Luisa Amiratu ist eine der prominentesten Politikerinnen der kleinen Völker. Anastratin.de hat sie nun interviewt.
Anastratin.de: Frau Amiratu, können Sie sich unseren Leserinnen und Lesern kurz vorstellen?
Luisa Amiratu: Ich heiße Luisa Salomena Amiratu, bin eine Luftzwergfee vom Stamm der Grünlinge und bin in den Altlanden von Leinarkunion aufgewachsen. Dort hatte ich vor bald 25 Jahren einen schweren Unfall, bei dem ich mein Gedächtnis verlor und ganz neu anfangen musste. Das hat mein Leben komplett verändert. Ich wurde später von der Regierung von Leinarkunion nach Nitramien geschickt und diente dort 17 Jahre lang als Botschafterin für Leinarkunion, später für Emolas.
Anastratin.de: Vermissen Sie Ihre alte Heimat?
Luisa Amiratu: Wir bleiben immer ein Teil dessen, was unsere Vergangenheit war. Heimat ist aber vor allem da, wo man Freunde hat. Hier leben jetzt die meisten meiner Freunde, daher bin ich nur manchmal traurig. Letztlich ist es hier sehr schön und ich denke auch, ich bin hier angekommen.
Anastratin.de: Zusammen mit Ihrer Freundin und Lebensgefährtin Kara Delica haben Sie vor einem Jahrzehnt eine große Abenteuerreise unternommen, die später sogar als zweiteiliger Roman erschien…
Luisa Amiratu: Oh ja, das war ein tolles Abenteuer! Aber es war nur eine von vielen Reisen, die ich als Botschafterin unternommen habe. Es gäbe da noch soviel mehr zu erzählen, aber dafür ist noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Wissen Sie, so ein Leben als Botschafterin war schon sehr aufregend.
Anastratin.de: Vor vier Jahren wurden Sie zur Vizekönigin der Vereinigten Provinzen von Süd-Ninda ernannt. Wie kam es dazu?
Luisa Amiratu: Mein Vorgänger, Vizekönig Valens, spielte schon länger mit dem Gedanken, in den Ruhestand zu gehen. Er war ein fleißiger Mann, aber zuletzt sah man ihm seine 56 Dienstjahre an. Weil es sonst keine Bewerbung gab und ich die Leute hier sehr mag, bot ich dem Kaiser meine Dienste an und wurde genommen.
Anastratin.de: Dafür mussten Sie Ihr Amt als Botschafterin und auch die emolanische Staatsbürgerschaft aufgeben. War das keine schwere Entscheidung?
Luisa Amiratu: Natürlich war das hart! Ich liebe beide Völker und habe mein Leben lang versucht, zwischen diesen beiden wundervollen Zivilisationen zu vermitteln. Aber letztlich war ich doch eine eher unwichtige Spielfigur, als Vizekönigin habe ich etwas mehr konkrete Möglichkeiten, die Dinge positiv zu beeinflussen.
Anastratin.de: Sie sind nun seit vier Jahren Vizekönigin, welche Ziele und Wünsche konnten Sie bislang verwirklichen?
Luisa Amiratu: Mein allererstes Ziel war immer, meinen vielen Freunden hier zu helfen. Dazu musste ich hier aber einige Widerstände durchbrechen. Am Anfang versuchten mich gewisse Leute zu blockieren, weshalb ich leider eine ganze Menge Leute erst einmal aus ihren Ämtern werfen musste. Das ist mir nicht so leicht gefallen, wie manche behaupten. Ich bin durchaus feinfühlig. Aber ganz offen gesagt: Hier in Südninda herrschte vor vier Jahren Vetternwirtschaft und Korruption, insbesondere im Schulsystem und in der Justiz.
Anastratin.de: Inzwischen haben Sie in der Provinz ziemlich aufgeräumt und sogar die Verfassung geändert. Es gab teilweise heftige Proteste. Hatten Sie niemals Angst, dass der Kaiser Sie fallen lassen könnte?
Luisa Amiratu: Klar war mir etwas bange, als ich so heftig Gegenwind bekam. Aber wenn man nicht wagt, kann man auch nicht gewinnen. Und der Kaiser hat mich wirklich immer unterstützt, anfangs beim Kampf gegen die Korruption, aber auch bei meinen Reformen und Wiederaufbaumaßnahmen.
Anastratin.de: Viele Ihrer Maßnahmen sind auch sehr kostspielig. Kritiker werfen Ihnen vor, dass Ihre Wiederaufbaumaßnahmen den Staat ruinieren werden.
Luisa Amiratu: Das ist nicht wahr! Südnindas Staatskasse ist voll, wir sind ein reiches Land, das Geld wird nur oft nicht zweckmäßig eingesetzt. Es ist doch sehr bezeichnend, dass die Kritik oft von genau denen kommt, die sich früher an der Staatskasse selbst bereichert haben. Und viele meiner Projekte belasten den Staatshaushalt gar nicht. Die neue Postkutschenlinie und die zugehörigen Stationen, aber auch die Renovierung von Schloss Börk habe ich über Stiftungen finanziert, hier kommen die Gelder von privaten Gönnern.
