Geschichten „aus der Gruft“ – Phoenix-Veteranen berichten

"Mann sehen wir alt aus!" - Redakteure der 1990er schildern ihre Eindrücke zum Jubiläum 2008

Das legendäre Phoenix-Team in den 1990ern bei einer Perfomance - das Foto entstammt einer Collage, die lange Zeit den alten Oberstufenraum am Klettgau-Gymnasium zierte.
Das legendäre Phoenix-Team in den 1990ern bei einer Perfomance - das Foto entstammt einer Collage, die lange Zeit den alten Oberstufenraum am Klettgau-Gymnasium zierte.

Willkommen zur Redaktionssitzung. Ein ohnmächtiger Chefredakteur steht vor einer unzähmbaren und furchtlosen Meute aus Phoenixredakteuren. Der ganze Raum atmet Anarchie. Vorne links sitzen ein, zwei aufmerksame Redakteurinnen, die sich enthusiastisch einmischen und kluge Fragen stellen. Hinten rechts schmatzt eine Gruppe Fünftklässler geräuschvoll mehrere Tüten Chips. Zwischen diesen beiden Extremen die übliche Mischung aus Apathie und Passivität, immer wieder durchbrochen von den berüchtigten kreativen Ausbrüchen, die zum berühmten Phoenix-Stil gerinnen. Phoenix verpflichtet.

v.l.n.r.: Sebastian Behringer, heute Informatiker; André Schume, heute Kameramann; Florian Vocke, heute Versicherungskaufmann; Christian E. Rieck, heute wissenschaftlicher Mitarbeiter; und Chris Tomas, heute Fernsehredakteurin. Nicht abgebildet: Manfred Renner, heute freischaffender Graphiker, der 2008 gerade auf Weltreise war.
v.l.n.r.: Sebastian Behringer, heute Informatiker; André Schume, heute Kameramann; Florian Vocke, heute Versicherungskaufmann; Christian E. Rieck, heute wissenschaftlicher Mitarbeiter; und Chris Tomas, heute Fernsehredakteurin. Nicht abgebildet: Manfred Renner, heute freischaffender Graphiker, der 2008 gerade auf Weltreise war.

Stimmt. Das ist tatsächlich eine „Geschichte aus der Gruft“, nostalgisch verklärt von alten und altgewordenen Phoenix-Redakteuren. Manchmal scheint dies endlos lange her. Ausgabe 25, um genau zu sein. Aber genau so ging es auch Jahre nach uns noch in der Redaktionssitzung zu. Genau so dürfte es auch diesmal wieder gewesen sein – zur Ausgabe 50. Es hat allerdings sehr lange gedauert bis zum neuen runden Jubiläum.

Jede Ausgabe kostet Zeit und Kraft. Sie erfordert Mut und Kreativität. Sie macht auch Angst. Die Aschen, aus der sich der Phoenix erheben soll, lasten schwer. Doch der Höhenflug ist immer wieder Ergebnis einer gemeinschaftlichen Anstrengung. Ohne das engagierte Team ist die Phoenix nichts. Was jede Redaktion braucht ist also eine Gruppenerfahrung, die die Identifikation mit der Schülerzeitung immer wieder erneuert. Deshalb war für uns die Phoenix immer mehr als eine Arbeit, sondern eine Aufgabe, fast eine Berufung.

Wir haben natürlich gut reden. Mit so viel Identifikation, Elan und Engagement in der Redaktion schrieb sich eine Phoenix fast von allein. Wir haben die Phoenix eigentlich immer für uns allein geschrieben – ohne Blick auf irgendeine Zielgruppe. Wir wollten eine Phoenix machen, die wir selbst gerne lesen. Jede Phoenix sollte immer Schul-Zeitung UND Schüler-Zeitung sein. In Abgrenzung zum Jahrbuch, das vor allem eine Schulchronik darstellt, kann und soll die Phoenix auch unterhalten. Aber jede Phoenix kann immer nur so viel Spaß machen, wie die Redaktion hineingearbeitet hat.

