Pseudo-Umweltschutz

Kommentar gegen Ökologie als Selbstbetrug

Die Deutschen sind sehr gut darin, sich selbst durch ihre Gesinnung zu adeln, wobei ihr Stolz und ihre innere Haltung sehr oft in krassem Gegensatz zu ihren Taten stehen. Das zeigt sich sehr schnell auch in Sachen Umweltschutz.

Man könnte den Sachverhalt spöttisch ausformulieren in dem alemannischen Ausspruch: „Es sött scho was Rechts sii, aber kchoschte darfs halt au nüüt!“ – ja, man würde schon gerne irgendwie mehr tun in Deutschland, solange dabei keine persönlichen Unkosten anfallen. Und so schimpft man zwar eifrig gegen ausländische Klimasünder, brennt aber selbst weiter in großem Maßstab Braunkohle nieder. Doch auch diejenigen, die sich inzwischen gegen diese Praxis stellen, sollten sich vielleicht erst einmal überlegen, woher sie ihren Strom stattdessen für die ständig wachsenden Aufwendungen beziehen wollen. Solarzellen? – deren Ökobilanz sieht gar nicht mal so gut aus. Windparks? – auch dagegen rebellieren Landschaftsschützer, ebenso wie gegen Speicherbecken. Frankreich und Großbritannien als energiepolitische Vorbilder? Diese Länder bauen voll auf Atomkraft. Ob das besser für die Umwelt ist, ist sehr, sehr fraglich.

Nun ja, was Energiegewinnung angeht, es ginge ja schon irgendwie. Das eigentliche Problem ist ein letztlich völliges Versagen bei grundlegenden Nachhaltigkeitsprinzipien. Selbst der Deutschen zweitliebstes Kind, die Mülltrennung, entpuppt sich großenteils als Lebenslüge, wenn man besieht, wohin der ganze Müll wandert. Ähnlich wie bei der Kohlendioxidproduktion wird es schlichtweg „outgesourced“, in andere Länder abgeschoben. Der Handel mit passenden Umweltzertifikaten ist die moderne Form des Ablasshandels. Man wäscht sich sein Gewissen mit Buchstaben rein gegen Bezahlung…

Will man wirklich Umweltschutz, der seinem Namen gerecht wird, dann müsste man wirklich mal an der Basis anfangen. Statt Wachstum zu forcieren, müsste man Energie wirklich sparen, statt den Verbrauch nur zu reorganisieren. Da sollte man vielleicht auch der Deutschen liebstes Kind, das Auto, nicht ausnehmen. Es nutzt nämlich letztlich nicht viel, wenn der überbordende Autoverkehr von fossilen Treibstoffen auf Strom umgestellt wird, wenn man dies mit giftigen und überaus unhandlichen Akkus erkauft und der Strom selbst auch noch nicht absehbar nachhaltig produziert werden kann.

Sinnvoller wäre ein Konsumwandel und eine Reform des öffentlichen Nahverkehrswesens. Dazu müssten Privathaushalte auf ihre Zweit- und Drittautos verzichten, statt noch den Kauf eines vierten Autos zu erwägen. Der öffentliche Nahverkehr sollte kostenlos werden, bei höherer Qualität. Kerosin und der Flugverkehr sollten deutlich besteuert werden, um die ökologische Schieflage im Mittelstreckenverkehr endlich auszugleichen. Radwege sollten durchgängig als Alternativstrecken ausgebaut werden, nicht nur in den Städten. Denn auch Pedelecs sind nicht umweltfreundlich, wenn sie nur zusätzlich als Statussymbol für die Garage erworben werden und nicht auch genutzt.

Auch der Güterverkehr sollte von Luft und Straße wieder auf die Schiene verfrachtet werden. Will man den Verkehr auf die Schiene bringen, muss man staatlicherseits wieder für eine funktionierende Grundstruktur sorgen. Man sollte in die Infrastruktur investieren, statt in „Digitalpakte“ und Prestigebauten. Es gab internationale Transitverträge zum Schienenverkehr, z. B. mit der Schweiz. Die Deutsche Seite hat ihren Teil bislang nicht erfüllt und bemüht sich auch weiter nicht wirklich darum. Das ist ein Skandal!

Und besonders die Hochrheinbahn bietet derzeit für Nutzer ein gänzlich erbärmliches Bild: Ob ein Zug fährt oder aus vielfältigen Gründen ausfällt, scheint inzwischen reine Zufallsfrage. Zuverlässigkeit? Fehlanzeige! So treibt man die Pendler massenhaft zur Autonutzung, selbst in Städten wie Waldshut, wo Parkplätze Mangelware sind. Die noch nicht vorhandene Elektrifizierung ist eine leichtfertige Ausrede bei den vielfachen Missständen – in der letzten Woche fielen für mich vier Verbindungen aus, in keinem Fall hatte es etwas mit der Elektrifizierung zu tun. Mal waren Schafe auf den Schienen, mal streikte die Bahn, mal war eine Weiche eingefroren. Die ständigen Verspätungen sind vielmehr darauf zurückzuführen, dass die Strecke nur eingleisig ausgebaut ist und jede Störung beide Seiten blockiert. Das wird sich auch durch eine Elektrifizierung nicht ändern. Wenn man sich allerdings nicht auf das Funktionieren verlassen kann, dann braucht man sich auch nicht wundern, dass für die meisten der Zug kein Ersatz für das eigene Auto ist. Das ist, wenn man den Reichtum Deutschlands bedenkt und wie relativ leicht sich das beheben ließe, eine Schande!

Hinzu kommt der Irrglaube, man könne echten, gelebten Umweltschutz durch gesteigerte Elektronik ersetzen. Es hilft der Umwelt überhaupt nicht, wenn man Personal durch Automaten ersetzt, im Gegenteil. Auch Umweltschutz durch Digitalisierung ist Selbstbetrug. Das papierfreie Büro, das den nachwachsenden Rohstoff Papier durch nicht nachwachsende Metalle und Polymere ersetzt, schadet mehr, als es nutzt. Bücher sind viel umweltfreundlicher und nachhaltiger als Tablets, die ohnehin nur in einem Netzwerk wirklich Potential entfalten. So lange man im Zuge der Digitalisierung in großem Maßstab Serveranlagen errichtet für die virtuellen Freuden, deren Stromverbrauch einer Kleinstadt gleicht, viele kostbare Ressourcen für Smartphones und allerlei elektronische Gadgets verschwendet, die schon so konstruiert sind, dass sie allenfalls zwei Jahre problemlos zu benutzen sind, ja solange sollten wir Deutschen nicht mit dem Finger auf andere Staaten zeigen, zumal nicht auf solche, in die wir giftige Produktion und Müllentsorgung zu unserem Vorteil verlagert haben. Das ist schlichtweg Heuchlerei!

Ja klar, es deutet viel darauf hin, dass wir als Weltgemeinschaft das Biosystem gerade großflächig gegen die Wand fahren. Aber von ihrem Konsumverhalten sind die Deutschen da eifrig mit dabei! Sie sollten erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren, bevor sie anderen Nationen die Leviten lesen.

Man könnte da z. B. gleich mit Konsumverzichtet in der Weihnachtszeit anfangen. So manches Gadget ist schlichtweg überflüssig und wird eh nur für die Tonne produziert. Und nein, die künstliche Plastiktanne ist eben NICHT umweltfreundlicher als ein echter Tannenbaum.

Über Martin Dühning 1507 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.