Anastratin.de: Haben Sie nicht Angst, dass Sie sich damit zu abhängig von privaten Geldgebern machen?
Luisa Amiratu: Ich bin weder der öffentliche Nahverkehr noch die Schlösserstiftung. Beides brauche ich nicht zum Regieren. Aber die Bevölkerung hier braucht ein funktionierendes Verkehrssystem und Leute, welche die Kulturschätze lebendig erhalten, ich bin sehr zuversichtlich, dass das über gemeinnützige Stiftungen funktionieren wird, zum Wohle aller. In anderen Bereichen, beispielsweise in der Sozial- und Bildungspolitik oder im Agrarsektor oder beim Straßenbau, das ist natürlich alles Sache des Staates.
Anastratin.de: Obwohl Sie als sehr modern gelten, haben Sie bislang nichts in Hightech-Industrien investiert, warum?
Luisa Amiratu: Südninda ist eine sehr ländliche Region, ganz bewusst als Gegenentwurf zur Metropole Ventadorn. Wir überlassen deshalb Hightechindustrien unserem urbanen Nachbarstaat. Der technische Fortschritt macht nämlich nicht automatisch glücklich. Es gibt auch andere Lebensentwürfe – wir setzen hier ganz bewusst auf eine andere Art von Kultur.
Anastratin.de: Sie haben mit öffentlichen Mitteln die Schulen der Provinzen wieder instand gesetzt, aber der große Wurf in Sachen Bildungsreform blieb bislang noch aus. Woran liegt das?
Luisa Amiratu: Also wenn Sie mit „großem Wurf“ meinen, man müsse jetzt irgendso einen grandiosen neuen Bildungsplan rausbringen, vergessen Sie das! Bildung ist gelebte Humanität, nichts, was man mit einer Strichliste, neuen Inhalten oder Methodenkatalogen umsetzt. Und Humanität braucht Zeit, sie muss gelebt werden, in zwischenmenschlichen Begegnungen. Da haben wir viel getan: Wir haben begabte neue Lehrkräfte eingestellt, neue Schulen gebaut, alte saniert und auch viel getan, um die Atmosphäre zu verbessern. Außerdem haben wir die Bibliotheken und Theater erneuert. Eine große Baustelle ist zugegeben noch die Erwachsenenbildung. In der Verfassung haben wir da zwar schon immer eine Bildungspflicht, aber umgesetzt wird das kaum. Hier müssen wir noch größere Anreize schaffen, damit alle Altersstufen angemessen an der Bildung teilhaben können. Denn Bildung ist gelebte Menschlichkeit, und das ist keine Frage des Alters. Da lernt man nie aus.
Anastratin.de: Wenig erfolgreich war in den letzten Jahren die Agrarpolitik – fast alle Ihre Neupflanzungen gingen bei den Blizzards der vergangenen Wochen verloren. Was wollen Sie da nun tun?
Luisa Amiratu: Das ist wirklich eine große Tragödie, was sich da jetzt gerade ereignet hat. Wir hatten so gehofft, dass unsere neuen Apfel,- Quitten und Maulbeerplantagen ein Erfolg werden würden, immerhin sind das einheimische Pflanzen, die sich mit dem Klima viel besser vertragen als die Zitrusfrüchte und Moringabäume, die mein Vorgänger hatte pflanzen lassen. Aber wir müssen das halt jetzt nehmen, wie es kommt. Für viele Plantagen ist die Saison damit gelaufen, aber ganz die Hoffnung aufgeben darf man da auch nicht. Die Natur ist eben eine Macht, mit der man rechnen muss, gerade in der Landwirtschaft. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die staatlichen Plantagen nur einen kleinen Teil der kaiserlichen Domänen ausmachen, wir haben auch noch die Holzwirtschaft und den Bergbau, da läuft es besser.
Anastratin.de: Es gibt Stimmen, die sehen die Schneestürme als Teil eines großen Fluches, der über Südninda liegt. Laut einer Prophezeiiung des Orakels von Agoratzo wird der 23. Vizekönig von Südninda auch der letzte sein – Sie sind die 23. Amtsträgerin. Machen Ihnen die Untergangsprophezeiungen keine Angst?
Luisa Amiratu: Ich bin durchaus nicht blind gegenüber vernünftigen Warnungen, aber von abergläubischer Schicksalsgläubigkeit halte ich nicht viel. Ich habe in meinem Leben selbst schon häufiger erlebt, dass das Schicksal keine unveränderliche Konstante ist, sondern ein Faden, dessen Verlauf man vor allem auch selbst bestimmen kann. Zudem ist das mit dem Ende immer so eine Sache. Enden wir nicht jeden Tag ein bisschen und fangen jeden Tag von Neuem an? Jeder Tag ist ein kleines Leben. Wer weiß, vielleicht bin ich die letzte Vizekönigin, aber vielleicht beginnt damit auch etwas Neues. Lassen wir uns doch vom Leben überraschen. Hauptsache ist, dass man die Hoffnung nicht aufgibt. Ansonsten: Versuch macht kluch!
Anastratin.de: Frau Vizekönigin, wir danken für das Gespräch.
Luisa Amiratu: Bittesehr, gerne wieder.
Das Gespräch führte Nils Kawomba.