Erneut zu Besuch bei Vizekönigin Luisa

Quittengelee nach Feenart - im November 2018 (Foto: Martin Dühning)
Quittengelee nach Feenart - im November 2018 (Foto: Martin Dühning)

Wir schreiben das Jahr 528 a. C. Seit unserem letzten Interview mit Vizekönigin Luisa Amiratu sind weitere zwölf Jahre vergangen. Wir haben sie in ihrem Amtsitz in Milony Island besucht und erneut befragt.

Anastratin.de: Frau Amiratu, was haben Sie die letzten zwölf Jahre so gemacht?

Luisa Amiratu: Ach, die letzten zwölf Jahre, von kurzen Urlauben abgesehen, waren voller Arbeit! Und das Wetter war oft gegen uns! Denken Sie nur an diese gräuliche Hitze und Dürrewelle in den Jahren 512-518! Immerhin konnten wir erstmals seit einem halben Jahrhundert wieder eine nennenswerte Ernte einfahren im Jahr 520. Es war nicht ganz soviel, wie erhofft, aber doch mehr, als wir verarbeiten konnten. Gut, wir haben es dann doch geschafft.

Anastratin.de: Sie spielen auf die Quittenprodukte an, die Sie in geradezu großindustriellem Maßstab produziert haben. Das hat Ihnen über die Landesgrenzen hinaus Achtung eingebracht und die Reputation Nindas bedeutend verbessert.

Luisa Amiratu: Nun ja, beachtet hat man uns, aber diplomatisch brachte es nichts und der Verkauf war doch eher bescheiden – und das trotz unserer wirklich innovativen Rezepturen. Ich will nur das Drachenfeuerquittengelee nennen, das hätte ja eigentlich schon ein Hit werden müssen, finde ich. Hoffen wir, dass unsere anderen Produkte künftig besser ankommen werden.

Anastratin.de: Was haben Sie denn für Produkte geplant?

Luisa Amiratu: Na wir hoffen doch sehr, dass unsere Blaubeerplantagen in der kommenden Sommersaison so richtig Frucht bringen, auch die Cassis-Produktion in Araruna sollte wieder in die Gänge kommen, wir haben da diverse Anpflanzungen erneuert, außerdem fiebern wir den neuen Pünktchenbeeren entgegen, ich glaube kaum, dass uns da jemand Konkurrenz machen wird wie bei den Quitten, von unseren neuen Kirschbaumplantagen ganz zu schweigen.

Anastratin.de: Dafür haben Sie aber auch ganz schön viele Bäume fällen lassen.

Luisa Amiratu: Pah! Ich habe sicher mehr Bäume pflanzen, als fällen lassen! Und falls Sie auf die kürzlichen Rodungen südlich von Nova Valentia anspielen – die Thujawälder waren tot, sie haben die Jahrhunderdürre nicht überlebt. Das tote Holz musste entfernt werden, um Waldbränden vorzubeugen  – und wir haben die Provinz komplett neu aufgeforstet, allerdings nicht mehr mit Nadelgehölzen, von Douglasien hat man uns abgeraten, sondern mit Ölweidengewächsen, Sanddorn vor allem. Wir versprechen uns davon, dass künftige Trockenperioden nicht mehr ganz so verheerende Folgen haben. Außerdem haben wir die Grenzlande neu bepflanzt.

Anastratin.de: Niemand wird bestreiten, dass Sie viel getan haben. Aber auch in den Provinzen Haldera und Papyrien hat die Dürre die Ökosysteme vernichtet, hier haben Sie noch nicht gehandelt.

Luisa Amiratu: Na hören Sie mal! Ich habe nur begrenzt Leute und Mittel und unsere sogenannten Verbündeten können Sie total vergessen! Die tun nichts! Mit den mickrigen Spenden, die ich von denen erhalten habe, könnte ich noch nicht mal ein vernünftiges Gemüsebeet zuwege bringen. Ich weiß, dass Haldera ganz dringend aufgeforstet werden muss, aber da wohnen schon lange keine Nitramier mehr und bevor ich die Wildnis besiedele, sind erst einmal die bestehenden Siedlungsflächen dran. Außerdem haben wir da noch nicht mal Außenposten oder Grenzfestungen – noch nicht jedenfalls. Was ich da pflanze, würde womöglich nur wieder von Dritten ausgerissen.

