Prado soll es richten

In einer feierlichen Zeremonie in Julverne wurde Lysandra Prado am 12. Mai 505 a. C. zur neuen Generalsekretärin der Neu-Nitramischen Konföderation ernannt. Der scheidende Generalsekretär Alexander Czerdano sprach von einem historischen Paradigmenwechsel.

Staatsflagge der Neu-Nitramischen Konföderation seit dem dritten Jahrhundert a. C.
Staatsflagge der Neu-Nitramischen Konföderation seit dem dritten Jahrhundert a. C.

Nachdem auch die neuerlichen Wahlen des Föderalen Rates keine eindeutigen Mehrheiten erbrachten, entschied sich der Kaiser auf Bitten des Amtsinhabers Alexander Czerdano, Lysandra Prado zur neuen Generalsekretärin zu ernennen. Sie soll mit kaiserlicher Stützung eine weitere Minderheitsregierung bilden. Lysandra Prado war bereits vor vier Jahren als Finanzministerin in der Regierung tätig, trat dann aber auf eigenen Wunsch zurück, weil ihre Finanzpolitik scheinbar gescheitert war. Tatsächlich vermuten Analysten inzwischen, dass ihre Maßnahmen deutlich erfolgreicher waren als die ihrer Nachfolger. Alexander Czerdano, der schon seit mehreren Jahrhunderten in der Föderationspolitik tätig ist, möchte sich nun zurückziehen und die Politik jüngeren Generationen überlassen: „Wir stehen vor einem historischen Paradigmenwechsel“, begründete Czerdano seine Entscheidung auf einer Pressekonferenz vor drei Tagen, „meine Generation, die noch in der Exilshauptstadt Tristis oder in Celestina aufgewachsen ist, meine Generation, welche die Epoche der Reunion und das Prinzipat Kaiser Nuriels geprägt hat, macht nun Platz für unsere Kinder und Enkelkinder, welche die Zukunft ermöglichen, wir werden zur Vergangenheit, sie sind nun die Gegenwart“ – indirekt deutete Czerdano im weiteren Verlauf seiner Abschiedsrede an, dass er die Friedens- und Ausgleichspolitik des verstorbenen Kaisers Nuriel als gescheitert ansieht: „Wir müssen sehen, dass wir zwar viele Kriege vermieden, aber damit auch Siege unmöglich gemacht haben. Vielleicht mag es vor zweihundert Jahren passend gewesen sein, auf den Fluss der Zeit zu vertrauen und abzuwarten, in diesen Zeiten intergalaktischer Piraten, Populisten, Aktionisten und der von ihnen geschaffenen vollendeten Tatsachen wäre eine aktivere Außenpolitik wohl sinnvoll“, riet Czerdano im Hinblick auf die neue Regierung Prado. Es müssten Antworten gefunden werden, wie man mit Rationalität und Vernunft auf Gewalt, Dreistigkeit und Aktionismus reagieren könne, ohne dabei die eigenen Ideale von Kreativität, Toleranz und Kontinuität über Bord zu werfen.

Die neue Generalsekretärin Lysandra Prado steht  damit vor großen Herausforderungen. Die unter Kaiser Nuriel geknüpften Bündnissysteme sind inzwischen nur noch ein Scherbenhaufen, die Föderationskasse liegt brach, gleichzeitig erfordert die immens gestiegene intergalaktische Piraterie dringend eine weitere Flottenreform. Flottenpräfekt Ian Delessian, der den großen intergalaktischen Piratenüberfall im Foriensis-Sektor hilflos mitansehen musste – damals war auch der nitramische Hauptstützpunkt Saint Andrea überrannt worden – fordert seit Monaten den Aufbau einer weiteren Angriffsflotte. Doch schon die Instandsetzung der vorhandenen Flotten überfordert die aktuelle Finanzlage. Gleichzeitig ist die Verteidigung einiger Provinzen, allen voran auf dem Planeten Monte Regina VIII weiterhin kritisch. Auch der dortige Flottenpräfekt, Kaeris Velasvesin, fordert dringend massive Verstärkung. Die Wirtschaftslage kommt trotz konzertierter Aktionen der Teilstaaten nicht in Fahrt. Zwar konnten die Bundesstaaten den innernitramischen Handel und die Inflation durch eine massive Verringerung des Geldvolumens stabilisieren, das Außenhandelsdefizit ist aber weiterhin exorbitant gestiegen, gerade auch durch erforderliche Investitionen im Sicherheitsbereich. Aber die größten Probleme wird die neue Regierung – da sind sich Analysten einig – in der Außenpolitik haben: Die vorhandenen Bündnissysteme sind ineffektiv und bestünden nur noch auf dem Papier, blockieren sich in der Praxis auch gegenseitig. Neue Bündnisse kämen nur zögerlich in Fahrt, Krisen der Bündnispartner schlügen sich zu hundert Prozenz auf Nitramien nieder, während man von Erfolgen oder Hilfsaktionen in der Vergangenheit und Gegenwart überhaupt nicht profitiere: „Wir sind zur außenpolitischen Müllhalde der Galaxis geworden“, warf Oppositionsführer Emanuel Tarenzena im Föderalen Rat der kaiserlichen Regierung zuletzt vor: „Man bedient sich unserer, wenn man Geld oder Hilfsleistungen bedarf, aber man lässt uns sofort im Stich, wenn die eigenen Probleme behoben sind oder wir selbst Hilfe brauchen. Wir verkaufen uns zu billig, das muss sich ändern!“ – wie diese Änderung auszusehen hat, darüber ist sich der Föderale Rat aber weiterhin uneins.

Daher soll es die neue Minderheitsregierung unter Lysandra Prado richten.

Nils Kawomba
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Nils Kawomba, ehemals Chefredakteur der NNZ (Neue Nitramische Zeitung), ist unser nitramischer Korrespondent in Ventadorn (Ninda).