Es ist Winter, draußen und im Herzen, es ist Winter, und die Sehnsucht nach einem Lebensfrühling wächst. Was bleibt, wenn Frost herrscht, ist die Sprachkunst und die Lyrik.
Windhauch
Die des jammerfernen Einen
Unerweckte Kinder sind,
Höre, wo nur Stille bröselt:
Wind nur – immer weht der Wind.
Wo die Kieselsteine suhlen,
Fühlest nimmer, was du willst,
Ahne, wo der Kummer heimelt,
Wenn du deinen Hunger stillst.
Keine Rast und keine Kehre,
Heere Ziele sind längst fort,
Wanderst du die weite Leere
Fort zu einem andern Ort.
Die dir brennt wie eine Wunde,
Blasst noch mehr das süße Bild
Jener Zeit, die doch im Grunde
War ein eitles Traumgebild.
Der Gedanken Dunkelschwinge,
Nicht, was wir empfinden, sind:
Wir erwarten holde Klänge,
Doch nur Wind ist, leerer, kalter Wind.
Conundrum
Und vergessen, dass nichts bleibt,
Wir verbieten Gefühle,
Und missachten, dass sie Leben sind,
Wir manipulieren Gedanken,
Und lügen uns selbst an,
Wir löschen Erinnerungen,
Ungeachtet des Nichts, das kommt
Und wir werden am Schluss
Mit der Leere belohnt.
* * *
Wolfszeiten
Ich lebe nur noch in Bilderalben,
Die ich aber nicht besitze,
Spreche auf Tonbändern,
Die längst verblichen sind,
Werde geliebt nur von Menschen
Die schon unter der Erde weilen,
Existiere in Fantasiewelten,
Die ich in besseren Zeiten ersann,
Als der Himmel noch blau und still
Als sich über Grünem die Sonne erhob,
Als das Leid noch nicht so groß,
Und die Tage länger waren als die Nächte.
Was fürchten wir uns vor den Wölfen,
Wenn es die Menschen sind, die uns den
Gnadenschuss geben, wie sie meinen?
Letztlich ist es Mord im Geist,
Und wes Geistes Kind der ist,
Erkennt man an der Welten Lohn.
* * *
Sonnenschein
Es gibt nur eine Sonne, mögen der Sterne
Auch viele sein – sie sind nicht dein,
Dir nicht zugeordnet. Und du gehörst
Nicht zu ihnen. Hin und wieder, in kalten
Nächten glänzen sie dir. Doch wächst
Keine Frucht und kein Leben aus ihnen,
Der Sonne allein ist die Kraft.
Und sei ein Mond, ich gönn ihn dir
Für dunkle Stunden, macht er doch
Nicht Sommer, nur den Winter aus
Oder nach langen Julitagen
Eine laue Nacht.
Der Tag jedoch, wenn er wahr ist,
Ist der Sonne Schein, und glaubst du’s nicht,
Scheint sie doch einetwegen.
* * *
Fragestunde
Wo ist der Ort im Jenseits der Ideen,
Der meine stumme, blinde Seele findet,
Die angekettet an der Tage Mühn
Im Diesseits nicht die kleinste Ruhe bindet.
Erfülltes Schweigen wäre, wenn vom Glanz der Sinne,
Ein blinzelnd Lächeln wider meine Blicke,
Die trüb und alt vom Spiegel wiederglimmen,
Verfinge sanfte Stille der Geschicke.
Ich denke oft an jene kleinen Zeiten,
Wo sanft der Strom der lieblichen Gedanken,
Noch gangbar schien in unsren Zweisamkeiten,
Die Weiden tränkte, als der Pfad des Lebens.
Nun ist der Name selbst vergangen in der Zeit,
Und auch der Träume Inhalt wird schon trübe,
Und rauscht nur fremder Leut Verkehr vorbei
An meinem Fenster, still verhängt und grau.
Wo ist der Ort im Jenseits der Ideen,
Die Zukunft schaffen, statt sie zu vernichten,
Wo die Gedankenfetzen nicht verwehen
Und wo versprochner Sonne Grün entspränge?
Ich weiß es nicht, und so ich’s wissen würde,
So wär es einerlei, da schon die Sonne sinkt.
* * *