Von der sozialen Verwüstung der Netze

Niarts Anastratin auf Facebook (Screenshot)

In kommunikativ besseren Zeiten, so vor etwa 10 Jahren, führte ich fast jeden Tag intensive und vielfältige Gespräche mittels neuer Medien. Stattdessen herrscht heute weitgehend Schweigen, Schweigen zwischen personalisierten Werbeanzeigen.

Nix los hier…

Es ist sehr schade, wie sich die Sache entwickelt hat, denn wenn man an einem Ort lebt, wo es keine Gleichgesinnten und auch keine Freunde mehr gibt, dann bringen soziale Netzwerke wie Facebook wirklich schon etwas. Natürlich reichen sie nicht an gelebte Beziehungen heran, aber die hat man nicht immer und wenn man Pech hat, viel zu selten. Disparate Freundeskreise, weit über alle Welt verteilt, waren mit Werkzeugen, wie Facebook es früher war, schon gut zu verwalten. Man hatte immerhin so flau das Gefühl, irgendwie doch am Leben der anderen teilzunehmen.

Das ist nicht mehr. Verglichen mit früher herrscht dort nun das Schweigen. Von Gesprächen keine Spur mehr, die Chats sind leer, nicht einmal bei sehr hübschen Fotos bekommt man Likes und es ist gerade so, als würde man nicht mehr wirklich existieren und wandle als körperloser Geist durch vollends automatisierte Fabrikhallen. Sicher, der Chat zeigt an, dass viele online sind, aber weder posten diese etwas, noch wird es angezeigt im Datenstream und was man selbst dort eingibt, wird gar nicht mehr beachtet. Von „sozial“ kann daher keine Rede sein, aber ganz offensichtlich von „Kommerz“, denn die Werbeanzeigen verfolgen einen überall hin und man wird das Gefühl nicht los, dass hinter allem ein unmenschliches, künstliches Bewusstsein steckt, das fleißig Profile schärft. Und die Onlineanzeige bestätigt wohl nur, dass andere den Messengerdienst auf ihrem Smartphone installiert haben, der fleißig selbst online geht und Daten austauscht. Wirklich „online“ ist das aber selten.

Ein Werbeanzeigen-Experiment

Nun dachte ich mir, vielleicht wird es ja besser, vielleicht bekommt man mal wieder Aufmerksamkeit, wenn man sich der Waffen des Kommerz selbst bedient und so nutzte ich also ein Angebot für Werbeanzeigen und schaltete diese für meine beiden Facebook-Webauftritte Nitramica Arts und Niarts Anastratin. Es war interessant, zu beobachten, was dann passierte: Zunächst einmal wurden die Werbeanzeigen überprüft und dazu, nehme ich mal an, setzt man noch wirkliche Menschen ein.

Nachdem sie freigeschaltet waren, konnte man über den Werbeanzeigenmanager beobachten, was angeblich passiert: Viele Klicks und Aufrufe wurden da angezeigt. Bloß: Es deckt sich nicht ganz mit den Seitenstatistiken von WordPress – dort wurde nämlich nichts angezeigt. Und wer auch immer mit den Werbeanzeigen interagierte, so gut wie nie kam er auf Anastratin.de oder Niarts.de an, es gab keine Kommentare und auch sonst nur ein oder zwei Likes. Dafür, und für ein paar lustige Zahlen im Facebookmanager, war das Ganze dann doch ein teurer Spaß.

Fazit

Was mache ich nun im drögen Lauchringen, wo schon lange keine Freunde mehr leben und wo ich demnächst noch nicht einmal Kandidaten im Gemeinderat wählen kann, die meine politischen Interessen teilen, weil keine da sind, nicht mal virtuelle?

Nun, man kann sich wieder, wie vor Facebook, einfach bloß einsam fühlen und verzweifeln, denn mit „sozialen Netzen“ ist ja auch nun augenscheinlich auch nichts mehr, sie haben sich in selbst erhaltende Werbeanzeigensysteme gewandelt – und da muss ich dann sagen, war die generische Fernsehwerbung früher noch netter und bequemer, die konnte man vom Sofa aus betrachten und man hatte damals auch nicht das Gefühl, dass eine Werbemaschinerie einen jederzeit stalkt und überwacht. Für Letzteres muss man aber nicht mal bei Facebook sein, man kann sich den Überwachungsdienst gleich mit intelligenten sprechenden Lautsprechern auch von der Konkurrenz ganz einfach installieren. Mit Alexa kann man sich dann wenigstens auch noch unterhalten, wenn es sonst nichts gibt.

Aber selbst meine Zimmerpflanzen haben mehr Empathie als das ganze technische Gedöns…

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.