Lärmen im schönen Klettgau?

Kommentar von Martin Dühning

St. Peter und Paul in Grießen, fotografiert am Palmsonntag 2017, 9. April (Foto: Martin Dühning)
St. Peter und Paul in Grießen, fotografiert am Palmsonntag 2017, 9. April (Foto: Martin Dühning)

Es regt sich weiterhin Widerstand gegen die Pläne eines unbekannten Investors, in Klettgau eine großflächige Motorsportanlage zu errichten – und er mündet in einen Bürgerentscheid am 3. Juni 2018.

Was ist Sache? – ganz kurz: Ein anonymer Schweizer Investor möchte in der Gemeinde Klettgau eine durchaus umfangreiche Motorsportanlage errichten und fragt deswegen beim Gemeinderat vorsichtig an, dieser entscheidet am 25. September 2017, dagegen keine grundsätzlichen Bedenken zu haben. Bis hierher verläuft die Geschichte in für den Hochrhein üblichen Bahnen, das kann man doch auch sehr schön in Lauchringen sehen, welches unter Mitwirkung von mancherlei Investoren um jeden Preis gerade großflächig zubetoniert wird – und das ohne jede nennenswerte Opposition oder Alternative. Doch anders in Klettgau, hier geht die Geschichte noch weiter: Es formiert sich recht schnell deutlicher Widerstand, der es schließlich sogar ins Fernsehen schafft und die Gegenbewegung erreicht sogar, dass ein Bürgerentscheid in die Wege geleitet wird. Am 3. Juni 2018 soll es soweit sein.

Ich muss sagen, ich bin beeindruckt. Politischer Widerstand! So etwas hätte ich in Stuttgart oder vielleicht Freiburg vermutet, nicht aber im Kreis Waldshut, wo es bemerkenswert wenige Menschen gibt, die den Schneid haben, gegen den allgemeinen Strom zu schwimmen und ihre Gegenmeinung auch noch überregional hörbar zu machen. In Klettgau scheint das geglückt zu sein, vielleicht letztlich zum Wohle unserer Demokratiefähigkeit, und meiner Meinung nach ist es zweitrangig, ob diese Bürgerinitiative gleich mit dem Bürgerentscheid Erfolg hat (ich bin da eher skeptisch, denn die meisten braven Einwohner interessieren sich doch herzlich wenig für kommunale Belange und gehen nicht zu Wahlen), oder ob die Bewegung erst später über Podiumsdiskussionen weiter am Ball bleibt und als Korrektiv vielleicht gar dauerhaft die Gemeindezukunft mitentwickelt.

Denn wenn sich hier tatsächlich mal einige Bürger so aktiv für den Erhalt ihrer Heimat ins Zeug legen, dann setzt das vielleicht für die gesamte Region Akzente hin zu mehr eigener Identität und Nachhaltigkeit. Bislang wird der südlichste Zipfel von Baden-Württemberg doch entweder als fremdbestimmter Vorort von Zürich und Schaffhausen angesehen, als Einkaufsparadies mit lästigen Ureinwohnern, die sich den wohlhabenden Schweizern widersetzen, die ihnen so überaus gnädig Geld und Jobs anbieten, oder – aus dem Blickwinkel von Berlin und Stuttgart – als kulturöde Wald,- und Wiesenstätte, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, wenn die nicht schon überfahren wurden von der Verkehrspolitik der Global Player Deutschland und Schweiz.

Besonders tragisch finde ich dabei, dass die Schweiz uns mit ihren oft sehr viel strengeren, aber vernünftigeren Konsummaßstäben und ihrem eigenen Ökonomie,- und Politikverständnis ständig vorführt, wie man es richtig machen könnte, die deutsche Seite aber um des schnöden Profites willen doch lieber lukrativ lebt und mit ihrer aggressiven Baupolitik und ihren unfairen Kampfpreisen den Schweizer Betrieben oft das Wasser abgräbt. Man kann es Schweizer Investoren daher wirklich nicht verübeln, wenn sie es dann in Deutschland versuchen, wo sie in der Schweiz zu scheitern drohen – sonst kommt vielleicht noch irgendein deutscher Konkurrent zuvor und baut einem das Ding direkt vor die Schweizer Haustür, so wie überall sonst an der Grenze deutsche Billigdiscounter und Möbelhäuser. Umgekehrt heißt das allerdings nicht, dass man als kleiner, aber mündiger Bürger dem Landschaftsverbau jederzeit tatenlos zusehen muss.

Sicher, die deutsch-schweizerischen Beziehungen sind ein Geflecht, zum gegenseitigen Nutzen. Und selbstverständlich darf man auch als Klettgauer Bürger für Motorsportanlagen sein, immerhin hat der Motorsport in Klettgau eine lange Tradition. Aber man sollte doch immerhin eine eigene Meinung haben und sich auch der jeweiligen Konsequenzen bewusst sein: Von nichts kommt nichts. Wer nicht baut, der wächst nicht. Wachstum um jeden Preis und zu unbekannten Konditionen aber läuft Gefahr, letztlich in einen Ausverkauf von Natur und Heimat zu münden. Und der Klettgau hat da wirklich viel zu verlieren – er ist eine bildhübsche, erhaltenswerte Landschaft – trotz allgegenwärtigem Fluglärm und Monoagrarindustrie.

Ich persönlich finde es sehr schön, wenn die weithin unterschätzte südbadische Provinzbürgerschaft mal zeigt, dass sie aktive Demokratie lebt – damit meine ich nicht nur alle paar Jahre zur Wahl zu gehen und sonst desinteressiert untätig zu sein. Nein, ich meine Bürgerinitiaven wie diese, Leute, die sich einmal trauen, ihre Meinung auch zur Diskussion zu stellen, die dabei auch Anfeindungen riskieren, Menschen, die nicht einfach alles nur passiv abnicken – und solche Persönlichkeiten wünsche ich mir bitteschön nicht nur in Klettgau, sondern auch in den umliegenden Gemeinden, zum Beispiel auch in Lauchringen, wo es ganz offensichtlich überhaupt keinerlei gelebte Alternativen zur Tagespolitik mehr gibt, sodass selbst Bürgermeisterwahlen schon zur Farce zu geraten drohen; wo der Gewinner dann zwar verdientermaßen 92% der abgegebenen Stimmen einfährt, aber gut 56 % Prozent (!) der Bürger nicht einmal mehr ihre Wahlstimme abgeben, nicht zum ersten Mal. Für eine Demokratie ist das auf Dauer ein bedenkliches Zeichen! Und das haben nicht die Kandidaten zu verschulden, sondern die Einwohner, die ihrer demokratischen Mitverantwortung ganz offensichtlich nicht mehr nachkommen wollen. Was ist das für eine Botschaft an jene, die sich tagtäglich in den Kommunen für die Gemeinschaft einsetzen?

Liebe Bürger von Klettgau: Nutzt daher den Bürgerentscheid am 3. Juni 2018, gönnt euch eine eigene Meinung und stimmt entsprechend ab!

Über Martin Dühning 1501 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.