Südninda, das galt vielen als verfluchte Provinz, wo das Recht und die Kultur fern, und der Grabsteine viele sind. Ein Land der Tombstones, ein gewaltiges, mittelalterliches Wildwestszenario, wo Glücksritter und selbsternannte Ordnungshüter das Sagen haben. Doch das war einmal!
Seit dem Untergang der alten Königreiche zu Beginn des Zeitalters der Tristis wurde Südninda von mehr oder weniger machtlosen Beamten regiert, mal waren es „Reichsverweser“, später dann „Administratoren“, „Prokuratoren“ und „Vizekönige“. Die schönen Titel lenkten davon ab, dass der kaiserliche Beamte jenseits des edlen Thronsaals von Schloss Milony Island kaum etwas zu sagen hatte. Auf dem Land herrschte das Gesetz der Straße. Am ehesten durchsetzen konnte sich vielleicht noch Sixtus Priscus von Salis, der im vierten Jahrhundert mithilfe der Kirche und der Reformorden eine kleine Stabilisierung erzielte, bevor das Land nach ihm wieder im Chaos versank. Zugegeben lag es aber auch an den bösen Nachbarn und an dem Umstand, dass die kaiserlichen Beamten von einem Buch mit guten, kaiserlichen Vorsätzen abgesehen selten viel mitbrachten, womit sich ein Staat aufbauen ließe. Irgendwie hatten sie auch selten wirklich Lust dazu: Ninda galt doch als verflucht – wozu dann Lebenskraft investieren und Streit mit den widerwilligen Provinzlords riskieren?
Das hat sich geändert, seit die Zwergfee Luisa Amiratu in Südninda das kaiserliche Zepter schwingt. Denn ob man die kleine Dame mag oder nicht, man muss ihr lassen, dass sie emolanische Sturrheit und nitramische Ausdauer auf eine nie vorher dagewesene Art vereint und damit den Filz und die Vetterleswirtschaft in den Vereinigten Provinzen ausgerottet hat. Obwohl man ihr den Oberbefehl über die planetaren Truppen vorenthielt, befehligt sie inzwischen, mal direkt, mal indirekt über ihre Stellvertreter und Freunde, eine Flotte und eine Armee, die in der Geschichte Nindas ihresgleichen sucht und die sogar die Hajoiden und Altdunier nervös macht, sie hat als große Bauherrin Post, öffentlichen Nahverkehr und Wirtschaft wieder aufgebaut, auf eine sehr eigensinnige Art und Weise die Währung wieder stabilisiert und die Vorratskammern gefüllt. Wo Altdunier und Hajoiden passten, griff sie zu und wurde tätig: Ganze zwölf Städte hat sie in den letzten 23 Jahren renovieren oder neu gründen lassen, in jeder dieser Kommunen hat sie einen Sheriff und eine örtliche Selbstverwaltung eingesetzt, die Straßen und Schienennetze sind wieder aufgebaut und ein Netz von Festungen und Wällen sichert sie, ein gigantisches Netz, das man schon als „chinesische Mauer von Ninda“ bezeichnet und das die Wunschpläne des einstigen Kaisers Nuriel weit überbietet. Kurz: Luisa Amiratu hat, als 23. Vizekönigin, das geschafft, woran ihre 22 Vorgänger und selbst Kaiser in den letzten Jahrhunderten allesamt scheiterten – und das in nur in den letzten 23 Jahren. Man kann nur sagen: Besser spät als gar nie!
Dabei stieß die Fee aus Emolas natürlich nicht immer nur auf unvoreingenommene Freude. Manchen war diese zu allgegenwärtige kaiserliche Stellvertreterin ein Dorn im Auge. Man warf und wirft ihr vor, auf die Kronen der zehn Königreiche aus zu sein – als hätte sie das überhaupt noch nötig! Doch anders als ihr Vorläufer Sixtus Priscus von Salis ließ sie sich von ihren Gegnern nie einschüchtern, wenn man ihr solche „antidemokratischen“ Machtallüren unterstellte, im Gegenteil, wer sich querstellte, den ließ sie ganz öffentlich machtvoll entfernen und dabei kann sie sich der Unterstützung des Kaisers im fernen Julverne gewiss sein. Lordrichter Kyrian, dieser Monarch im Richteramt, war der erste, der das zu spüren bekam, später folgten selbstherrliche Archivkuratoren, Schulleiter, Ritter und Freiherren. Das jüngste Beispiel ist der ehemalig hochgerühmte Ex-Vizekönig Thomas Williams und sein Fall zeigt, dass man sich auch nicht auf seinen ex-vizeköniglichen Lorbeeren ausruhen darf oder mit denen gar einen Staat im Staate errichten, wie er es auf seinem privaten Kriegsschiff frech versuchte. Anders als Luisas direkter Vorgänger Valenz drückt Luisa als Vizekönigin nämlich kein Auge zu und kennt keine Kompromisse, was staatliche Autorität angeht: Keine Parallelgesetzgebung, auch nicht auf hoher See. Zum ersten Mal kann man sagen: Das nitramische Recht wird durchgesetzt auf nitramischen Grund und Boden, in den Landen, in der Luft und auch auf dem Meer – und das ist auch gut so. Es wurde Zeit!