Sonntage sind geheiligte Ruhezeiten, zumindest in den Ferien – und nach den größeren Ausflügen der Vortage beschloss ich, den ohnehin sehr verregneten 26. August ganz in Llandudno zu verbringen.
Llandudno ist, auch was Kirchen angeht, ein interessanter Ort. Es gibt dort unwahrscheinlich viele verschiedene, von evangelikalen bis hin zur koptisch-orthodoxen Kirche. Eine der größten Kirchen ist Holy Trinity, der ich am Sonntagmorgen einen Besuch abstattete. Wie ich erfuhr, feierte man dort gerade ein großes Jubiläum der Ökumene. Die Scripture Union feierte das 150jährige Bestehen ihrer Beach Mission, der ältere Referent nutzte das Jubiläum in seiner Ansprache, um für das christliche Element im Alltag zu werben und beschrieb dabei auch begeistert sein Erweckungserlebnis als Jugendlicher bei besagter Beach Mission.
Dafür, dass es offenbar ein recht großes Jubiläum war, hielt sich die Anzahl und Begeisterung der Besucher allerdings eher in Grenzen und während des Gottesdienstes rätselte ich, ob die Kirche eher anglikanisch oder eher methodistisch war. Vielleicht ist sie eine Konfession, die dazwischen angesiedelt ist, denn das persönliche Gebet spielt dort eine große Rolle. Das Fürbittbuch, auf dass ich am Freitag bei meiner Wanderung auf dem Great Orme in der alten Kirche Saint Tudno vorgefunden hatte, gehört, wie die Kapelle, offenbar auch zu dieser Gemeinde, es gibt auch oft Eucharistiefeiern und die Pfarrkirche war mit Bannern und verhaltenem Zierrat ausstaffiert. Da ich am Vortag abends noch bei BBC „Lord of The Rings – Return of The King“ angeschaut hatte, Edoras und seine Reiterfahnen noch in meinem Kopf herumschwirrten, wirkten einige der Banner auf mich recht doppeldeutig.
Wieder wurde mir bewusst, dass „Lord“ oder „Herr“ eigentlich sehr unzureichende und irreführende Bezeichnungen für den biblischen Gott sind und dass diese Begriffe den Zugang zum Glauben eher verstellen, als erleichtern. Aber besser scheint es wahrscheinlich nicht zu werden. Die neue deutsche Einheitsübersetzung geht in dieser Hinsicht einen falschen Weg, wenn sie die Gottesbezeichnungen mit „Herr“ ersetzt. Dass wir zwischenzeitlich aber kirchlich eher ein Cocooning betreiben, als offen zu sein, wurde mir auch durch diesen reformierten Gottesdienst bewusst, der ja versuchte, weltoffen zu sein, dennoch sehr konfessionell wirkte. Eine gewisse innere Resignation der Gemeinde war spürbar. Und wie auch am Hochrhein waren die Gottesdienstbesucher mehrheitlich grauhäuptig, ebenso wie der Referent. Insofern kam mir die Gemeinde St. Trinity trotz ihrer Andersartigkeit irgendwie vertraut vor. Die genaue Konfession habe ich bis heute nicht erraten, auch Jules und Joan konnten sie mir nicht genau sagen. Sie ist auf jeden Fall Mitglied des Cytûn, also womöglich Teil einer reformierten walisischen Landeskirche. Der Wortgottesdienst, den ich besuchte, wurde auf Englisch gehalten, dem Gesangsbuch ist aber zu entnehmen, dass es auch Feiern in Cymrisch gibt, den Gesänge und Gebete waren teilweise auch auf Walisisch abgedruckt, beispielsweise dieses berühmte Gebet:
Gweddiwn yn hyderus ar y Tad:
Ein Tad yn y nefoedd,
sancteiddier dy enw,
deled dy deyrnas,
gwneler dy ewyllys,
ar yddaear fel yn y nef.
Dyro inni heddiw ein bara beunyddiol;
a maddau inni ein troseddau,
fel yr ȳm ni wedi maddau
i’r rhai a droseddodd yn ein herbyn;
a phaid â’n dwyn i brawf,
ond gwared nie rhag yr Un drwg.Oherwydd eiddot ti yw’r deyrnas
a’r gallu a’r gogoniant
am byth.
Amen.
Nach dem Gottesdienst wurde ich von Gemeindemitgliedern auch noch zum Kaffee eingeladen, war allerdings so müde, dass ich den rechten Zeitpunkt vertrödelte, sodass das Gemeindecafê bereits schloss, als ich endlich dazu stieß. Also entschied ich kurzerhand, noch einen anderen Gottesdienst zu besuchen, den des benachbarten St. John. Der Türvorsteher dort war nicht ganz erfreut, dass ich zu spät zu diesem laufenden Gottesdienst kam, aber ich bekam immerhin noch die Predigt der Referentin mit und bemerkte dabei auch enorme stilistische Unterschiede zwischen dieser methodistischen Gemeinde von der Gemeinschaft von St. Trinity. Diese hier war konzeptionell moderner und die Besucher waren einen Hauch jünger als die der Nachbarskirche. Für die anderen vielen Kirchen von Llandudno war ich aber an diesem Tag zu spät dran, denn die walisischen Katholiken und Kopten scheinen z. B. Frühaufsteher zu sein, ganz im Gegensatz zu mir.
Mittags beschloss ich dann, zunächst in einem, der vielen schönen Kaffeehäuser einzukehren und entschied mich wieder einmal für heiße Schokolade und Karottentorte. Da meine Füße noch von den Vortagen schmerzten, verzichtete ich dann, vom obligatorischen Spaziergang an der Promenade entlang, auf größere Wanderungen und besuchte auch nicht das Konzert, dass für den Abend in St. Trinity noch angekündigt war, zudem es in Strömen schüttete. Nach dem sehr langen Hitzesommer zuhause tat mir der Regentag aber sehr gut, ich hatte das schon lange vermisst – und ich plante dafür die Ausflüge der kommenden Tage, wo ich nach Holyhead und Porthmadog wollte.