Der Mensch als Herdentier

Herdentriebimpression (Grafik: Martin Dühning)
Herdentriebimpression (Grafik: Martin Dühning)

Wenn man auf diesem Planeten und unter Menschen lebt, bleiben einem zwei Möglichkeiten: Entweder man beugt sich dem Gruppenzwang der Umlebenden, passt seinen Lebenstil den „Normalen“, also der normangebenden Masse an, oder man darf für den Rest seines Lebens, meist allein, gegen den Strom der Konventionalität anschwimmen.

Das allerdings bringt nicht viel. Wissen ist in Wirklichkeit keine Macht und Selbstreflexion bringt einen auch nicht weiter, sehr wohl aber, sich opportunistisch nach der Masse zu richten – denn so lebt es sich viel bequemer. Je weniger Gleichgesinnte man kennt, desto aussichtsloser ist das Unterfangen, durch hehre individuelle Ziele irgendetwas in der Welt oder für die Umwelt zu erreichen: Denn was hilft es, wenn man unter Banausen lebt, irgendetwas zuwege zu bringen, was dann eh achtlos oder ärgerlich beiseite gewischt wird, weil es die Umlebenden nicht verstehen? Was hilft es uns im wahren Leben, wenn irgendein dritter Unbeteiligter, der es aus weiter Ferne, geografisch oder zeitlich, doch beachtet, dann doch eher zufällig als gar nicht so hinfällig mal nicht verwirft? Es hilft rein gar nichts, weil uns die Stromschwellen in unserer Gegenwart doch ungemindert weiter runterreißen!

Besonders zynisch wird es aber dann, wenn sich der Zeitgeist dann Synergien vorgaukelt, wo keine sind. Nehmen wir den Klimaschutz, wo es plötzlich einfach „in“ ist, sich umweltpolitisch zu äußern: plakativ-oberflächliche Demonstranten, die dann letztlich doch das Gegenteil von dem LEBEN, was sie skandieren, die Umweltschutz mit Lifestyle verwechseln; wenn sich – heuchlerischerweise – ebenjene in den ersten Reihen für die Zeitung ablichten lassen, die selbst jederzeit aktiv dazu beitragen, dass weiter stündlich Grünflächen zubetoniert werden; Leute aus Familien, die selbst nie den öffentlichen Nahverkehr benutzen würden, zuhause fleißig SUVs stapeln, für die klimafeindliche Fernreisen mit dem Flugzeug zum Leben einfach dazugehören. Ja aber wirklich, man wäre ja doch sogar bereit, für all das einige Cent mehr zu bezahlen, solange man weiterhin jeden Meter seines Lebens stylisch zurücklegen kann!

Das ist Pseudo-Umweltschutz, aber eben das, was an bloßer Symbolpolitik in unserer Gesellschaft getan wird, um das eigene Konsumentengewissen rein zu waschen. So wie es „in“ ist, sich vegan zu ernähren, neben all den billigen T-Shirts dann noch ein faires zusätzlich zu kaufen oder durch bloßes „Liken“ irgendwelcher Beiträge in „sozialen“ Netzwerken zu beweisen, was für ein guter Mensch man doch eigentlich ist.

Letztlich sind solche modischen Anwandlungen aber von kurzer Dauer, dann ist wieder etwas anderes trendy, beispielsweise die lebensfeindliche Steinwüste neben dem SUV im heimischen Vorgarten. Und weil man ja ein oder zweimal an einer Klimaschutzdemo teilgenommen hat und weil ja viele sagen, Batterieautos und Digitalisierung lösen alle Probleme, dann kann man natürlich weiterhin das tun, was auch die große Masse tut, nämlich jedem Trend hinterherrennen.

Und wenn es alle tun, tja, dann muss es ja schließlich auch richtig sein!

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.