Lyrik: Tränen eines toten Kindes

Ein Baum im Lande Davor
Ein Baum im Lande Davor

Aus Gefühl und Erinnerung, gemischt mit Wort, durchwirkt das Lyrikwerk die Nacht, die ohne Sterne, kalt und sacht über das Herz und seine Tränen zieht.

1. Abendtod in der Wüste

Manchen Tages Abend denk‘ ich in die Ferne,
Denk daran zurück; hatt‘ dich doch so gerne.
Doch das Schicksal gab mir einen harten Tritt
Und du fielst in einen toten Traum zurück.

Steigt die Sonne dann herab im goldnen Bogen
Sinne ich, und hoffe, dass mir Gott gewogen
Wäre und mir meines schönen Traumes Schaum
Wandelt‘ in die Frucht zurück, den grünen Baum

Welcher mir in meines öden Lebens Schwüle
Gäbe Schattentrost und seiner Freundschaft Kühle.
Doch nur Dornensträucher und Gestrüpp
Ohne Schatten, gibt der Herr, und mein Unglück

Wird getröstet nicht, wenn sich die Schatten dehnen;
Meiner Träumerei gilt drum mein ganzes Sehnen.

* * *

2. Reden an die Wand

Ich habe viel bewegt,
Doch nichts hat sich geändert.
Wir leben immer noch,
Doch weit von uns entfernt.
Die Welt hat sich verschoben,
Bin meinen Weg geschlendert,
So lange ohne dich.
Der Sinn hat sich entkernt.

Doch wenn wir reden schweben
Wir in Sphären hin, und driften
Auseinander, sprechen viel
und sagen dennoch nichts:
Reden an die Wand.

Wie Spinnenbeine zählte ich
Die Schritte durch das Land,
Der Weg, der Pfad führt dran
Vorbei. Und hat man mich und
Mein Gedankengut verbannt,
So strebe ich vom tiefen
Ozean zur Küste hin, und an
Den Strand, wo meine Dünen
Sind. Mein Name. Meine
Existenz.

Doch wenn wir leben, geben
Wir die Stunden hin, und
Streben nicht: Wir kleben
An uns selber fest. Der letzte
Rest, in flaue Worte eingetüllt
ist: Reden an die Wand.

Der Tag, an dem die Hoffnung
Schwand, mir weg, war dein Beginn.
Du wurdest wieder neu geboren,
Während ich den Fluss der Trauer
Ganz alleine überschritt.
Du gingst nicht mit, bist deinen
Eignen Weg gegangen, mein Verlangen,
Meine Bitten an dich waren alle
Reden an die Wand.

Was habe ich bewegt?
Hat sich doch nichts geändert!
Wir leben immer noch,
Doch weit von uns entfernt.
Ich habe dich geschont,
Doch wohl umsonst. Kein Dank.
Mein Warten hat sich nicht gelohnt.
Und meine Freundschaft war nur
Reden an die Wand.

* * *

3. Kommt nie mehr zurück

Kommt nie mehr zurück, die schöne Zeit. Die des Lachens.
Denn du bist fort. Konnte dich nicht halten.
Der Alltag ist allmächtig, und das Fest im Kerzenschein
Erlosch aus deiner Erinnerung: Unsere schönen Stunden,
Unsere Freuden und Gefühle, unser Spiel.
Alles längst veraltet.

Die Zeit ist Feuer, und sie verbrennt uns, unsere
Hoffnungen, alles, alles. Und was ich für dich fühlte
Verblasst über den Tränen toter Bilderalben. Woraus
Soll ich schöpfen? Meinen Kummer erkennst du nicht.
Überlebt haben wir vieles, und starrer macht es uns,
Nicht stärker. Keine Hilfe kommt und keine Kraft.
Alle Liebe ist erschlafft.

Niemand dreht sich um mich. Niemand schützt mich. Nur
Leere Blicke. Kaltes Lächeln. Nichts ist wie es war.
Und alles kommt nie wieder. Sagte niemals nie. Sagte
Nie, ich wäre fertig. Doch du bist fort. Gestohlen
Aus meinem eisigen Herzen. Schmerzen und den Hohn
Muss ich ertragen. Und selbst Gott schweigt dazu.

Ich sehe keine Wolken, keine Sonne und nicht mal
Nacht. Gehe leer durch eine hohle Welt. Meine
Gaben sind versiegt, und kein Blut in mir, kein
Leben. Was heilt die Zeit wenn nichts mehr ist?
Mein Körper ein Grabstein, mein Leben eine
Abstellkammer.

Gedankenzerhadert, in toter Finsternis. Die ewig
Währt, solange nichts mehr ist. Und nichts ist mehr.
Und kommt nicht mehr zurück, ich weiss es:
Kommt nie mehr zurück die schöne Zeit.

* * *

4. Zeit

Jeder Tag ist eine Wunde.
Jede Stunde Einsamkeit.
Jeder Herzschlag,
Augenblick, ist ein Schritt
Zurück ins Nichts.

Wir tun nichts, doch tun wir
Alles: Konvention,
Normalität. Keine Relevanz
Beim Scheitern. Eitelkeit
Und Ignoranz.

Leben, um des Lebens Willen,
Denken an den Tod nur nachts.
Reisen, machen leichte Spiele.
Denken nicht darüber nach.

Gehen ohne Witz durchs Leben,
Unser Geist ein Wahngespenst,
Glauben kommerziellen Lügen,
Lassen uns vom Dämon trügen,
Der uns gaukelt:
Nichts ist nicht.

So vergehen unsre Stunden,
Ungenutzt, und mancher Tag,
War nur toter, kalter Funken:
Abgesunken in das Grab.

* * *

5. Himmel ist Liebe

Der Himmel liegt nicht in den Wolken. Dort
Ist es zu kalt und zu still: Niemand da.
Doch niemand gibt keine Liebe. Du ja.

Der Himmel ist nicht alleine: Viel Stimmen
Die sprechen und Hände, die streicheln.
Leb Liebe lebendig. Die Liebe lebt ewig.
Wo Liebe ist Gott da.

Der Himmel – nicht kalt: Er ist heiß. Kalt wäre
Die Hölle und Einsamkeit. Wo Eis weht und stille
Ist, Kälte, nicht Liebe, nicht Leben.

Und Gott ist die Liebe. Sie wird nicht vergehen. In
Ihr werden leben selbst, die jetzt noch tot sind
Der Leib ist die Liebe. Er wird nicht
Vergehen. Doch Haben wir keine, dann sind wir nicht,
Werden nicht leben. Und das ist die Hölle.

Himmel ist Liebe ist sprudelndes Kichern, Gespräche.
Leises Flüstern und Kosen. Warme Geborgenheit.
Was falsch ist, wird richtig, die Lüge entfernt.
Was krumm ist, gerade, was Unrecht gerecht.
Aus Feinden die Nächsten, aus Hass wird
Die LIEBE.

Das ist wahre Auferstehung:
Denn Himmel ist Liebe.

* * *

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.