Meinen letzten Tag in Nordwales verbrachte ich am Strand, genauer gesagt: sogar an mehreren…
Immer häufiger habe ich das Gefühl, dass mir die Zeit ausgeht – und dieses Gefühl ist nicht unbedingt hilfreich bei der Umsetzung konstruktiver Unternehmungen. Dieser Mittwoch, der 29. August 2018 war mein letzter Tag in Wales. Am verregneten Sonntag in Llandudno hatte ich die Minibibliothek im Bodnant Guest House durchstöbert und war auf ein interessantes Büchlein mit kleinen Wanderungen gestoßen. Zwei hatten es mir besonders angetan: Die Rundwanderung von Conwy zum Mynydd y Dref, den ich oft aus der Ferne beobachtet hatte und eine kleinere zu den Aber’s Twin Falls. Dennoch entschied ich mich, an meinem letzten freien Tag in Nordwales lieber etwas zu unternehmen, wo man mehr unter die Menschen käme, und entschied mich stattdessen für den Welsh Mountain Zoo.
Dazu nahm ich mal wieder den Zug, der mich nach Colwyn Bay führte. Es war allerdings ein rauer, kalter Tag und Colwyn Bay mit seiner dominierenden Autobahn gefiel mir nun gar nicht. Etwas allzu offensichtliche Sicherheitsvorrichtungen am Bahnhof und allerlei durch die Stadt patroullierende Polizisten erzeugten bei mir keineswegs ein Gefühl von Sicherheit, auch ist Colwyn Bay bei weitem nicht so malerisch wie Llandudno oder Conwy. Allenfalls, dass der Bahnhof in Conwy Bay eine Babywickelstation in der Herrentoilette hatte (was ich mal sehr fair und emanzipiert fand) war etwas Positives. Allerdings war außer mir und den Sicherheitsleuten an diesem Tag offenbar niemand unterwegs. Selbst die Stadt wirkte leer. So brach ich meine Zoobesuchsunternehmung schnell wieder ab und machte kehrt. Da es bis zum nächsten Zug noch Zeit war, schlenderte ich durch die Autobahnunterführung noch zum Strand von Colwyn Bay, der mit seiner Rostkunstoptik aber auch nur wieder gruselige Stettin-Assoziationen bei mir weckte.
So war ich dankbar, als mich der Zug dann wieder wegbrachte. Da der Tag noch früh war, beschloss ich, es vielleicht doch in Conwy zu versuchen, vielleicht fände ich ja dort doch noch ein paar romantische Landschaftspanoramen, ohne mich zu sehr von der Menschenwelt zu isolieren. Allein, in Conwy verirrte ich mich beim Versuch, einen hübschen neuen Aussichtspunkt zum River Conwy zu finden, in endlosen Straßen mit Privatvillen, die allesamt nichts für Fotos hergaben. Den Weg von Conwy nach Llandudno wollte ich auch nicht noch einmal beschreiten und setzte mich dann in einen der vielen Arriva Wales Busse, die zwischen den Ortschaften verkehren – damit fuhr ich dann bis Deganwy, von wo ich meinen Weg zu Fuß fortsetzte.
Den restlichen Tag verbrachte ich am Strand in Deganwy. Es war nicht wirklich sommerlich an diesem 29. August, das Wasser, das sich bereits vom Strand zurückzog, war sehr kalt, aber ich watete doch sehr lange darin herum und beobachtete Hunde und die wenigen Menschen, die auch den Strand besuchten, schaute rüber zum Mynydd y Dref. Ich atmete die frische Seeluft, betrachtete wie ein Kind wundersam den Tang an den Poldern und sah der Sonne lange nach. Vielleicht, dachte ich mir da, wäre so ein einsames Haus am Meer doch das richtige für mich. Es stillt die Sehnsucht nach der Weite, und man fühlt sich dann doch nicht so einsam und verloren wie in fremden Menschenmassen. Wenn es nur etwas wärmer gewesen wäre und ich vielleicht doch wenigstens ein bisschen Gesellschaft gehabt hätte. Aber, wenn man das rauschende, weite Meer hat, wird selbst die unerfüllte Sehnsucht zur Naturerfahrung.
Immerhin, ich blieb recht lange, denn ich konnte mich nicht losreißen. Heute war mein letzter Tag in Nordwales, bevor es zunächst zurück nach Manchester gehen würde, dann wieder zurück zum öden und damals völlig sonnenverbrannten Hochrhein. Vielleicht würde ich ja einmal wiederkommen, dachte ich mir, als die Sonne schon tief stand und das Meer sich fast gänzlich zurückgezogen hatte. Und schweren Herzens verließ ich die Küste und machte mich noch ein letztes Mal auf zurück zu meinem Quartier im Bodnant Guest House.