wie sich das Fotosmartphone dort schlagen wird. Wir werden dann berichten…