Im Nachhinein hat sich bei uns immer der „große Abschluss“ jeder Ausgabe als zentrales Moment für den Zusammenhalt der Redaktion erwiesen. Das Zusammenfinden fand fast nebenbei statt – über Pizza, Gummibärchen, Chips, mit Kleber, Schere, Tipp-Ex. An diese Pizzaredaktionsschlusswochenenden, die wir über die Jahre, von Ausgabe zu Ausgabe, im KGT verbrachten, erinnern wir uns noch heute gern. Diese Klausuratmosphäre hat die Phoenix immer beflügelt – nicht nur in künstlerischer Hinsicht für Schlusslayout und Druckfahne, sondern auch in menschlicher Hinsicht fürs Miteinander aller Redaktionsmitglieder. Übrigens immer im Raum 207, in dem sich die Redaktion heute wieder trifft. Dieses intensive Zusammenschweißen kann so keine normale Redaktionssitzung leisten.

Vorgefunden haben wir die Phoenix anno 1993 als ziemlich lahmen Vogel: 60 Seiten schwarz-weiß, ohne einheitliches Erscheinungsbild wie Kopf- und Fußzeilen, mit unkenntlichen Fotos, schlecht zusammenkopiert, ohne professionelles Anzeigenkundenmanagement. Zwei Jahre später erschien die Phoenix bis zu vier Mal im Jahr mit bis zu 159 Seiten und mit 4-Farb-Cover, beides natürlich im patentierten „Manni-Design“ unseres Chefgraphikers Manfred Renner, der unserer Schülerzeitung ihr einheitliches und professionelles Erscheinungsbild gab – und den emblematischen Phoenix-Geier erfand. Unvergessen sind unter anderem die Phoenix 22, zum ersten Mal mit buntem Cover (innerhalb 30 Minuten ausverkauft), die Kondomdebatte (bei Androhung von Verkaufsverbot) über die Ausgabe 25, die das Doppeljubiläum von Schule und Schülerzeitung feierte (schließlich ohne Kondom- aber mit Luftballonbeilage) die legendäre Gummibärchenausgabe Phoenix 27 (mit echter Gummibärchenbeilage). Epische Abenteuergeschichten aller Genres, wilde Lehrercomix, Gänseblümchenaufkleber und lila Gedichte machten die Phoenix legendär und bescherten ihr eine begeisterte Leserschaft. Vom Revolverblatt zum Rockstarstatus eben. So richtig drugs, sex and alcohol, Groupies, Goldkettchen und Stretch-Limousine inklusive. Doch unsere Erinnerungen an diese Zeit sind zugegebenermaßen etwas lückenhaft.

Spuren des „Goldenen Zeitalters“ findet man erstaunlicherweise noch immer: Der Phoenix-Globe, die Gerüchteküche, die Grüßeseiten der Redaktion, der Phoenix-Briefkasten und natürlich der V.i.S.d.P. wurden von uns der Phoenix hinterlassen. Das freut uns sehr. Schön, dass sich ein paar Dinge als so langlebig erwiesen haben.

Wenn wir uns zum Jubiläum [2008, Anm. der Redaktion] was wünschen könnten, dann wären das wohl die Rückkehr der lila Seite mit eigenen Gedichten und kleiner aber feiner Kunst, mehr Lehrergeschichten und Fortsetzungsromane und selbstverständlich die Auferstehung der legendären Comix. Wir hoffen also inständig, dass ein oder mehrere begnadete Zeichner wieder ihren Weg in die Redaktion finden.
Wo wir schon beim Hoffen und Träumen sind, gibt’s hier unser Wundermittel für die Phoenix: weniger Computer und mehr Handarbeit, weniger Einzelkämpfer und mehr Teamarbeit, mehr Liebe und weniger Krieg. Aber bevor die alten Säcke jetzt vollends sentimental werden, machen wir jetzt lieber Schluss.

Der Phoenix alles, alles Gute für ihre nächsten 50 Ausgaben! Euch, der neuen Redaktion, weiterhin viel Erfolg und noch mehr Spaß mit dem schrägen Vogel!

Christian und Sebastian
mit André, Chris, Florian und Manfred

Zuerst veröffentlicht in Schülerzeitung Phoenix Nr. 50, S. 44-45. Dieser und weitere Artikel zum Phoenix-Jubiläum finden sich zusätzlich auch bei Blogoff.de.