Anastratin.de: Ihnen wurde ja nun auch die Ehre zuteil, die Stadt Ventadorn zu betreuen…

Luisa Amiratu: Erinnern Sie mich bloß nicht daran! Es ist sehr eine zweifelhafte Ehre, hauptsächlich versuchen wir da, das Chaos aufzuräumen, was der letzte Bürgermeister hinterlassen hat.

Anastratin.de: Auf den waren Sie ja nicht gut zu sprechen.

Luisa Amiratu: Nein, zuletzt waren wir nicht mehr gut aufeinander zu sprechen, wobei ich aber darauf bestehen muss, dass ich als Vizekönigin ein vernünftiges Recht habe, den Bürgermeister öffentlich zu kritisieren, wenn er den Müll seiner Stadt in meinen Ländereien ablädt, statt ihn ordnungsgemäß zu entsorgen. Und es war sicher auch nicht in meinem Interesse, dass der Stadtrat ihn dann direkt vor den ohnehin anstehenden Wahlen einfach gestürzt hat. Damit hat er die gesamte Regierung Ventadorns lächerlich gemacht. Der Suizid des Exbürgermeisters hat die Stadt dann endgültig ins Chaos gestürzt und dass der Kaiser dann vorübergehend Alexander Czerdano zum komissarischen Bürgermeister ernannt hat, konnte die Staatskrise auch nicht beheben.

Anastratin.de: Nunmehr untersteht die Stadt Ihrem Oberbefehl, Frau Amiratu. Wenn man bedenkt, dass Sie ohnehin die zwölf Königreiche Nindas regieren und die Staaten Azurea, Fearne und faktisch auch Kournia mitverwalten, sind Sie damit die mit Abstand mächtigste Person, die jemals auf dem Planeten Ninda gelebt hat.

Luisa Amiratu: Bin ich das? Vielleicht vergessen Sie dabei, dass ich das alles nur stellvertretend für den Kaiser erledige, der mich jederzeit ersetzen könnte, wenn er wollte. Und im Fall von Ventadorn habe ich die Verwaltung an Commissioner Bentley delegiert. Er führt die Amtsgeschäfte zwar nur komissarisch, aber wir hoffen doch beide, dass es auf absehbare Zeit wieder eine reguläre Wahl geben kann, sobald wir mal genügend Kandidaten für den Stadtrat gefunden haben, die überhaupt noch bereit sind, zu kandidieren. Für eine echte Wahl bräuchten wir noch etwas mehr Vielfalt. Was die Vereinigten Provinzen angeht und die Protektorate, verwalten die sich teilautonom. Ohne meine Präfekte, Minister und die Kommunalregierungen könnte ich das alles gar nicht stemmen. Lassen Sie sich vom Titel „Vizekönigin“ nicht täuschen, ich bin eher sowas wie eine Aufsichtsrätin (grinst).

Anastratin.de: Sie regieren nun schon fast 28 Jahre als Vizekönigin. Denken Sie manchmal an einen Rückzug aus der Politik oder einen Berufswechsel?

Luisa Amiratu: Ich war wirklich sehr gerne salomenische Botschafterin, aber diese Option steht derzeit wohl leider nicht mehr zur Verfügung. Momentan denke ich, dass ich als Vizekönigin am nützlichsten bin. Für das Altenteil fühle ich mich noch zu jung, ich bin ja noch nicht mal 60, und das wäre auch noch kein Alter für eine Zwergfee. Nein, nein, so schnell werden Sie mich nicht los (lacht).

Anastratin.de: Was sind dann Ihre Zukunftspläne als Vizekönigin?

Luisa Amiratu: Ich würde schon mal noch gerne erleben, dass über Nitramien mal wieder die Sonne aufgeht. So eine schöne Glückszeit mit viel Freundschaft und Grund zur Freude würde ich unserem Volk mal wünschen nach all den Kummerjahren. Was ich als kleine Fee dazu beitragen kann, das will ich dazu beitragen – aber wie genau, da muss ich wohl spontan sein, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Ich bin da recht zuversichtlich, dass das gelingt.

Anastratin.de: Das wünschen wir uns natürlich auch für Sie und das Volk. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Luisa Amiratu: Vielen Dank zurück, gerne wieder…

Das Gespräch führte Nils Kawomba.

Nils Kawomba
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Nils Kawomba, ehemals Chefredakteur der NNZ (Neue Nitramische Zeitung), ist unser nitramischer Korrespondent in Ventadorn (Ninda).